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  • 25.08.2010 | Steuerstrafverfahren

    Vorsatz und Leichtfertigkeit bei Indizienbeweis

    von RA Christian Höll, Kanzlei Höll, Münster und Assessor Matthias Hinghaus, Bielefeld

    Mit Urteil vom 16.12.09 hat der erste Strafsenat sich zur Frage geäußert, welche Anforderungen an die Feststellung von Vorsatz und Leichtfertigkeit im Steuerstrafrecht durch das Instanzgericht zu stellen sind (BGH 16.12.09, 1 StR 491/09, PStR 10, 57 f., Abruf-Nr. 100523). In dem zu entscheidenden Fall ging es um Umsatzsteuerhinterziehung mittels Ketten- beziehungsweise Karussellgeschäften. Gerade bei diesen Fällen sind Feststellungen zur subjektiven Tatseite bei einem nicht kooperativen Beschuldigten nur schwer möglich.  

    1. Feststellung des Vorsatzes im Steuerstrafrecht

    Die Rechtsprechung hat die Aufgabe aus objektiv nachprüfbaren Indiztatsachen auf die innere Tatseite zu schließen. Das ist im Steuerstrafrecht oftmals schwieriger als im Kernstrafrecht: Wenn jemand mit einer Axt auf jemanden einschlägt, wird man dessen Verletzungs- oder gar Tötungsvorsatz schon aus der Gefährlichkeit der Handlung schließen können. Im Steuerstrafrecht liegen jedoch meist neutrale Handlungen vor, wie z.B. die Verbuchung oder Nichtverbuchung von Geschäftsvorfällen oder die Deklaration oder Nichtdeklaration bestimmter Einkünfte. Hieraus wird man in der Regel nur den objektiven Taterfolg ablesen können. Denn den Handlungen kann man nicht ansehen, ob sie mit Hinterziehungsvorsatz oder nur mit mangelnder Sorgfalt begangen wurden. So unterscheidet sich - auch in dem vorliegenden Fall - das äußere Erscheinungsbild des Verhaltens eines eingeweihten Teilnehmers eines Umsatzsteuerkarussells zunächst nicht von dem eines gutgläubigen Kunden eines Umsatzsteuerhinterziehers. Eine belastbare Feststellung des Vorsatzes bei einem nicht kooperativen Beschuldigten allein aufgrund von Indiztatsachen ist daher nur schwer möglich.  

     

    Etwas einfacher erscheint auf den ersten Blick die Feststellung der „Leichtfertigkeit“ im Rahmen des § 378 AO. Neben der Feststellung des Pflichtenverstoßes ist aber auch die Feststellung notwendig, dass die Sorgfalt grob vernachlässigt wurde. Hierzu hat der BGH in der Entscheidung vom 16.12.09 (a.a.O.) Stellung genommen. Interessant ist die Entscheidung vor allem, weil der BGH ein - mit über 100 Seiten Urteilsbegründung - freisprechendes Urteil aufgehoben und zu zahlreichen Indiztatsachen Stellung genommen hat. Dem neuen Tatgericht, das nun über die Frage des Vorsatzes zu entscheiden hat, wurden vom BGH sehr detaillierte Anweisungen gegeben, welche Umstände wie zu berücksichtigen sind. Daneben hat der BGH auch noch - en passant - die gemäß § 261 StPO dem Tatgericht obliegende freie Beweiswürdigung korrigiert.  

     

    2. Lückenhaftigkeit der Beweiserhebung

    Gemäß § 261 StPO obliegt die Würdigung der Beweise dem Tatgericht hier also dem LG. Das erkennende Gericht ist in der Würdigung der Beweise frei und allein an die formalen Grenzen der Logik gebunden; die Argumentation des Richters muss klar, folgerichtig und frei von Widersprüchen sein (Beulke, Strafprozessrecht, 2010, Rn. 491). Das Revisionsgericht ist an die Wertung des Instanzgerichts gebunden, solange diese keinem der genannten Fehler unterliegt, gleichgültig ob es selbst zu einer anderen Wertung gekommen wäre. Der BGH kann als Revisionsgericht keine eigenen Beweise erheben und würdigen. Ihm kommt nur die Aufgabe zu, anhand der Urteilsgründe der Vorinstanz zu überprüfen, ob Rechtsfehler vorliegen. Das ist dann der Fall, wenn die Beweiswürdigung  

    • widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist,
    • gegen gesicherte, wissenschaftliche Erkenntnisse, Denkgesetze oder Erfahrungssätze verstößt oder
    • an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit zu hohe Anforderungen gestellt worden sind (BGH 17.11.83, 4 StR 375/83, NStZ 84, 180).