Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 22.02.2011 | Steuerhinterziehung

    Kenntnis der Finanzbehörden bei Abgabe falscher Erklärungen unbeachtlich

    von VRiLG Alexander Meyberg, München/Karlsruhe

    Eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO (Abgabe einer unrichtigen oder unvollständigen Erklärung) entfällt nicht dadurch, dass den Finanzbehörden die zur Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen bekannt sind (BGH 14.12.10, 1 StR 275/10, Abruf-Nr. 110555).

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte wurde wegen Beteiligung an einem USt-Karussell zu 4 Jahren und 9 Monaten Freiheitsstrafe verurteilt. Die vom Angeklagten zu verantwortende USt-Hinterziehung beträgt 5,8 Mio. EUR. Im Verfahren hat er mit einem - vom LG mit rechtsfehlerhafter Begründung abgelehnten - Beweisantrag behauptet, die Finanzbehörden hätten noch vor Eingang der ersten inkriminierten USt-Voranmeldung so ausreichende Kenntnis von der Verdachtslage gehabt, dass sie den Schadenseintritt hätten verhindern können, gleichwohl seien sie nicht eingeschritten.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hat entschieden, dass aus Rechtsgründen - gewissermaßen „alternativlos“ - weder eine Kenntnis der zuständigen Finanzbehörden vom zutreffenden Steuersachverhalt, noch deren „Schweigen trotz Wissens“ für den Schuld- oder für den Strafausspruch hätte berücksichtigt werden können, sodass der Angeklagte durch die rechtsfehlerhafte Ablehnung seines Beweisantrags nicht in seinen Verteidigungsmöglichkeiten beeinträchtigt worden ist.  

     

    • In der Literatur wird teilweise die Ansicht vertreten, in den Tatbestand der Steuerhinterziehung durch aktives Tun (§ 370 Abs.1 Nr.1 AO) sei das ungeschriebene Merkmal einer „Unkenntnis“ der Finanzbehörde vom wahren Sachverhalt hineinzulesen (Joecks in Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 AO Rn. 198 f.; Schmitz/Wulf in MüKo-StGB, § 370 AO Rn. 241). Dem ist der BGH bereits früher entgegengetreten: Der Tatbestand des § 370 Abs.1 Nr. 1 AO setze keine gelungene Täuschung des zuständigen Finanzbeamten voraus. Es genüge, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden (so z.B. BGH 6.6.07, 5 StR 127/07, PStR 07, 173, NStZ 07, 596; auch BFH 25.10.05, VII R 10/04, PStR 06, 52, BStBl II 06, 356, 357).

     

    Dies gelte - so nun der BGH - auch, wenn der Veranlagungsbeamte (und erst recht für die zuständigen Finanzbehörden bei Anmeldungssteuern, § 168 AO (Anmerkung des Autors)) von allen für die Steuerfestsetzung bedeutsamen Tatsachen Kenntnis haben und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90 AO) bekannt und verfügbar sind. Da der Erfolg auch bei umfassender Kenntnis der Finanzbehörden von den für die Steuerfestsetzung relevanten Tatsachen - anders als in der Unterlassungsvariante - weder ganz noch zum Teil ohne den vom Steuerpflichtigen in Gang gesetzten Geschehensablauf eingetreten wäre, realisiere sich gerade in dem Machen der falschen Angaben - neben einem möglicherweise strafrechtlich relevanten Verhalten des Veranlagungsbeamten - die durch § 370 Abs.1 Nr.1 AO rechtlich missbilligte Gefahr einer Steuerverkürzung. Dass die Finanzbehörden die Tat nicht verhindert haben oder frühzeitig dagegen eingeschritten sind, kann die Strafbarkeit auch nicht in Frage stellen (so schon BGH 12.1.05, 5 StR 191/04, PStR 05, 51, wistra 05, 148).