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  • 01.06.2007 | Schwarzarbeitsgesetz

    Verhältnismäßigkeitsprüfung bei der Durchsuchung von Geschäftsräumen

    von RiOLG Detlef Burhoff, Münster
    Bei der Durchsuchung der Geschäftsräume eines Handwerkbetriebs, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeits­gesetz stützt, sind bei der Frage, ob Art. 13 Abs. 1 und Abs. 2 GG ausreichend beachtet wurden, auch die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen (BVerfG 26.3.07, 2 BvR 1006/01, Abruf-Nr. 071694).

     

    Sachverhalt

    Beschwerdeführer (BF) ist eine GmbH, die ein Gewerbe lautend auf „Baubiologischer Handel, Bestattungen“ betreibt. Bei einer Baustellenkontrolle stellte das Ordnungsamt fest, dass im Auftrag der GmbH Fliesen verlegt wurden, obwohl die GmbH nicht mit dem Fliesenlegerhandwerk in der Handwerksrolle eingetragen war. Das AG ordnete wegen des Verdachts des „Verstoßes gegen die Handwerksordnung“ die Durchsuchung der Geschäftsräume der GmbH nach „Rechnungen, Angeboten, Quittungen und ähnlichen Geschäftsunterlagen über Arbeiten des Fliesen-, Platten- und Mosaiklegerhandwerks“ an. Weitere Angaben enthält der Durchsuchungsbeschluss nicht. Das BVerfG hat die Entscheidungen der Vorinstanzen aufgehoben. 

     

    Entscheidungsgründe

    Die GmbH kann sich als eine juristische Person des Privatrechts auf die Unverletzlichkeit ihrer Wohn- und Geschäftsräume berufen. Aber auch dann bedarf eine Durchsuchung einer Rechtfertigung nach dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und muss Erfolg versprechend sein. Das muss der anordnende Richter eigenverantwortlich prüfen. Diesen Maßstäben wurde der Durchsuchungsbeschluss nicht gerecht:  

    • Der Durchsuchungsbeschluss lässt offen, ob unter „Verstoß gegen die Handwerksordnung“ die Erfüllung eines der diversen Bußgeldtatbestände der § 117, § 118 HwO oder aber einer Vorschrift des Schwarzarbeits­gesetzes zu verstehen ist. Eine weitere Konkretisierung des Tatvorwurfs erfolgt auch nicht durch die Umschreibung der aufzufindenden Beweismittel. Ebenso wenig enthält der Durchsuchungsbeschluss Angaben über die dem Tatverdacht zugrunde liegenden Tatsachen.
    • Darüber hinaus bestehen Bedenken an der Verhältnismäßigkeit des Grundrechtseingriffs. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gebietet zwar nicht, bei der Verfolgung von Ordnungswidrigkeiten stets von Durchsuchungs- und Beschlagnahmeanordnungen abzusehen (vgl. dazu auch EGMR, NJW 06, 1495). Allerdings sind die Anforderungen an die Stärke des Tatverdachts umso höher, je weniger schwer die dem Betroffenen zur Last gelegte Tat wiegt.
    • In Fällen der Durchsuchung bei Handwerkern, die sich auf einen Verstoß gegen die Handwerksordnung und das Schwarzarbeitsgesetz stützen, sind darüber hinaus die Wertungen des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG zu berücksichtigen. Ist im Rahmen der Ermittlungstätigkeit noch unklar, ob überhaupt eine Ordnungswidrigkeit gegeben ist oder ob es sich um die von Art. 12 Abs. 1 GG geschützte Ausübung der Berufsfreiheit handelt, so gebietet der insofern schwache Anfangsverdacht eine strenge Verhältnismäßigkeitsprüfung.

     

    Praxishinweis: Durchsuchung Handwerksbetrieb

    Für die Durchsuchung der Geschäftsräume eines Handwerkbetriebes wegen eines Verstoßes gegen das Schwarzarbeitsgesetz stellt das BVerfG folgenden Prüfungskatalog auf: 

    • Ist die ggf. zur Tatzeit noch geltende Ausnahmeregelung des § 8 HwO a.F. mit Blick auf Bedeutung und Tragweite des Grundrechts aus Art. 12 Abs. 1 GG großzügig ausgelegt worden (BVerfG DVBl 06, 244, 246).
    • Legen die vorliegenden Erkenntnisse mit hinreichender Wahrscheinlichkeit nahe, dass eine Eintragungspflicht des Betroffenen in die Handwerksrolle bestanden hat?
    • Fehlt ggf. lediglich der Formalakt der Eintragung in die Handwerksrolle oder verfügt der Betroffene über die materiellen Voraussetzungen einer Eintragung? Sofern lediglich der Formalakt der Eintragung unterblieben ist, eine Eintragung in die Handwerksrolle aber voraussichtlich möglich wäre, wäre der schwere Eingriff der Wohnungsdurchsuchung nicht gerechtfertigt.
    • Wenn auch zwischen den in Betracht kommenden Normen – § 117 Abs. 1 HwO und § 1 Abs. 1 Nr. 3 SchwarzArbG – ein Verhältnis der Gesetzeskonkurrenz in Form eines Qualifikationstatbestandes besteht, so reicht es nicht aus, beide Normen zugleich oder alternativ zu nennen. Angesichts der unterschiedlichen Tatbestandsvoraussetzungen und Bußgeldhöhen handelt es sich um unterschiedliche Regelungen zu Taten mit einem ebenfalls unterschiedlichen Unrechtsgehalt.