01.03.2005 | Steuerhinterziehung
Verwendungsverbot bei Nemo-tenetur
Bei Anhängigkeit eines Steuerstrafverfahrens rechtfertigt das Zwangsmittelverbot nicht, die Abgabe von Steuererklärungen für nachfolgende Besteuerungszeiträume zu unterlassen. Allerdings besteht für die zutreffenden Angaben des Steuerpflichtigen, soweit sie zu einer mittelbaren Selbstbelastung für die zurückliegenden strafbefangenen Besteuerungszeiträume führen, ein strafrechtliches Verwendungsverbot (BGH 12.1.05, 5 StR 191/04, Abruf-Nr. 050383). |
Sachverhalt
Die Angeklagte hatte für 1995 und 1996 keine ESt-Erklärungen abgegeben, obwohl sie über erhebliche Einkünfte aus der Durchführung sogenannter „Schneeballsysteme“ verfügte. Sie verkürzte Steuern i.H. von fast 3 Mio. DM. Gegen die Angeklagte war bereits in 1995 ein Strafverfahren wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung in den Jahren 1993 und 1994 eingeleitet und in der Folgezeit mehrfach erweitert worden. Auf die vom LG ausgeurteilten ESt-Hinterziehungen von 1995 und 1996 wurde das Verfahren allerdings erst im September 2000 erweitert. Der BGH hat das Urteil bestätigt.
Entscheidungsgründe
Der Steuerpflichtige ist verpflichtet, seine steuerlichen Erklärungspflichten zu erfüllen, ohne Rücksicht darauf, ob er hierdurch eigene Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten aufdeckt. Dem in Art. 2 Abs. 1 GG verfassungsrechtlich verankerten Nemo-tenetur-Grundsatz wird in der AO dadurch Rechnung getragen, dass in § 393 Abs. 1 AO der Einsatz von Zwangsmitteln untersagt ist, soweit der Steuerpflichtige Steuerstraftaten offenbaren müsste. Ergänzt wird der Schutz in § 393 Abs. 2 AO hinsichtlich anderer Straftaten durch ein begrenztes strafrechtliches Verwertungsverbot. In Ausnahmefällen kann das Zwangsmittelverbot dazu führen, dass die Strafbewehrung der Verletzung steuerlicher Pflichten suspendiert wird (vgl. BGH PStR 01, 141, und PStR 02, 49).
Es findet inhaltlich jedoch dort seine Grenze, wo es nicht mehr um ein Fehlverhalten des Betroffenen geht, das bereits Gegenstand eines Steuerstrafverfahrens ist. Eine Ausnahme von der Pflicht, vollständige und wahrheitsgemäße Angaben im Besteuerungsverfahren zu machen, ist aus diesem Grund nur anzuerkennen, wenn hinsichtlich derselben Steuerart und desselben Besteuerungszeitraums, für den bereits ein Ermittlungsverfahren eingeleitet wurde, weitere Erklärungspflichten bestehen.
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