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  • 01.07.2005 | Steuerhinterziehung

    Lebensversicherungen: Fragen und Antworten zum so genannten „Fünf-plus-sieben-Modell“

    von RA / FA StR Dr. Martin Wulf, Köln

    In der Tages- und Wirtschaftspresse wurde in jüngerer Zeit von Fahndungs­maßnahmen bei Versicherungsunternehmen berichtet. Gegenstand der Ermittlungen seien Steuerhinterziehungen durch Kunden der Versicherungsunternehmen. Die Ermittlungen stünden im Zusammenhang mit Lebensversicherungen nach dem sog. „Fünf-plus-sieben-Modell“. In der Presse wurde über Geldwäsche und Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Versicherungsmitarbeiter spekuliert. Die Presseveröffentlichungen geben Anlass, die steuer- und steuerstrafrechtlichen Hintergründe des beschriebenen Lebensversicherungsmodells kurz zu beleuchten: 

     

    Fragen und Antworten: Fünf-plus-sieben-Modell

    1.Was ist eine Lebensversicherung nach dem „Fünf-plus-sieben-Modell“?

    Der Kunde schließt mit dem Versicherungsunternehmen einen Lebensversicherungsvertrag ab, der über fünf Jahre laufende Einzahlungen vorsieht. Im Anschluss bleibt der Vertrag sieben Jahre beitragsfrei. Nach Ablauf von dann zwölf Jahren wird die Lebensversicherung an den Versicherten ausgezahlt. Dies ist das eigentliche „Fünf-plus-sieben-Modell“. 

     

    In den von der Steufa ins Auge gefassten Fällen eröffnet der Kunde parallel zu der Lebensversicherung bei einer Bank ein Depotkonto, auf welches er zu Beginn der Versicherungslaufzeit einen Einmalbetrag einzahlt. Von diesem Konto werden dann die laufenden Beitragszahlungen über den Einzahlungszeitraum von fünf Jahren abgebucht. Die während dieser fünf Jahre auflaufenden Zinsen werden dem Depotkonto gutgeschrieben. Als Variante hierzu ist auch denkbar, dass der Kunde kein Depotkonto einrichtet, sondern beispielsweise Tafelpapiere erwirbt oder bereits erworben hat, die er in den fünf Jahren der Beitragszahlung jeweils i.H. des fälligen Beitrags zur Tilgung einlöst oder dass der Kunde schlicht selbst ein Bardepot unterhält, aus dem er Barzahlungen i.H. der jeweils fälligen Beitragsleistungen erbringt.  

    2.Was ist der steuerliche Hintergrund des Modells?

    Nach § 20 Abs. 1 Nr. 6 S. 2 EStG a.F. i.V.m. § 10 Abs. 1 Nr. 2b EStG a.F. war die Ausschüttung einer Kapitallebensversicherung oder der Rückkauf einer anderen Lebensversicherung insgesamt steuer­frei, wenn folgende Voraussetzungen erfüllt waren: 

    • Versicherung mit laufender Beitragsleistung,
    • Ausschüttung des Kapitals oder Einräumung des Kapitalwahlrechts, frühestens nach Ablauf von zwölf Jahren seit Vertragsbeginn.

     

    Die in der Ausschüttung des Kapitals nach Ablauf von zwölf Jahren enthaltenen Zinsen und Ertragsanteile konnten in diesem Fall steuerfrei durch den Steuerpflichtigen vereinnahmt werden. Nach den Verwaltungsvorschriften der Finanzbehörden war von einer „laufenden Beitragsleistung“ auszugehen, wenn vertrag­lich zumindest für einen Zeitraum von fünf Jahren ab dem Zeitpunkt des Vertragsabschlusses Beitragsleistungen vereinbart waren (BMF 20.6.90, BStBl I, 324 Rn. 1). Vor diesem Hintergrund erklären sich die Zeitabläufe des sog. „Fünf-plus-sieben-Modells“. Eine Beitragsleistungszeit von fünf Jahren und eine beitragsfreie Zeit von zusätzlich sieben Jahren waren die Zeiträume, die gesetzlich mindestens einzuhalten waren, um in den Genuss der Steuerbefreiung zu gelangen.
    3.Das Modell im steuerstrafrechtlichen Kontext

