· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Anforderungen an die Selbstanzeige bei Schenkungen
von RAin Dr. Katharina Wild, Baker Tilly Roelfs Rechtsanwaltsgesellschaft mbH, München
| Sind dem Finanzamt Schenkungen verschwiegen worden, stellt sich regelmäßig die Frage, was alles nacherklärt werden muss, um eine wirksame Selbstanzeige i.S. des § 371 Abs. 1 AO abzugeben. |
FRAGE DES STEUERBERATERS: Mein Mandant hat innerhalb des steuerstrafrechtlich relevanten Zeitraums von 2007 bis 2013 drei Schenkungen von seinem Vater V erhalten. V ist noch nicht verstorben. Die Schenkungen übersteigen nicht den Freibetrag des § 16 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG. In den Jahren 2003 bis 2006 gab es weitere Vorschenkungen. Welche Schenkungen sind anzuzeigen? Stellt das Unterlassen der Schenkungsanzeige von Zuwendungen, die meinem Mandanten in dem strafrechtlich verjährten Zeitraum zugeflossen sind, eine Steuerhinterziehung dar? Wie ist es, wenn der Freibetrag überschritten ist?
ANTWORT DES VERTEIDIGERS: Welche Handlung bei einer nicht angezeigten Schenkung für eine Selbstanzeige nachgeholt werden muss, ist umstritten. Zwar lässt sich die Frage leicht bejahen, ob der Steuerpflichtige, der eine falsche SchenkSt-Erklärung abgibt, unrichtige Angaben i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO macht. Denn wird der Schenker oder der Schenkungsempfänger durch das FA nach § 31 Abs. 7 S. 1 ErbStG zur Abgabe einer SchenkSt-Erklärung aufgefordert, hat er diese Erklärung vollständig und richtig abzugeben. Hierbei sind sämtliche steuerlich relevanten Vorschenkungen zu erklären. Steuerlich relevant sind nach § 14 Abs. 1 S. 1 ErbStG alle innerhalb eines Zeitraums von zehn Jahren von derselben Person zugewandten Schenkungen. Der Zeitraum reicht jedoch regelmäßig weiter als zehn Jahre zurück, wenn nach § 14 Abs. 1 S. 2 ErbStG die Steuer für frühere Erwerbe von der Steuer für den Gesamtbetrag abgezogen werden muss.
Schwieriger als die Beurteilung einer falschen SchenkSt-Erklärung ist die Beurteilung des Falls, dass die Schenkung gar nicht erst angezeigt wird. In der Literatur war heftig umstritten, ob bereits das Unterlassen der Schenkungsanzeige den Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt (Rolletschke, wistra 01, 287; Franzen/Gast/Joecks, Steuerstrafrecht, 7. Aufl., § 370 Rn. 233 f.) oder erst die unterlassene SchenkSt-Erklärung (Hellmann in Hübschmann/Hepp/Spitaler, AO, März 2011, § 370 AO Rn. 103). Mit Entscheidung vom 25.7.11 hat der BGH den Streit dahingehend entschieden, dass die unterbliebene Anzeige grundsätzlich geeignet ist, den Vorwurf der Steuerhinterziehung zu begründen (BGH 25.7.11, 1 StR 631/10, PStR 11, 254).
Gemessen an dem Wortlaut des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ist entscheidend, ob das Unterlassen der Schenkungsanzeige unter dem Merkmal der Pflichtwidrigkeit zu subsumieren ist. Pflichtwidrig handelt, wer eine Rechtspflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen verletzt (Jäger in Klein, AO, 11. Aufl., § 370 Rn. 61). Um pflichtwidrig zu handeln, muss den Steuerpflichtigen eine besondere Aufklärungspflicht treffen. Derartige Aufklärungspflichten liegen grundsätzlich bei steuerlichen Erklärungspflichten vor. Bei der SchenkSt trifft den Adressaten allerdings nur eine Anzeigepflicht. Das führt zu der Frage, ob auch Anzeigepflichten i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO unterlassen werden können. Für § 153 AO ist anerkannt, dass diese Anzeige strafrechtlich relevant unterlassen werden kann. Auch die Anzeigepflicht nach § 153 AO stellt eine Aufklärungspflicht dar. Anders als Franzen/Gast/Joecks (a.a.O., § 370 Rn. 233 f.) meinen, lässt sich zwischen der Berichtigungspflicht nach § 153 AO und der Anzeigepflicht des § 30 ErbStG jedoch keine Parallele ziehen. Denn § 153 AO knüpft an eine steuerliche Erklärungspflicht an. Die Anzeigepflicht ist hiervon zu unterscheiden. Sonst hätte es einer Gleichstellung von Anzeige- und Erklärungspflicht in § 13a Abs. 6 S. 4 ErbStG nicht bedurft. Nach § 13 Abs. 6 S. 4 ErbStG ist die Anzeige eine Steuererklärung i.S. der AO.
