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  • 25.02.2010 | Steuerhinterziehung

    Vorsatznachweis bei Beteiligung an einem USt-Karussell

    von RD Stefan Rolletschke, Alfter/Köln

    Rechtsfehlerhaft ist eine Beweiswürdigung auch dann, wenn sich der Tatrichter darauf beschränkt, die einzelnen Belastungsindizien gesondert auf ihren Beweiswert zu prüfen, ohne eine Gesamtwürdigung aller für und gegen die Täterschaft sprechenden Umstände vorzunehmen (BGH 16.12.09, 1 StR 491/09, Abruf-Nr. 100523).

     

    Sachverhalt

    Die Angeklagten waren Gesellschafter-Geschäftsführer der T-GmbH. Das Geschäftsprinzip der GmbH bestand darin, für von Kundenseite gesuchte Artikel Lieferanten und für Anbieter Kunden zu suchen. Dabei trat die GmbH sowohl gegenüber den Lieferanten als auch gegenüber den Abnehmern als Vertragspartner auf. Seit Beginn der Geschäftstätigkeit der GmbH gehörte die italienische Firma K, die Teil eines USt-Karussells war, zu ihren Kunden. Obwohl zwei als Zwischenhändler eingeschaltete Firmen ihrer Pflicht, USt auf innergemeinschaftliche Erwerbe anzumelden und abzuführen, nicht nachkamen, machten die Angeklagten Vorsteuer bis zu 694.000 DM monatlich geltend. Das LG hat die Angeklagten aus tatsächlichen Gründen freigesprochen. Es bestünden nicht zu überwindende Zweifel an der Kenntnis der Angeklagten von ihrer Einbindung in das aus Italien gesteuerte USt-Karussell bzw. an einer fehlenden Verfügungsmacht hinsichtlich der gehandelten Waren.  

     

    Entscheidungsgründe

    Der BGH hob die Freisprüche auf. Das LG habe überspannte Anforderungen an die richterliche Überzeugungsbildung gestellt, indem es den Zweifelsgrundsatz schon auf einzelne Indiztatsachen angewandt und so den Blick dafür verloren habe, dass auch Indizien, die einzeln nebeneinander stehen, aber jeweils für sich einen Hinweis auf die Täterschaft des Angeklagten enthalten, in ihrer Gesamtheit die Überzeugung des Tatrichters von dessen Schuld begründen können.  

     

    Die Beweiswürdigung des LG enthalte weitere Fehler: So sei der Umstand, dass die T-GmbH Steuern und Sozialversicherungsabgaben gezahlt hat, kein die Angeklagten entlastendes Indiz. Die T-GmbH habe nicht die Funktion eines „Missing Traders“, sondern die eines „Distributors“ wahrgenommen. Lediglich Missing Trader würden zumeist nach kurzer Zeit wieder vom Markt verschwinden, weil sie wegen der Nichtabführung gesondert ausgewiesener USt schneller entdeckt werden könnten. Auch habe sich das LG nicht mit der Frage nach einem möglichen Tatmotiv oder nach dem Vorteil, der dem italienischen Drahtzieher aus dem USt-Karussell erwachse, auseinandergesetzt. Denn naheliegend sei es nicht, dass diese der T-GmbH hohe Vorsteuererstattungen verschaffen wollte, ohne selbst hieran zu partizipieren.