Frage | Antwort |
1.Für wen wirkt die Selbstanzeige? | Bei der Selbstanzeige handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungsgrund (BGHR AO § 371 Selbstanzeige 6) für den Täter oder Teilnehmer, der die Selbstanzeige erstattet. Es bleibt zwar bei der Steuerhinterziehung, der Gesetzgeber verzichtet aber auf seinen Strafanspruch. |
2.Wie wirkt sich die Selbstanzeige auf das Besteuerungsverfahren aus? | Nein. Der Steuerhinterzieher haftet weiterhin für die hinterzogene Steuer (§ 71 AO), die Festsetzungsfrist verlängert sich (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO), es tritt eine Ablaufhemmung ein (§ 171 Abs. 5 S. 2 AO) und die Hinterziehungszinsen (§ 235 AO) müssen bezahlt werden. |
3.Hat die Selbstanzeige Auswirkungen auf nicht steuerliche Straftaten? | Nein, selbst dann nicht, wenn diese mit der Steuerhinterziehung tateinheitlich (§ 52 StGB) zusammentreffen. Der Anzeigenerstatter genießt aber hinsichtlich einer nicht steuerlichen Straftat, die er durch Selbstanzeige zur Kenntnis von Amtsträgern der Finanzbehörde bringt, den Schutz des Steuergeheimnisses (§ 30 AO). Darüber hinaus dürfte dieser Aspekt auch bei der Strafzumessung bzw. bei Erwägungen, ein Ermittlungsverfahren aus Opportunitätsgesichtspunkten zu beenden, eine Rolle spielen. |
4.Verlangt die Selbstanzeige ein freiwilliges Handeln wie bei § 24 StGB (Rücktritt vom Versuch)? | Nein. Eine Selbstanzeige kommt sogar in Betracht, wenn der Betroffene dem Vorwurf entgegen tritt und die Erklärung nicht „freiwillig“, sondern nur aus Erwägungen der „Vorsicht“ abgegeben hat (LG Stuttgart wistra 90, 72 f.). Dies ist etwa dann der Fall, wenn einer von zwei gemeinsam veranlagten Ehegatten seine Kapitaleinkünfte von einem seiner Konten nicht deklariert hat, ohne dass der Ehegatte hierauf Einfluss genommen hat. |
5.Muss die Selbstanzeige persönlich erstattet werden? | Ja, Straffreiheit erlangt nur, wer als Täter oder Teilnehmer einer Steuerhinterziehung die Selbstanzeige persönlich erstattet. Dies schließt aber nicht aus, dass die Selbstanzeige durch einen – zuvor bevollmächtigten – Vertreter erstattet wird. Entscheidend ist, dass der Täter die Mitteilung veranlasst hat und sie ihm deshalb zuzurechnen ist. Von einem Vertreter ohne Vertretungsmacht abgegebene Erklärungen haben für den potenziellen Straftäter keine strafbefreiende Wirkung, selbst wenn dieser die Selbstanzeige später genehmigt oder wenn sie nach der jeweils gegebenen Sachlage seinem mutmaßlichen Willen entsprach (Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, § 371 AO Rn. 80.). |
6.Sind Formvorschriften zu beachten? | Nein, die Selbstanzeige bedarf grundsätzlich keiner Form, sie kann fernmündlich, schriftlich, per Fax, E-Mail u.s.w. abgegeben werden. Die Selbstanzeige muss als solche nicht bezeichnet werden, wenngleich für die Praxis dringend zu raten ist, dass die Selbstanzeige schriftlich erfolgt und der Zugang der Selbstanzeige durch einen Eingangsstempel des Finanzamts bestätigt wird. Die Selbstanzeige muss bei der im Einzelfall örtlich und sachlich zuständigen Behörde eingehen (Joecks, a.a.O., Rn. 89). Wird die Selbstanzeige an die Staatsanwaltschaft geschickt, tritt die Wirkung der Selbstanzeige erst ein, wenn sie bei der Finanzbehörde eingeht. Sie sollte daher stets direkt an die Finanzbehörde adressiert werden. Erwogen werden kann lediglich, eine Abschrift an die Staatsanwaltschaft zu senden, etwa um eine anstehende Durchsuchungsaktion auf diesem Wege auch noch kurzfristig zu verhindern. |