    Wer Steuern hinterzogen und dadurch „Schwarzgeld“ angesammelt hat, der hat regelmäßig das Problem, dieses Geld im Inland zu Anlage- oder Konsumzwecken einsetzen zu können, ohne Gefahr zu laufen, dass die begangene Steuerhinterziehung von den Finanzbehörden entdeckt wird. Der Abschluss einer Lebensversicherung nach dem „Fünf-plus-sieben-Modell“ erschien einigen Personen als eine geeignete Möglichkeit, dieses Problem zu lösen: Die Einzahlung des Geldes in fünf laufenden Jahresbeiträgen ist als solche steuerlich nicht relevant und wird den Finanzbehörden nicht gemeldet. Nach § 10 Abs. 1 Nr. 2 EStG a.F. kam sogar ein Sonderausgabenabzug für die gezahlten Beiträge in Betracht. Dies war freilich regelmäßig nicht Sinn und Zweck der gewählten Gestaltung. 

     

    In der beitragsfreien Zeit zwischen dem Jahr sechs und dem Jahr zwölf besteht ebenfalls kein relevantes Risiko einer steuer­lichen Entdeckung. Nach Ablauf von zwölf Jahren kann der Steuerpflichtige die Gelder dann mit Erträgen steuerfrei vereinnahmen und im Inland offen anlegen. Soweit das FA im Jahr dreizehn hiervon Kenntnis erhält und nach der Herkunft der Gelder fragt, kann der Steuerpflichtige dies wahrheitsgemäß mit der Ausschüttung der Kapitallebens­versicherung erklären, ohne hieraus unmittelbar steuerliche oder steuerstrafrechtliche Folgen befürchten zu müssen.  

     

    Selbst wenn das FA im Jahr dreizehn nachfragt, aus welchem Vermögen die Beiträge zur Lebensversicherung finanziert wurden, ist das für den Steuerpflichtigen kein erhebliches Risiko mehr. Strafrechtlich ist für den Zeitraum vor Abschluss des Versicherungsvertrags jedenfalls Strafverfolgungsverjährung eingetreten, denn die Verjährungsfrist beträgt bekanntlich fünf Jahre (§ 78 Abs. 2 Nr. 4 StGB). Auch steuerlich dürften die Zeiträume vor Abschluss des Vertrags festsetzungsverjährt sein, denn selbst unter Einrechnung der maximalen Anlaufhemmung von drei Jahren (§ 170 Abs. 2 Nr. 1 AO) und der verlängerten Festsetzungs­verjährungsfrist von zehn Jahren (§ 169 Abs. 2 S. 2 AO) tritt Festsetzungsverjährung nach Ablauf von dreizehn Jahren ein. Der Steuerpflichtige hat also nach Auszahlung der Lebensversicherung „weißes“ Kapital in der Hand, welches er ohne strafrechtliche und steuerliche Risiken anlegen oder verbrauchen kann. 

    4.Was gilt für die Einzahlungsphase in den Jahren eins bis fünf?

    Werden die Beitragszahlungen zu der Lebensversicherung aus einem verzinslichen Depot getilgt, so sind die dem Depotkonto gutgeschriebenen Zinsen in den Jahren eins bis fünf der ESt zu unterwerfen. Erklärt der Steuerpflichtige diese Zinseinnahmen nicht – was bei der beschriebenen Gestaltung nahe liegt –, so führt dies bei sonst positiven Einkünften etc. zur ESt-Hinterziehung. Wurde das Konto bei einer inländischen Bank geführt, würde eine ESt-Hinterziehung allerdings durch die einbehaltene Kapitalertragsteuer gemindert.  

     

    Auch mögliche Steuerhinterziehungen der Jahre eins bis fünf dürften nach Ausschüttung des Kapitals im Jahre dreizehn strafrechtlich verjährt sein. Denn soweit der ESt-Bescheid des Jahres 05 bis zum 31.12.07 bekannt gegeben wurde, trat bis zum 31.12.12 Strafverfolgungsverjährung ein.  

    5.Kommt eine Strafbarkeit der Mitarbeiter der Versicherung wegen Beihilfe in Betracht?

