01.11.2006 | Steuerhinterziehung
Abzugsbesteuerung bei beschränkt steuerpflichtigen Künstlern, Sportlern, Journalisten
Der Vergütungsschuldner von in Deutschland tätigen ausländischen Journalisten, Künstlern oder Sportlern hat nach § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 1 EStG von der Vergütung ESt einzubehalten und abzuführen. Unterlässt er dies, kann er als Haftungsschuldner in Anspruch genommen werden (§ 50a Abs. 5 S. 5 EStG). Bei vorsätzlicher Nichtabführung ist der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt. Die Bemessungsgrundlage für die Abzugssteuer umfasst nach § 50a Abs. 4 S. 2 EStG den vollen Betrag der Einnahmen einschließlich der Beträge i.S. des § 3 Nr. 13 und Nr. 16 EStG, also Reisekostenerstattungen. Dies kann jedoch nicht gelten, wenn der vermeintliche Vergütungsschuldner keinerlei Vergütung an den beschränkt Steuerpflichtigen leistet, sondern lediglich – aufgrund eigener Vertragsbeziehungen zu den Erbringern der Reiseleistungen – Reisekosten übernimmt. Diese Problematik ist bislang weder in der Literatur noch in der Rechtsprechung thematisiert worden.
Sachverhalt |
Das FA hat einen deutschen Konzertveranstalter als Haftungsschuldner in Anspruch genommen. Er hatte ausländische Künstler unentgeltlich für Auftritte in Deutschland engagiert, die Reisekosten übernommen und keinen Steuerabzug nach § 50a Abs. 4 S. 1 Nr. 2 und S. 2 EStG vorgenommen. Der Veranstalter hatte Deutschland-Tourneen mit den Künstlern organisiert und dabei selbst Verträge mit inländischen Unternehmen abgeschlossen, die für die Anreise, den Transport und die Unterbringung der Künstler gesorgt haben. Die Leistungen sind dem Veranstalter in Rechnung gestellt und durch diesen gegenüber den Erbringern der Reiseleistungen beglichen worden. Die ausländischen Künstler haben daneben keine weiteren Leistungen, insbesondere kein Entgelt, erhalten. Das FA hat die Zahlungen als bloße Kostenerstattungen unter Abkürzung des Zahlungswegs qualifiziert, den Veranstalter als Haftungsschuldner in Anspruch genommen und ein Ermittlungsverfahren gegen ihn eingeleitet. |
1. Unrechtmäßigkeit der Inanspruchnahme des Veranstalters
Gegen eine Pflicht des Veranstalters zur Einbehaltung und Abführung von ESt für die ausländischen Künstler sprechen folgende Argumente:
1.1 Keine Abzugspflicht, da keine beschränkte Steuerpflicht i.S. des 49 EStG
Die Haftungsschuld ist nach § 191 Abs. 1 AO akzessorisch zur Steuerschuld der beschränkt Steuerpflichtigen, für die der Vergütungsschuldner Steuern im Wege des Abzugsverfahrens einzubehalten und abzuführen hat. Man könnte nun wie folgt argumentieren: Die ausländischen Künstler seien nicht beschränkt steuerpflichtig, da sie keine inländischen Einkünfte i.S. des § 49 EStG erzielten. Daran ändere auch die Einbeziehung von Reisekostenerstattungen nach § 50a Abs. 4 S. 2 EStG nichts. § 50a EStG sei eine Vorschrift des Steuererhebungsverfahrens, die eine Steuerpflicht als solche nicht begründen könne. Die Vorschrift knüpfe an eine bestehende sachliche Steuerpflicht an und greife daher erst dann, wenn inländische Einkünfte nach § 49 EStG vorlägen. Reisekosten werden über § 50a Abs. 4 S. 2 EStG lediglich in die Bemessungsgrundlage einbezogen (Herrmann/Heuer/Raupach-Maßbaum, EStG, Band 15, Juli 05, § 50a Anm. 3, 39; Rabe, FR 92, 646 f.). Werden – wie hier – keinerlei Vergütungen gezahlt, kann demnach eine Bemessung der Höhe der Steuer nicht erfolgen, da bereits dem Grunde nach keine Steuerpflicht gegeben ist. Die Künstler haben auch keine Zahlungen als Reisekostenerstattungen erhalten, sondern die Einspruchsführerin hat die ihr von den Leistungserbringern in Rechnung gestellten Leistungen beglichen, wozu sie aufgrund eigener vertraglicher Verhältnisse verpflichtet war.
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