Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • 01.03.2006 | Zollkodex

    Der „agent provocateur“ im Zollstrafrecht

    von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Berlin
    Geht eine Zuwiderhandlung gegen das gemeinschaftliche Versandverfahren auf einen als verdeckter Ermittler auftretenden Zollfahnder zurück („agent provocateur“), liegt darin ein Umstand, der zum Erlass/zur Erstattung der dadurch hervorgerufenen Abgabenschuld führen kann (BFH 30.8.05, VII R 1/00, Abruf-Nr. 053059).

     

    Sachverhalt

    Einem verdeckt ermittelnden Zollfahnder wurde ein Container mit zur Ausfuhr nach Polen bestimmten Zigaretten ohne Steuerbanderolen zum Kauf angeboten. Die Zollfahndung beobachtete zunächst, wie der LKW auf den Hof einer Spedition gebracht, geöffnet und teilweise entladen wurde. Wenig später nahm der Beifahrer des LKW – zwecks Übergabe der Zigaretten – Kontakt zu dem verdeckt ermittelnden Zollfahnder auf. In allen – wenig später durch die Zollfahndung beschlagnahmten – Kartons befanden sich Zigaretten ohne Steuerzeichen. Streitig ist ein Entstehen der Zollschuld durch das Öffnen des verplombten LKW und ein dadurch bewirktes Entziehen aus der zollamtlichen Überwachung. Dabei interessiert insbesondere die Frage, welche Bedeutung die Einbindung der Zollbehörden hat. 

     

    Entscheidungsgründe

    Am 24.4.01 hat der BFH (BFHE 195, 64) beim EuGH eine Vorabentscheidung dazu eingeholt, ob „besondere Umstände“ i.S. des Art. 13 VO Nr. 1430/79 über die Erstattung oder den Erlass von Eingangs- oder Ausfuhrabgaben vorliegen, wenn ein als verdeckter Ermittler tätig gewordener Zollfahnder Zuwiderhandlungen im gemeinschaftlichen Versandverfahren provoziert hat. Mit Urteil vom 29.4.04 (BFH/NV Beilage 04, 286) hat der EuGH die vorgelegte Frage zum „verdeckten Ermittler“ bzw. „agent provocateur“ bejaht und entschieden, dass dies den Erlass oder die Erstattung der vom Hauptverpflichteten gezahlten Abgaben rechtfertigt, sofern ihm keine betrügerische Absicht oder offensichtliche Fahrlässigkeit zur Last gelegt werden kann.  

     

    Wenn die Zollbehörden ohne Wissen des Beteiligten ermittelt und die Begehung von Zuwiderhandlungen und Ordnungswidrigkeiten im externen gemeinschaftlichen Versandverfahren absichtlich nicht verhindert haben, widerspricht es nach Ansicht des EuGH der Billigkeit, dem Beteiligten eine Zollschuld aufzubürden, die sich aus Entscheidungen der Zollbehörden im Zusammenhang mit der Verfolgung von Zuwiderhandlungen ergeben (EuGHE 99, I-5005, Abs. 53 f.). Erst recht müsse dies gelten, wenn die Zuwiderhandlungen gegen das gemeinschaftliche Versandverfahren von den Zollbehörden selbst begangen oder provoziert worden seien.