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  • 01.09.2007 | Spekulationsgewinne

    § 396 Abs. 1 AO: Aussetzung des Strafverfahrens

    von RA Jörg Wiese, München (www.wannemacher-partner.de)
    Für die Frage, ob ein Verkürzungserfolg i.S. des § 370 AO eingetreten ist, sind in späteren Jahren ergriffene Maßnahmen, die einen verfassungswidrigen Zustand angeblich rückwirkend „heilen“ sollen, irrelevant. Angesichts ernstlicher Zweifel an der materiellen Rechtslage auch in verfassungsrechtlicher Hinsicht und unter Berücksichtigung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes in Verbindung mit der prozessualen Fürsorgepflicht des Strafgerichts ist eine Verfahrensaussetzung gemäß § 396 Abs. 1 AO geboten (LG Augsburg 26.4.07, 10 Kls 509 Js 103192/03, wistra 07, 272, Abruf-Nr. 072573).

     

     

    Sachverhalt

    Angeklagt sind zwei Brüder. Diesen liegt die Hinterziehung von Einkünften aus privaten Wertpapierveräußerungsgeschäften (Spekulationsgewinnen) der Jahre 1999 bis 2001 sowie von Kapitaleinkünften zur Last. Die steuerlichen Einspruchsverfahren ruhen (§ 363 Abs. 2 AO).  

     

    Steuerlicher Hintergrund in Bezug auf die blankettausfüllenden Normen ist zum einen das „Tipke-Urteil“ des BVerfG vom 9.3.04 (2 BvL 17/02, PStR 04, 74, Abruf-Nr. 040672), welches zur Nichtigerklärung der „Spekulationsbesteuerung“ für die VZ 1997 und 1998 geführt hat. Zwar hat der BFH hinsichtlich der Folgejahre mit Urteil vom 29.11.05 (IX R 49/04, PStR 06, 49, Abruf-Nr. 060209) eine überraschende Kehrtwende vollzogen: Abweichend von seiner bisherigen Linie hält er den Besteuerungstatbestand bezogen auf das Jahr 1999 – und inzident damit auch für die Folgejahre – für verfassungskonform. Nach seiner Auffassung soll das mit dem Gesetz zur Förderung der Steuerehrlichkeit vom 23.12.03 mit Wirkung zum 1.4.05 eingeführte Kontenabrufverfahren gemäß § 93 Abs. 7und § 93b AO rückwirkend zur Beseitigung des vom BVerfG im Tipke-Urteil festgestellten strukturellen Vollzugsdefizits geführt haben. Gegen das Urteil des BFH wurde aber Verfassungsbeschwerde eingelegt (Az. 2 BvR 294/06). In strafrechtlicher Hinsicht ist bedeutsam, dass das BVerfG jüngst die Verurteilung wegen Hinterziehung von „Spekulationsteuer“ des Jahres 1997 untersagt hat (BVerfG 8.11.06, 2 BvR 620/03, Wiese, PStR 07, 47, Abruf-Nr. 070528).