7.Wie hoch sind die Anforderungen an eine Selbstanzeige? | Inhaltlich muss der Anzeigenerstatter durch die Selbstanzeige die ursprünglich unrichtige oder unvollständige Angabe berichtigt, ergänzt oder unterlassene Angaben wahrheitsgemäß nachgeholt werden. Darüber hinaus muss der Täter oder Teilnehmer einer (versuchten) Steuerhinterziehung neben den Besteuerungsgrundlagen auch seinen eigenen Tatbeitrag (aktiv) offenlegen (BGH NJW 03, 2996, 3000); die bloße Bestätigung des Außenprüfungsergebnisses oder die auf Vorhalt bestimmter auffälliger Sachverhalte eingeräumte Unrichtigkeit der bisherigen Angaben reicht dafür nicht aus (BGH NJW 05, 2723, 2726 mit Anm. Salditt PStR 05, 233). Durch die Berichtigungserklärung („Materiallieferung“) muss die Finanzbehörde in der Lage sein, ohne langwierige Nachforschungen den Sachverhalt vollständig aufzuklären und die Steuer richtig festzusetzen (BGHSt 49, 136, 139 mit Anm. Gericke PStR 05, 204). |
8.Was ist zu tun, wenn kurzfristig keine exakten Angaben über die Besteuerungsgrundlagen verfügbar sind? | Grundsätzlich bestehen zwei Möglichkeiten: - Zum einen kann der Steuerpflichtige einen sorgfältig begründeten Schätzvorschlag machen (BGH NJW 74, 2293); insoweit muss er die für die Schätzung erforderlichen Grundlagen mitteilen. Im Zweifelsfall sollte eine eher zu hohe Schätzung vorgenommen werden, denn liegt die Schätzung unterhalb einer später vorgenommenen tatsächlichen Festsetzung, kann dies nachteilhafte Auswirkungen haben, indem der überschießende Betrag nicht von der Selbstanzeige erfasst wird (OLG Stuttgart WiB 96, 959).
- Zum anderen kann er die „gestufte Selbstanzeige“ wählen, wenngleich letztere nicht unerhebliche Risiken aufweist (näher dazu Webel, PStR 07, 213).
|
9.Welche finanziellen Risiken gehen mit einer Selbstanzeige einher? | Gemäß § 371 Abs. 3 AO wird Straffreiheit nur erlangt, wenn die hinterzogene Steuer innerhalb der bestimmten (angemessenen) Frist nachentrichtet wird. Erst mit der vollständigen und fristgerechten Zahlung der verkürzten Steuer erlangt der Täter die endgültige Straffreiheit seiner Selbstanzeige. Wird demgegenüber nicht innerhalb der gesetzlichen Nachzahlungsfrist die Steuer entrichtet, geht die Straffreiheit endgültig verloren. Werden Teilzahlungen geleistet, tritt Straffreiheit insoweit ein, als die hinterzogene Steuer entrichtet wurde. Eine Selbstanzeige will also auch finanziell wohl vorbereitet sein. |
10. Wann ist eine Selbstanzeige nicht mehr möglich (Sperrgrund)? | Nach § 371 Abs. 2 AO tritt die Straffreiheit nicht ein, wenn 1.vor der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung - ein Amtsträger der Finanzbehörde zur steuerlichen Prüfung oder zur Übermittlung einer Steuerstraftat oder einer Steuerordnungswidrigkeit erschienen ist, oder
- dem Täter oder seinem Vertreter die Einleitung des Straf- oder Bußgeldverfahrens wegen der Tat bekannt gegeben worden ist, oder
2. die Tat zum Zeitpunkt der Berichtigung, Ergänzung oder Nachholung ganz oder zum Teil bereits entdeckt war und der Täter dies wusste oder bei verständiger Würdigung der Sachlage damit rechnen musste. |