    Bei dem „Fünf-plus-sieben-Modell“ handelt es sich um ein legales und den Vorgaben der Finanzverwaltung entsprechendes Versicherungsmodell (vgl. BMF 20.6.90, BStBl I, 324). Das Anbieten eines solchen Vertrags ist strafrechtlich irrelevant. Ein Vorwurf gegen die Mitarbeiter könnte sich allenfalls auf eine Mitwirkung an den von den Kunden begangenen Taten beziehen. Steuerhinterziehungen vor Abschluss des Vertrags scheiden als Haupttaten einer Beihilfehandlung aus. Denn die Beihilfehandlung muss prinzipiell einen Einfluss auf die Vollendung der Tat gehabt haben können. Eine Beihilfe zur Steuerhinterziehung für die Jahre nach der Beitragszahlung scheidet ebenfalls aus, da der Abschluss des Versicherungsvertrags und dessen Durchführung selbst zu keinen Steueransprüchen führen, die hinterzogen werden könnten.  

     

    Taugliche Haupttaten einer Teilnahme könnten allein die Hinterziehungen der ESt der Jahre 01 bis 05 aus dem Beitragsdepot sein. Allerdings ist die Einrichtung eines auf den Namen des Steuerpflichtigen lautenden Depotkontos im Jahre 01 im Regelfall keine taugliche Beihilfehandlung. Durch Einrichtung eines „ordentlichen Kontos“ ohne jede Anonymisierung lässt sich der Versicherungs- oder Bankmitarbeiter eine mögliche Steuerhinter­ziehung des Kunden nicht „angelegen sein“. Das wäre aber Voraussetzung für die Beihilfestrafbarkeit, soweit der Mitarbeiter nicht ausnahmsweise sichere Kenntnis von dem geplanten Verschweigen der Zinseinkünfte hat (BGH wistra 00, 340, 342, m.w.N.). 

    6.Kommen andere Strafbarkeits­vorwürfe wie Begünstigung oder Geldwäsche in Betracht?

    Der Vorwurf einer Begünstigung oder Geldwäsche gegen die Mitarbeiter und Verantwortlichen der Versicherung scheidet aus. Zwar ließe sich behaupten, das Angebot und die Durchführung des Modells habe dem steuerhinterziehen­den Kunden geholfen, sich unrechtmäßig Vorteile aus den Steuerhinterziehungen der Altjahre zu sichern und daher sei den objektiven Tatbestand der Begünstigung nach § 257 StGB erfüllt (vgl. BGH, a.a.O., 343 f.; kritisch hierzu Samson/Schillhorn, wistra 01, 3 ff.). Mit dem BGH ist aber davon auszugehen, dass im Regelfall eine Vorteilssicherung nicht das End- oder Zwischenziel der Handlung von Bank- oder Versicherungsmitarbeitern ist. Eine Strafbarkeit wegen Begünstigung scheidet aus, da es an der erforderlichen Vorteilssicherungsabsicht fehlt (BGH, a.a.O.).  

     

    Der in der Presse erwähnte Vorwurf der Geldwäsche ist in rechtlicher Hinsicht offenkundig unzutreffend. Strafbarkeit wegen Geldwäsche nach § 261 StGB setzt eine geldwäschetaugliche Vortat voraus. Die (einfache) Steuerhinterziehung zählt nicht zu den tauglichen Vortaten im Katalog des § 261 StGB. Bei den in der Praxis relevanten Fällen von Steuerhinterziehungen aus Kapitaleinnahmen in den 90er Jahren kommen die geldwäsche­tauglichen Sonderfälle der Steuerhinterziehung (§ 370 AO i.V.m. § 129 StGB als Mitglied einer kriminellen Vereinigung oder § 370a AO schwere Steuerhinterziehung) bei lebensnaher Betrachtung und wegen des zeitlichen Anwendungsbereichs des Verbrechenstatbestands nicht in Betracht. 

    7.Auf welcher Rechtsgrundlage finden die Ermittlungen bei Versicherungs­unternehmen statt?

