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  • 01.03.2005 | Verfahrensverzögerung

    Bei Verfahrensverzögerung: Verfahrensrüge

    Ein Revisionsführer, der das Vorliegen einer Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung geltend machen will, muss grundsätzlich eine Verfahrensrüge erheben (BGH 11.11.04, 5 StR 376/03, Abruf-Nr. 043340).

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Das LG hat den Angeklagten u.a. wegen gewerbsmäßiger Bandenhehlerei verurteilt. Mit der Begründung einer rechtsstaatswidrigen Verfahrensverzögerung ging der Angeklagte in Revision. Die Revision hatte Erfolg. 

     

    Bislang war die Frage umstritten, ob und inwieweit die revisionsgerichtliche Prüfung einer Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzenden Verfahrensverzögerung auf Sachrüge zu erfolgen hat oder die Erhebung einer Verfahrensrüge voraussetzt. Der Senat hatte die Frage mit Beschluss vom 13.11.03 zum Gegenstand eines Anfrageverfahrens gemacht (§ 132 Abs. 3 GVG). Die Antwortbeschlüsse zeigen deutliche Anzeichen für eine Annäherung der Standpunkte. Eine Anrufung des GrS für Strafsachen ist damit entbehrlich (§ 132 Abs. 2 oder Abs. 4 GVG). Der Senat erkennt jetzt an, dass für die revisionsgerichtliche Prüfung, ob im Einzelfall eine Art. 6 Abs. 1 S. 1 MRK verletzende Verfahrensverzögerung vorliegt, grundsätzlich eine Verfahrensrüge erforderlich ist. Dabei sind die strengen Voraussetzungen des § 344 Abs. 2 S. 2 StPO zu beachten. 

     

    Ergibt sich dagegen bereits aus den Urteilsgründen eine solche Verzögerung, hat das Revisionsgericht auf Sachrüge einzugreifen. Das Gleiche gilt auch, wenn sich bei der auf Sachrüge veranlassten Prüfung, namentlich anhand der Urteilsgründe, ausreichende Anhaltspunkte ergeben, die das Tatgericht zur Prüfung einer solchen Verfahrensverzögerung drängen mussten, so dass ein sachlich-rechtlich zu beanstandender Erörterungsmangel vorliegt. Die Voraussetzungen eines Erörterungsmangels werden nach den Gegebenheiten eines jeden Einzelfalls zu beurteilen sein. Eine überdurchschnittlich lange Verfahrensdauer wird wegen der vielen denkbaren Ursachen nicht ohne weiteres einen sachlich-rechtlichen Erörterungsbedarf auslösen. Eine schlüssige schlagwortartige Erklärung für eine auffällige Verfahrensverzögerung reicht aus. Bei der Strafzumessung hatte der BGH einen Erörterungsmangel bejaht. Eine Erläuterung sei unerlässlich, weil trotz eines frühzeitigen umfassenden Geständnisses das Verfahren fast fünf Jahre bis zum erstinstanzlichen Urteil gedauert hat.