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  • · Fachbeitrag · Steufa-Praxis

    Änderungsschneiderei beim FA nicht registriert

    | Bei der Lektüre des örtlichen Teils seiner Tageszeitung entdeckte ein Veranlagungsbeamter die Anzeige einer Änderungsschneiderei, die die Verlegung ihres Betriebs in eine andere Straße des Stadtteils anzeigte. |

     

    1. Im Vorermittlungsverfahren

    Der Beamte wunderte sich, dass ihm der Name noch nie aufgefallen war, da er für den Anfangsbuchstaben des Inhabers zuständig war. Tatsächlich war laut Finanzamtsauskunft der Name des Inhabers nicht registriert. Über das Einwohnermeldeamt konnte er jedoch feststellen, dass der Inhaber nicht weit von seinen Geschäftsräume wohnte. Aus der Anzeige ging hervor, dass die Schneiderei bereits seit mehreren Jahren in Betrieb war. Der Beamte teilte seine Erkenntnisse einem Fahnder mit, der sich um den Fall kümmern wollte.

     

    Auch das Gewerbeamt kannte den Betrieb nicht. Der Betriebsinhaber hatte noch drei weitere Filialen. Um abschätzen zu können, wie hoch die Umsätze waren, wurden von mehreren Fahndern Arbeiten in den verschiedenen Filialen in Auftrag gegeben. Der Kunde erhielt einen Abholschein mit Nummer. Anhand dieser Nummer konnte beim nächsten Auftrag ausgerechnet werden, wie viele Aufträge in der Zwischenzeit eingegangen waren. Beim Abholen und Bezahlen der Waren erhielten die Kunden keine Quittung, sondern auf Wunsch einen Zettel, auf dem das Kleidungsstück und der Preis notiert waren. Auch konnten sich die Fahnder derart einen ersten Eindruck über die Anzahl der Angestellten verschaffen.

     

    2. Einleitung eines Strafverfahrens

    Schließlich wurde ein Strafverfahren gegen den Inhaber eingeleitet und die Geschäfts- und Wohnräume durchsucht. Die Angestellten wurden als Zeugen vernommen und nach der Höhe ihrer Einkünfte, nach Umsätzen und Geschäftspraktiken befragt. Die - zumeist ausländischen - Arbeitnehmer hatten ihrem Arbeitgeber ihre Lohnsteuerkarten gegeben und dieser hatte auch Lohnsteuern und Sozialversicherungsbeiträge einbehalten, aber nicht abgeführt. Offenbar hatte der Beschuldigte auch Änderungen für Kunden von mehreren Modehäusern durchgeführt. Nach Hochrechnungen der Fahnder wurden für 5 Jahre Mehrsteuern von insgesamt 120.000 EUR fällig. Das wies der Beschuldigte weit von sich: So viel Geld habe er niemals verdient. Aber auch unter Berücksichtigung der Bareinzahlungen auf seinen Konten, dem Lebensunterhalt für sich und seine Familie, den fixen Kosten und den getätigten Überweisungen ins Ausland berechneten die Fahnder einen äquivalenten Betrag.

     

    3. Anklageerhebung - Verfahren läuft

    Das Bargeld in seiner Wohnung wurde beschlagnahmt, ein geringer Teil seiner Steuerschuld konnte so getilgt werden. Die Filialen wurden geschlossen, die Angestellten entlassen und die Pachtzahlungen eingestellt. Ob die restlichen Steuern gezahlt werden können, ist fraglich. Da der Beschuldigte nicht geständig war und auch die Mitwirkung verweigerte, wurde Anklage erhoben. Das Urteil steht noch aus.

    Quelle: Ausgabe 06 / 2012 | Seite 156 | ID 33558200