    Rechtsgrundlage der Ermittlungen bei den Versicherungsunternehmen ist § 103 StPO. Die Steufa versucht im Wege der Durchsuchung und Beschlagnahme bei den Versicherungsunternehmen als unbeteiligten Dritten Daten zu erheben, die darauf hindeuten, dass bestimmte Versicherungsnehmer die Beiträge ihrer „Fünf-plus-sieben-Verträge“ aus unversteuertem Vermögen geleistet haben. Anhaltspunkte hierfür sollen  

    • Barzahlung,
    • Auslandsüberweisung oder
    • Einzahlung im Wege der Einlösung von Tafelpapieren sein.

     

    Die auf diesem Wege ermittelten Versicherungsnehmer müssen sich darauf einstellen, dass die Steufa sie fragen wird, ob die zur Beitragszahlung verwandten Mittel aus versteuertem Vermögen stammen. Die Rechtmäßigkeit von Zwangsmaßnahmen bei den Versicherungen ist allerdings vor dem Hintergrund fragwürdig, dass es sich – wie beschrieben – bei dem „Fünf-plus-sieben-Modell“ um ein legales Lebensversicherungsmodell handelt, welches in der ganz überwiegenden Anzahl der Fälle von unbescholtenen und steuerehrlichen Versicherungsnehmern genutzt wurde.Allein der Abschluss eines „Fünf-plus-sieben-Vertrags“ dürfte deshalb unter Gesichtspunkten der Verhältnismäßigkeit nicht ausreichend sein, um die entsprechenden Daten bei Versicherungsunternehmen zu erheben. Dies gilt insbesondere unter Berücksichtigung der Tatsache, dass die Versicherungsmitarbeiter auch gegenüber den Strafverfolgungsbehörden unter Strafandrohung zur Verschwiegenheit verpflichtet sind und es sich insoweit um ein besonderes geschütztes Vertrauensverhältnis handelt (vgl. § 203 Abs. 1 Nr. 6 StGB).  

     

    8.Was tun, wenn der Steuerpflichtige von den Ermittlungen der Steufa erfährt?

    Zur Abwendung eines steuerstrafrechtlichen Risikos ist selbstver­ständlich über die Abgabe einer Selbstanzeige nachzudenken. Zuvor muss allerdings genau der Zeitablauf geprüft werden: Soweit die Lebensversicherungen in den 90er-Jahren abgeschlossen wurden, dürften steuerstrafrechtliche Vorwürfe inzwischen verjährt sein.  

     

    Wer bspw. ab dem Jahr 1994 einen solchen Vertrag abgeschlossen hatte, der hat die letzten Beitragszahlungen im Jahr 1998 erbracht. Für dasselbe Jahr wäre dann letztmalig eine Steuerhinterziehung durch Verschweigen der Zinseinnahmen aus dem eingerichteten Depotkonto eingetreten. Wurde der unrichtige ESt-Bescheid des Jahres 1998 in 1999 bekannt gegeben, so ist die letzte Steuerhinterziehung (ESt 1998) spätestens zum 31.12.04 verjährt. Eine Selbstanzeige macht in dieser Situation keinen Sinn, da sie keinerlei strafrechtlichen Vorteil mehr verspricht. Wer dagegen erst 1999 einen solchen Vertrag abgeschlossen hat und im Folgejahr (2000) veranlagt wurde, für den besteht für alle Jahre seit 1999 noch ein strafrechtliches Risiko. Hier wäre die Abgabe einer Selbstanzeige dringend zu empfehlen. 

     

    Die wirksame Abgabe einer Selbstanzeige ist noch möglich, solange das FA noch nicht zu einer Prüfung erschienen ist, kein Strafverfahren eingeleitet wurde und die Finanzbehörden die Tat noch nicht entdeckt haben (§ 371 Abs. 2 AO). Unterrichtet die Versicherung den Steuerpflichtigen von einer Durchsuchung in ihrem Haus, so ist der Weg für eine Selbstanzeige noch offen. Denn zum Zeitpunkt der Benachrichtigung haben die Behörden in der Regel noch nicht aussreichende Erkenntnisse, um von einer Tatentdeckung ausgehen zu können (vgl. Joecks in FGJ, 2005, § 371 Rn. 186 f. m.w.N.). Steuerlich hat eine Selbstanzeige jedenfalls zur Folge, dass die Steuern – auch für den strafrechtlich bereits verjährten Zeitraum – nachentrichtet werden müssen.  

     

     

     

     

    Quelle: Ausgabe 07 / 2005 | Seite 158 | ID 90204