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  • 01.04.2008 | Strafverfahren

    „Vollstreckungslösung“ bei überlanger Verfahrensdauer

    von RA Michael Tsambikakis, FA StR, Köln
    Der Große Senat des BGH hat eine Rechtsprechungsänderung bei der Entschädigung für überlange Verfahrensdauer herbeigeführt und sich für eine „Vollstreckungslösung“ entschieden (BGH 17.1.08, GSSt 1/07, Abruf-Nr. 080461).

     

    Sachverhalt

    Das LG Oldenburg hat den Angeklagten schuldig gesprochen und im Rahmen des Rechtsfolgenausspruchs festgestellt, dass das Verfahren in einer mit rechtsstaatlichen Grundsätzen nicht zu vereinbarenden Weise verzögert worden sei, weil zwischen dem Eingang der Anklageschrift am 5.10.04 und dem Erlass des Eröffnungsbeschlusses am 24.5.06 ein unvertretbar langer Zeitraum gelegen habe. Zur Kompensation der Verfahrensverzögerung hat die Kammer statt der an sich verwirkten Gesamtfreiheitsstrafe von fünf Jahren und sechs Monaten eine solche von vier Jahren verhängt.  

     

    Auf Vorlage des 3. Strafsenats des BGH hat sich nunmehr der Große Senat (GrS) grundsätzlich zu der Frage geäußert, in welcher Weise es im Rechtsfolgenausspruch zu berücksichtigen ist, wenn Strafverfolgungsbehörden das Verfahren verzögert haben. 

     

    Entscheidungsgründe

    Weder die Strafprozessordnung noch das Strafgesetzbuch enthalten Regelungen dazu, welche Rechtsfolgen es nach sich zieht, wenn ein Strafverfahren aus Gründen verzögert wird, die im Verantwortungsbereich des Staates liegen. Gemäß Art. 6 Abs. 1 S. 1 EMRK hat jede Person ein Recht darauf, dass über eine gegen sie erhobene strafrechtliche Anklage innerhalb angemessener Frist verhandelt wird. Hinzu tritt Art. 5 Abs. 3 S. 1 HS. 2 EMRK, wonach jede Person, die aus Anlass eines gegen sie geführten Strafverfahrens von Festnahme oder Freiheitsentziehung betroffen ist, Anspruch auf ein Urteil innerhalb angemessener Frist hat; wird dieser Anspruch verletzt, kann sie verlangen, während des Verfahrens aus der Haft entlassen zu werden. Regelungen darüber, welche sonstigen Konsequenzen aus einer Verletzung des Rechts auf Verhandlung und Urteil innerhalb angemessener Frist zu ziehen sind, enthält die EMRK nicht.