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  • 01.05.2006 | Steuergeheimnis

    Im Spannungsfeld zwischen § 406e StPO und § 30 AO

    von RA Dr. Markus Gotzens, FA StR und FA StrR, München

    Die Möglichkeit eines durch eine Straftat Verletzten, in die staatsanwaltlichen Ermittlungsakten Einsicht zu nehmen, gewinnt immer mehr an Bedeutung. Die vor einer Gewährung der Akteneinsicht durch die StA vorzunehmende Abwägung zwischen den Interessen des Verletzten und denen des Beschuldigten geht häufig zu Gunsten des Verletzten aus. Dabei wird oftmals übersehen, dass in diese Abwägung auch das Steuergeheimnis nach § 30 AO einzubeziehen ist.  

    1. Voraussetzungen einer Akteneinsicht nach § 406e StPO

    1.1 Verletzteneigenschaft

    Nach § 406e Abs. 1 StPO kann ein durch eine Straftat Verletzter über seinen RA Einsicht in die Gerichts- bzw. Ermittlungsakten beantragen. Verletzter ist jede Person, die durch die behauptete Tat unmittelbar in einem Rechtsgut verletzt ist. In diesem Zusammenhang könnte sich bereits die Frage stellen, ob und, wenn ja, inwiefern eine natürliche Person als „Verletzter“ i.S. des § 406e Abs. 1 StPO durch den Tatvorwurf der Steuerhinterziehung nach § 370 AO in Betracht kommt. „Geschädigt“ ist doch bei einer Steuerhinterziehung regelmäßig nicht eine natürliche Person, sondern die „Gesamtheit“ der Steuerzahler bzw. der Staat als solcher.  

     

    In der Praxis ist es aber durchaus denkbar, dass durch den Vorwurf der Steuerhinterziehung auch einzelne, individuell bestimmbare natürliche Personen verletzt sein können, z.B. im Rahmen von Ermittlungen gegen Initiatoren und Beteiligte so genannter „Verlustzuweisungsgesellschaften“ wie Immobilien- oder Medienfonds. Richtet sich der Vorwurf der Steuerhinterziehung gegen den Initiator einer solchen Gesellschaft, ist nicht nur der Fiskus i.S. des § 406e Abs. 1 StPO geschädigt und damit verletzt, sondern auch der einzelne Anleger, der die ihm versprochene steuerliche Verlustzuweisung – z.B. auf Grund falscher Angaben im Rahmen der Steuererklärung des Initiators – nicht geltend machen kann. 

     

    1.2 Berechtigtes Interesse des Verletzten an der Akteneinsicht

    Unabhängig von der Verletzteneigenschaft, muss der Akteneinsicht Begehrende ein berechtigtes Interesse darlegen. In der Praxis erschöpft sich dieses regelmäßig in der Behauptung, zivilrechtliche Ansprüche z.B. auf Zahlung von Schadenersatz gegen den Beschuldigten geltend zu machen. Grundsätzlich lässt sich dagegen einwenden, dass solche Ansprüche auch nach Abschluss der Ermittlungen geltend gemacht werden können und es dem Verletzten zuzumuten ist, den Ausgang des Ermittlungsverfahrens abzuwarten. Etwas anderes wäre nur dann denkbar, wenn ein Antragsteller eventuell eine Verjährung seiner zivilrechtlichen Ansprüche zu besorgen hätte. Dabei ist jedoch zu beachten, dass das Akteneinsichtsrecht Verletzter nach § 406e StPO nicht als Deckmantel für bislang nicht dargelegte berechtigte Interessen benutzt werden kann (BVerfG 24.9.02, NJW 03, 501). Eine Akteneinsicht zu Ausforschungszwecken bzw. für die erstmalige Substantiierung vorgeblicher Schadenersatzansprüche ist unzulässig. Es besteht auch dann kein berechtigtes Interesse an der Akteneinsicht, wenn zu befürchten steht, dass die Informationen aus der Ermittlungsakte zu verfahrensfremden Zwecken, wie z.B. der – berufsrechtlich nach § 43b BRAO ohnehin unzulässigen – Werbung gegenüber weiteren potentiell „Geschädigten“ auf Erteilung eines Mandates im Einzelfall genutzt werden. Ist dies nicht auszuschließen, muss die Akteneinsicht ebenfalls versagt werden.