01.08.2006 | Umsatzsteuerkarussell
Die „Karussellbetrugsentscheidung“ des EUGH
USt-Betrug führt nach gängigen Schätzungen für den deutschen Fiskus inzwischen zu Steuerausfällen im zweistelligen Milliardenbereich. Die hiesigen Steuerbehörden reagieren mit Abwehrmaßnahmen in Form von verstärkten Kontrollen sowie restriktiverer Gesetzesauslegung bei jenen Unternehmen, die sie als Beteiligte von betrugsverdächtigen Sachverhalten ansehen. Der EuGH hat hierzu in seiner „Karussellbetrugsentscheidung“ vom 12.1.06 (PStR 06, 74, Abruf-Nr. 060231) geurteilt, das Vorsteuerabzugsrecht eines Unternehmers aus einem Warenbezug werde nicht dadurch beeinträchtigt, dass diese Ware in einer Lieferkette bewegt und an anderer Stelle dieser Lieferkette ein USt-Betrug stattgefunden habe. Der nachfolgende Beitrag geht der Frage nach, ob diese zu drei britischen Vorlageverfahren ergangene EuGH-Entscheidung auch in der deutschen Verwaltung eine veränderte Sichtweise erzwingt.
1. Der EUGH zu den Britische Vorlageverfahren
In den Vorlageverfahren ging es um Unternehmen, die Mikroprozessoren an- und verkauften. Die britischen Steuerbehörden hatten den Unternehmen – da nach ihren Erkenntnissen die Ware karussellhaft über viele Stationen bewegt worden war – den Vorsteuerabzug aus dem Ankauf der Prozessoren verweigert. Zur Begründung führten sie an, dass bei betrugsbehafteten Warenkarussellen bei einer Gesamtbetrachtung alle Warenbewegungen letztlich ohne wirtschaftliche Substanz geblieben seien und damit auch die fraglichen Warenbezüge keine „Lieferungen im Sinne des Umsatzsteuerrechts“ sind. Der EuGH hat dagegen klargestellt, dass auch bei karussell- oder kettenhaften Warenbewegungen jede Umsatzstufe für sich zu betrachten ist. Wenn ein Unternehmer von dem an anderer Stelle der Warenbewegung eingetretenen USt-Betrug keine Kenntnis hatte oder haben konnte, bleibe der Vorsteuerabzug aus Warenbezügen erhalten, soweit die objektiven Kriterien einer Lieferung erfüllt sind. Es stellt sich die Frage,
- wie sich die Situation bei unternehmerischen Leistungsbezügen im deutschen UStG darstellt,
- welche Folgen sich ergeben, wenn der Unternehmer Waren unmittelbar von einer Person bezieht, die mit Betrugsabsichten handelt und
- inwieweit die vorstehende EuGH-Entscheidung zu einer veränderten Beurteilung bei der Frage der Gewährung oder Versagung der Steuerfreiheit von innergemeinschaftlichen Lieferungen (§ 6a UStG) führt.
2. Vergleichbare Sachverhalte in der deutschen Umsatzbesteuerung
Nach dem Rechtsverständnis der britischen Finanzverwaltung war dem an einem USt-Karussell „beteiligten“ Unternehmer selbst dann der Vorsteuerabzug zu versagen, wenn der USt-Betrug lediglich auf einer weiter entfernten Stufe stattgefunden hatte und der Unternehmer hiervon keine Kenntnis hatte oder haben konnte. Dass die Folgen eines einzelnen USt-Betrügers an allen Beteiligten einer Warenbewegungskette verschuldensunabhängig vollzogen wurden, war eine Besonderheit der britischen Rechtsauslegung und fand in Deutschland keine Entsprechung. Das deutsche Rechtsverständnis entsprach weitgehend dem der jüngsten EuGH-Entscheidung, nach der in einer Warenbewegungskette jede Ebene separat zu beurteilen ist und dabei dem redlichen und in Unkenntnis der Betrugshandlungen agierenden Unternehmer der an anderer Stelle eingetretene USt-Betrug nicht zur Last gelegt werden kann. Im Einzelfall versagten aber auch in Deutschland die Finanzbehörden dem Warenbezieher den Vorsteuerabzug, auch wenn der USt-Betrug nicht beim Lieferanten unmittelbar, sondern bei einem Vorlieferanten stattgefunden hatte. In diesen Fällen hatte das FA aber immer die Bösgläubigkeit des Unternehmers unterstellt, wie ein Blick in die Finanzgerichtsrechtsprechung zeigt:
Möchten Sie diesen Fachbeitrag lesen?
Kostenloses PStR Probeabo
0,00 €*
- Zugriff auf die neuesten Fachbeiträge und das komplette Archiv
- Viele Arbeitshilfen, Checklisten und Sonderausgaben als Download
- Nach dem Test jederzeit zum Monatsende kündbar
* Danach ab 18,20 € / Monat
Tagespass
einmalig 12 €
- 24 Stunden Zugriff auf alle Inhalte
- Endet automatisch; keine Kündigung notwendig