28.01.2008 | Straftat oder Ordnungswidrigkeit
Straf- und haftungsrechtliche Risiken faktischer Geschäftsführung
von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Berlin
Neben „Jedermann-Delikten“ gibt es gerade im Wirtschaftsstrafrecht zahlreiche Tatbestände, die nur für einen bestimmten Täterkreis gelten. Die juristische Person selbst – z.B. die GmbH als „Arbeitgeber“ i.S. des § 266a StGB – handelt im Geschäftsverkehr durch eine natürliche Person als Funktionsträger (Geschäftsführer), kann aber strafrechtlich nicht sanktioniert werden.
Für diese Fälle dehnen § 14 StGB und § 9 OWiG die Anwendbarkeit des ahndungsbegründenden Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestandes aus auf bestimmte Organe und Vertreter (Abs. 1) sowie auf bestimmte Beauftragte (Abs. 2), wenn diese als Organ oder Vertreter bzw. aufgrund des Auftrages gehandelt haben und wenn die besonderen persönlichen Merkmale bei dem Vertretenen bzw. bei dem auftraggebenden Unternehmens- oder Betriebsinhaber vorliegen. In § 266a StGB wird dadurch z.B. das Merkmal „Arbeitgeber” den tatbestandlich erfassten Organen und geborenen wie gewillkürten Vertretern kraft eines gesetzlichen Analogiegebots zugerechnet. Sowohl straf- als auch haftungsrechtlich treten Probleme auf, wenn de facto eine andere Person die Geschicke des Unternehmens (mit-)lenkt, als dies nach der Papierlage der Fall zu sein scheint.
1. Grundlagen |
Frage | Antwort | 1. Was bewirkt die Merkmalsüberwälzung? | Bei einer Merkmalsüberwälzung nach § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB / § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG erstreckt sich die Anwendbarkeit einzelner Tatbestände dann z.B. | 2. Was passiert bei einer GmbH & Co. KG? | Die GmbH & Co. KG gehört sachlich zu den Personengesellschaften des § 14 Abs. 1 Nr. 2 StGB / § 9 Abs. 1 Nr. 2 OWiG. § 14 Abs. 1 Nr. 1 StGB / § 9 Abs. 1 Nr. 1 OWiG kommt aber bei dieser Gesellschaft insoweit zur Anwendung, als die KG durch die GmbH als persönlich haftende Gesellschafterin vertreten wird. Für letztere wiederum ist der Geschäftsführer nach § 35 GmbHG vertretungsberechtigt. Bei der GmbH & Co. KG kommen daher Abs. 1 Nr. 2 (KG) und Abs. 1 Nr. 1 (GmbH) nebeneinander zur Anwendung (BGHSt 28, 371, 372). | | Hiernach sind Vertreter oder Beauftragte auch dann taugliche Adressaten der Merkmalsüberwälzung, wenn die Rechtshandlung, welche die Vertretungsbefugnis oder das Auftragsverhältnis begründen sollte, unwirksam ist. Umstritten ist, ob es zumindest des Versuchs eines wirksamen Bestellungsaktes bedarf oder nicht (so der BGH), also ob die bloße Duldung einer ohne einen derartigen Bestellungsakt eingenommen – faktischen – Lenkungsposition eine strafrechts-relevante Täterstellung zu begründen vermag. | 4. Was besagt die 6-von-8-Theorie? | In Rechtsprechung und Literatur wird versucht, Kriterien zu entwickeln, wann eine nicht ordnungsgemäß bestellte Person strafrechtlich so zu behandeln ist, als wäre sie bestellt. Hierfür soll sprechen, wenn von den nachfolgenden 8 Kriterien durch die betreffende Person mindestens 6 erfüllt bzw. einschlägig sind (Dierlamm NStZ 96, 153 ff.; BayObLG NJW 97, 1936): - Bestimmung der Unternehmenspolitik,
- Unternehmensorganisation,
- Einstellung und Entlassung von Mitarbeitern, Ausstellung von Zeugnissen,
- Gestaltung der Geschäftsbeziehungen zu Vertragspartnern der Gesellschaft einschließlich der Vereinbarung von Vertrags- und Zahlungsmodalitäten,
- Entscheidung in Steuerangelegenheiten,
- Verhandlungen mit Kreditgebern,
- Steuerung von Buchhaltung und Bilanzierung,
| 5. Kann ein faktischer Geschäftsführer auch eine Person ohne Außenwirkung und Außenkontakt sein? | Nein. Nach Ansicht des BGH (Z) ist es für die deliktische Haftung einer Person als faktischer Geschäftsführer einer GmbH erforderlich, dass der Betreffende nach dem Gesamterscheinungsbild seines Auftretens die Geschicke der Gesellschaft – über die interne Einwirkung auf die satzungsmäßige Geschäftsführung hinaus – durch eigenes Handeln im Außenverhältnis, das die Tätigkeit des rechtlichen Geschäftsführungsorgans nachhaltig prägt, maßgeblich in die Hand genommen hat (BGH ZIP 05, 1414 mit Anm. Redeker DZWiR 05, 497). Erforderlich ist eine dominierende Stellung nach innen und außen. Dass der Handelnde die gesetzliche Geschäftsführung völlig verdrängt, ist nicht notwendig (DB 05, 1787). | 6. Bedarf es für die Erlangung einer faktischen Geschäftsführerstellung das Einverständnis aller Gesellschafter? | Dies ist in der Literatur umstritten. Nach Ansicht des OLG Karlsruhe (PStR 06, 172) soll für die Begründung der Pflichtenstellung als faktischer Geschäftsführer das Einverständnis einer Mehrheit der Gesellschafter genügen, sofern diese Gesellschaftermehrheit nach den gesellschaftsvertraglich getroffenen Bestimmungen ausreichend wäre, auch eine formelle Bestellung eines Geschäftsführers zu beschließen. Da die einseitige Anmaßung von Leitungsmacht eine Organstellung für die Gesellschaft auch im faktischen Sinne nicht zu begründen vermag, setzt die Begründung einer tatsächlichen Geschäftsführerposition eine Legitimation durch das für die Bestellung des Geschäftsführers zuständige Gesellschaftsorgan in Gestalt einer Billigung der Geschäftsführung voraus. Es besteht nach Ansicht des OLG Karlsruhe allerdings kein Grund, an die Legitimation einer faktischen Organtätigkeit höhere Anforderungen zu stellen als an die förmliche Bestellung des Organs. | |
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