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  • 22.09.2010 | Selbstanzeigenberatung

    Wiederaufleben der Selbstanzeigemöglichkeit nach Abschluss einer Betriebsprüfung

    von RA Dr. Hilmar Erb, FA StrR, FA StR, München

    Eine Selbstanzeige ist mit strafbefreiender Wirkung nicht mehr möglich, wenn ein Amtsträger zur steuerlichen Prüfung bei dem Steuerpflichtigen erschienen ist (§ 371 Abs. 2 Nr. 1a Alt. 1 AO). Der Sperrgrund ist so bedeutsam, weil Steuervergehen vor allem durch Außenprüfungen entdeckt werden (Kohlmann, Steuerstrafrecht, April 2010, § 371 AO, Rn. 120).  

    1. Sperrgrund nach § 371 Abs. 2 Nr. 1a Alt. 1 AO

    Der Umfang der Sperre richtet sich nach dem Gegenstand der Prüfung, wie er in der Prüfungsanordnung (§ 196 AO) vorab festgelegt wurde (BGH 15.1.88, 3 StR 465/87, NStZ 88, 226). Unwirksam ist eine Selbstanzeige für den bzw. die dort genannten Steuerpflichtigen, Steuerarten und Veranlagungszeiträume. In Analogie zum Beschluss des BGH vom 20.5.10 (1 StR 577/09, Abruf-Nr. 101811) wird bisweilen vertreten, dass sich die Sperre auch auf solche steuerlichen Sachverhalte erstreckt, die mit dem Gegenstand der Prüfung in sachlichem Zusammenhang stehen (FM NRW 25.6.10, S 0702 - 9 - V A 1). Der Gesetzeswortlaut jedenfalls lässt offen, ob durch die Außenprüfung eine Selbstanzeige für den geprüften Zeitpunkt und die geprüften Steuerarten dauerhaft ausgeschlossen ist, oder ob mit dem Abschluss der Prüfung eine Selbstanzeige mit strafbefreiender Wirkung wieder erstattet werden kann. Diese Frage ist mit Blick auf die Zwecke der Selbstanzeige und deren dogmatische Struktur zu beantworten.  

    2. Zweck der Selbstanzeige

    Seit ihrer Genese in der RAO 1919 dient die Selbstanzeige sowohl steuer- als auch kriminalpolitischen Zielsetzungen. Mit ihrer Hilfe sollen bisher verheimlichte Steuerquellen erschlossen werden. Gleichzeitig wird dem Täter einer Steuerhinterziehung ein Anreiz zur Rückkehr in die Steuerehrlichkeit geschaffen, indem die an sich geltende Strafdrohung zurückgestellt wird (Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 AO Rn. 3). In ständiger Rechtsprechung wurde die strafbefreiende Wirkung der Selbstanzeige zwar auch - d.h. jedenfalls mittelbar - als Belohnung für bessere Einsicht und eigene Aufklärungsarbeit des Steuersünders gesehen, hauptsächlich jedoch als Anreiz zur Aufdeckung unbekannter Steuerquellen verstanden (BGH 11.11.58, 1 StR 370/58, BB 59, 104; BGH 12.8.87, 3 StR 10/87, NJW 88, 1679, 1680; BGH 13.10.98, 5 StR 392/98, wistra 99, 27, 28).  

     

    Die ganz herrschende Auffassung in der Literatur teilt dieses Verständnis. Die bestehenden Meinungsunterschiede gründen vorrangig in der unterschiedlichen Gewichtung von kriminalpolitischen und fiskalischen Erwägungen (Kohlmann, Steuerstrafrecht, April 2010, § 371 AO, Rn. 10 ff., m.w.N.). Der Beschluss des BGH vom 20.5.10 (1 StR 577/09, Abruf-Nr. 101811; auch Salditt, PStR 10, 168; Meyberg, PStR 10, 162) hat daran nichts geändert. Der 1. Senat hat hier (Rn. 10) lediglich den teleologischen Schwerpunkt anders als bislang akzentuiert, indem er die Belohnung des Täters stärker gewichtete als die Verfolgung fiskalischer Zwecke. Für die hier diskutierte Frage bleibt das ohne Konsequenzen, da sowohl fiskal- als auch kriminalpolitische Gründe dafür sprechen, die Selbstanzeige nach Abschluss einer Betriebsprüfung wieder zuzulassen.  

    3. Sperrgründe als teleologisches Spiegelbild von § 371 Abs. 1 AO

    In Sinn und Zweck der strafbefreienden Selbstanzeige fügen sich die Sperrgründe des § 371 Abs. 2 AO passend ein. Sie normieren Ausnahmetatbestände von der grundsätzlich vorgesehenen Strafbefreiung in § 371 Abs. 1 AO. Insoweit ist dem BGH zu widersprechen, wenn er in seinem Beschluss vom 20.5.10 (a.a.O, Rn. 17) das Regel-Ausnahme-Verhältnis in sein Gegenteil verkehrt: Gesetzgeberische Intention war es gerade, im fiskal- und kriminalpolitischen Interesse die Möglichkeit der Strafbefreiung zu schaffen. Diese Absicht spiegelt sich in den Sperrgründen wider: Die Selbstanzeige setzt eine besondere Rückkehrleistung des an der Steuerstraftat Beteiligten voraus (vergleiche auch den Grundsatz der Materiallieferung i.S. von § 371 AO). Entsprechend kann ein Steuerhinterzieher, der keinen - oder nur einen geringen eigenen - Beitrag zur Tataufklärung leistet, nicht in den Genuss der Straffreiheit kommen (Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 371 AO Rn. 132; Kohlmann, Steuerstrafrecht, April 2010, § 371 AO Rn. 117 m.w.N.).