27.05.2008 | Verwertungsverbot
Schweiz: Neue Regelung zur Achtung des „nemo-tenetur“-Prinzips im Steuerstrafrecht
Ergibt sich aufgrund neuer Tatsachen, dass eine rechtskräftige Veranlagung im Bereich der Einkommens- und Vermögenssteuer unvollständig oder zu Unrecht unterblieben ist, wird die bisher nicht veranlagte Steuer samt Zins im Nachsteuerverfahren erhoben.
1. Nachsteuer- und Steuerhinterziehungsverfahren
Im Nachsteuerverfahren ist der Steuerpflichtige zur Mitwirkung verpflichtet. Die Steuerbehörden können die Mitwirkung durch Ordnungsbußen erzwingen. Außerdem können sie bei Verletzung der Mitwirkungspflicht die Einschätzung nach pflichtgemäßem Ermessen vornehmen. Die Ermessenseinschätzung hat die Umkehr der Beweislast zur Folge, da der Steuerpflichtige im Rechtsmittelverfahren nachweisen muss, dass die Veranlagung offensichtlich unrichtig ist. Besteht der Verdacht, dass der Steuerpflichtige die unvollständige Veranlagung schuldhaft herbeigeführt hat, wird neben dem Nachsteuer- auch noch ein Steuerhinterziehungsverfahren eingeleitet.
2. Entscheid in der Rechtssache J.B. gegen die Schweiz
Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat am 3.05.01 (NJW 02, 499) die Schweiz in der Rechtssache J.B. wegen Verletzung des aus Art. 6 Ziff. 1 EMRK abgeleiteten Verbots des Zwangs zur Selbstbelastung („nemo tenetur se ipsum accusare vel prodere“) verurteilt. Daraufhin setzte der damalige Vorsteher des Eidgenössischen Finanzdepartements eine Expertenkommission ein, welche einige Anpassungen des Steuerhinterziehungsverfahrens vorgeschlagen hat, damit dieses mit der EMRK in Einklang kommt. Dem Entscheid in der Rechtssache J.B. gegen die Schweiz lag folgender Sachverhalt zu Grund:
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