Dennoch handelt es sich bei der Anzeigepflicht nach § 30 ErbStG um eine Pflicht zur Offenbarung steuerlich erheblicher Tatsachen. Denn die Anzeige ermöglicht dem FA erst die Prüfung, ob SchenkSt festzusetzen ist oder nicht. Spätestens mit der Aufforderung zur Abgabe einer Steuererklärung nach § 31 ErbStG konkretisiert sich die gesetzliche Erklärungspflicht i.S. des § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO (Seipl in Wannemacher, Steuerstrafrecht, 6. Aufl., Rn. 1068).Dem lässt sich auch nicht mit Verweis auf das Bestimmtheitsgebot die Rechtsprechung des BFH entgegenhalten, der zahlreiche Ausnahmen von der Anzeigepflicht aufgestellt hat (BFH 30.01.02, II R 52/99, ZEV 02, 249; BFH 16.10.96, II R 43/96, DStRE 97, 80). Diese Rechtsprechung betrifft die Ausnahmen von dem Grundsatz, dass eine Schenkung anzuzeigen ist, wenn das FA etwa durch Mitteilung des Notars von der Zuwendung erfährt.
Gegen eine Strafbarkeit der Nichtanzeige spricht auch nicht, dass sich der Taterfolg im Zeitpunkt des Unterlassens noch nicht hinreichend bestimmen lässt. Die Steuer ergibt sich zwar erst nach Abgabe der SchenkSt-Erklärung gemäß § 33 Abs. 4 ErbStG aus Höhe und Anzahl der Vorschenkungen. Ein Vorteil liegt jedoch bereits in der „Nichtregistrierung“ des schenkungsteuerbaren Vorgangs durch das FA, da die Zuwendung - selbst wenn sie aufgrund des Freibetrags keine Steuer auslöst - zu einem späteren Zeitpunkt wegen Unkenntnis des FA nicht als Vorschenkung berücksichtigt werden kann. Damit ähnelt die Situation der Steuerhinterziehung aufgrund eines unzutreffenden Feststellungsbescheids, in der der BGH die Vollendung bereits zum Zeitpunkt des Erlasses des Feststellungsbescheids bejaht hat (BGH 22.11.12, 1 StR 537/12, PStR 13, 109). Die Frage, ob das Unterlassen der Anzeige den Tatbestand erfüllt, wird in der Praxis auf subjektiver Ebene mit Verweis auf den fehlenden Tatvorsatz des Steuerpflichtigen umgangen (Scharlach, AnwZert ErbR 1/2011, Anm. 1). Weist der Steuerberater den Steuerpflichtigen aber auf seine Anzeigepflicht nach § 30 Abs. 1 ErbStG hin, wird sich der Steuerpflichtige nicht mehr auf fehlenden Vorsatz berufen können.
PRAXISHINWEIS | Werden mit einer Selbstanzeige von Kapitaleinkünften gleichzeitig auch Schenkungen aufgedeckt, sind Schenkungen des strafrechtlich noch nicht verjährten Zeitraums in die Erklärung aufzunehmen. Über Schenkungen des strafrechtlich relevanten Zeitraums hinausgehende Vorschenkungen hat der Steuerpflichtige erst nach Aufforderung durch das FA im Rahmen einer SchenkSt-Erklärung anzugeben. |