01.10.2007 | Steuerstrafverfahren
Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO: Chancen und Risiken
Selbst bei hohen Hinterziehungsbeträgen sind Verfahrenseinstellungen gemäß § 153a StPO möglich. Bevor eine solche Einstellung angestrebt wird, müssen die Chancen und Risiken sorgfältig abgewogen werden.
1. Voraussetzungen der Einstellung gem. § 153a StPO
Die Generalklausel des § 399 AO ermächtigt die Straf- und Bußgeldsachenstelle als ermittelnde Behörde, das Steuerstrafverfahren nach § 153a StPO unter folgenden Voraussetzungen einzustellen:
- Das Verfahren muss ein Vergehen zum Gegenstand haben, d.h. die Tat muss im Mindestmaß mit einer Freiheitsstrafe unter einem Jahr oder Geldstrafe bedroht sein. Im Steuerstrafrecht sind mit Ausnahme des § 370a AO sämtliche Tatbestände Vergehen. § 370a AO dürfte kurzfristig obsolet werden. Ein soeben von der Bundesregierung verabschiedeter Gesetzentwurf zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung sieht die Abschaffung des Verbrechenstatbestandes § 370a AO vor (dazu Wegner, PStR 07, 240 ff., in dieser Ausgabe).
- Die Schwere der Schuld darf nicht entgegenstehen. Für die Beurteilung der – hypothetischen – Schwere der Schuld sind die für die Strafzumessung geltenden Grundsätze, insbesondere § 46 StGB, heranzuziehen (Nr. 78 Abs. 1 S. 3 AStBV). Die Praxis zeigt, dass der Höhe der mutmaßlich hinterzogenen Steuer maßgebliche Bedeutung beigemessen wird. Indessen verbieten sich schematische Betrachtungsweisen und gesetzlich nicht legitimierte Grenzbeträge. Es kommt – wie bei der Strafzumessung (Webel, PStR 07, 76) – auf eine Vielzahl von Einzelumständen an. Eine intrikate Rechtslage, die drohende Verjährung oder eine zweifelhafte Verhandlungsfähigkeit des Beschuldigten machen eine Einstellung auch bei einem sechsstelligen Verkürzungserfolg möglich.
- Die Zustimmung des Beschuldigten ist – anders als bei § 153 StPO – immer erforderlich. Denn dieser muss bereit sein, die Auflagen und Weisungen zu erfüllen.
- Die Zustimmung des Gerichts ist bei geringfügigen Vergehen nicht notwendig (§ 153a Abs. 1 S. 7 StPO i.V. mit § 153 Abs. 1 S. 2 StPO). Damit steht der Straf- und Bußgeldsachenstelle eine selbstständige Einstellungsbefugnis bei allen Steuervergehen mit vergleichsweise geringen Folgen zu. Bei der Bestimmung des Tatbestandsmerkmals der geringen Tatfolge erlangt wiederum die Höhe der verkürzten Steuer maßgebliche Bedeutung (Nr. 77 Abs. 2 S. 2 AStBV). Feste Höchstgrenzen existieren auch hier nicht. Bei einer siebenstelligen Steuerschuld kann auch ein fünfstelliger Verkürzungsbetrag (relativ) geringwertig sein. Fehlt die erforderliche gerichtliche Zustimmung, entsteht gleichwohl ein Verfahrenshindernis, wenn der Beschuldigte die Auflage oder Weisung erfüllt.
- Der Beschuldigte muss bestimmte Auflagen oder Weisungen erfüllen, die geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen. Im Steuerstrafverfahren kommen vor allem folgende Auflagen und Weisungen – ggf. auch nebeneinander – in Betracht:
- Entrichtung der verkürzten Beträge einschließlich der Nebenleistungen;
- Abgabe ausstehender Steuererklärungen;
- Zahlung eines Geldbetrages zugunsten der Staatskasse oder einer gemeinnützigen Einrichtung.
2. Taktische Erwägungen
Grundsätzlich ist zu bedenken, dass Steuer- und Steuerstrafverfahren eng miteinander verzahnt sind. In der Regel lässt sich ein Einvernehmen mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle über die Höhe der Geldauflage nicht erzielen, bevor die steuerliche Seite geklärt ist. Aber wer die Besteuerungsgrundlagen im Steuerverfahren akzeptiert hat, ist im Strafverfahren faktisch limitiert und in der Verteidigung weitgehend auf die subjektive Seite beschränkt. Effiziente Verhandlungen über § 153a StPO einschließlich einer akzeptablen Höhe der Geldauflage erfordern aber Verfahrensmacht – d.h. eine Position der Stärke, deren natürlicher Feind ein in allen Verästelungen geklärter Sachverhalt ist.
Gerade in Fällen, in denen die tatsächlichen Umstände schwer zu ermitteln sind, wird der Verteidiger daher bestrebt sein, die steuerliche und die strafrechtliche Seite des Falles mit einer übergreifenden Absprache zu verknüpfen. Er wird deutlich machen, dass eine Einigung über die Höhe des Steueranspruchs im Rahmen einer tatsächlichen Verständigung mit der Veranlagungsstelle des FA nur erzielt werden kann, wenn auch eine Verständigung mit der Straf- und Bußgeldsachenstelle über die Einstellung des Ermittlungsverfahrens gemäß § 153a StPO mit einer annehmbaren Geldauflage erreicht wird.
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses PStR Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 18,20 € / Monat
Tagespass
einmalig 12 €
- 24 Stunden Zugriff auf alle Inhalte
- Endet automatisch; keine Kündigung notwendig