· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Berichtigung eines Steuerbescheids nach § 129 AO trotz Vorwurfs der Steuerhinterziehung
von RAin Dr. Janka Sievert, LL.M. Eur, FAin StR, Fain StrR, und RA Alexander Littich, LL.M., FA StR, FA StrR, ECOVIS L+C Landshut
| § 129 AO sieht vor, dass die Finanzbehörde Schreibfehler, Rechenfehler und ähnliche offenbare Unrichtigkeiten, die beim Erlass eines Verwaltungsakts unterlaufen sind, jederzeit berichtigen kann. Auf dieser Grundlage können daher nur Fehler berichtigt werden, die der Finanzbehörde unterlaufen sind. |
Frage des Steuerberaters: Gegen meinen Mandanten wurde ein Steuerstrafverfahren eingeleitet, da aus Sicht des Finanzamts in der Einkommensteuererklärung für 2014 Einkünfte nicht enthalten waren. Aus der Akteneinsicht im Strafverfahren hat sich aber ergeben, dass der Veranlagungsstelle bereits vor Abgabe der Einkommensteuererklärung eine Kontrollmitteilung vorgelegen hatte, die auch zur Steuerakte gelangt ist. Der Sachbearbeiter hat jedoch nach Abgabe der Steuererklärung bei der Veranlagung die Steuerakte nicht mehr hinzugezogen, die Veranlagung erfolgte daher ohne Berücksichtigung der Erlöse zu niedrig. Aus einem weiteren Aktenvermerk ergab sich, dass finanzamtsintern die Korrekturmöglichkeiten diskutiert wurden, eine Änderung des Bescheids gem. § 173 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund neuer Tatsachen jedoch abgelehnt wurde, da sich ja die Kontrollmitteilung in der Akte befand und somit keine neuen Tatsachen angenommen werden konnten. Weiterhin war auch bereits die reguläre Festsetzungsfrist abgelaufen, § 169 Abs. 1 S. 2 AO. Damit kam auch eine Änderung nach § 129 AO nicht mehr in Betracht. Aus der Akteneinsicht ergab sich jedoch, dass die Veranlagungsstelle diese Möglichkeit ernsthaft in Betracht gezogen hat. Die BuStra leitete daraufhin ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts der Steuerverkürzung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO ein. Wie kann ich im Strafverfahren argumentieren, dass keine Strafbarkeit meines Mandanten gegeben ist?
Antwort des Strafverteidigers: Aus der Ermittlungsakte ergibt sich eindeutig, dass die Kontrollmitteilung über die erzielten Einkünfte bereits vor Abgabe der Steuererklärung in der Akte war. Die Veranlagungsstelle hatte damit eigenständig Kenntnis über den zu besteuernden Sachverhalt und die Besteuerungsgrundlagen erlangt. Genau deswegen kam die Finanzverwaltung, wie es auch in der Akteneinsicht dokumentiert ist, auch zu dem Ergebnis, dass der Einkommensteuerbescheid 2014 nicht gem. § 173 AO geändert werden kann, da die geänderte Erlössituation aufgrund der vorhandenen Kontrollmitteilung keine neue Tatsache darstellt. Denn der Wortlaut der Vorschrift stellt darauf ab, dass eine Tatsache, um „neu“ zu sein, „nachträglich“ und damit nach Abschluss der Veranlagung bekannt geworden sein muss. Tatsachen, die bei Erlass des Bescheids bekannt waren, sind hingegen nicht nachträglich bekannt geworden (vgl. nur Rüsken in: Klein, AO, 14. Aufl., § 173, Rn. 48). Bei einer Veranlagung ohne Beiziehung der Akten muss sich das Finanzamt die Kenntnis des Akteninhalts zurechnen lassen (Rüsken, a.a.O., Rn. 49, mit Verweis auf BFH). Eine Steuerhinterziehung gem. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO muss damit ausscheiden, da der Steuerpflichtige aufgrund der bereits vorhandenen Kenntnis der Veranlagungsstelle die Finanzbehörde nicht in Unkenntnis lassen konnte (BFH NJW 98, 3295; 91, 1847). Der Sinn und Zweck des § 370 AO besteht in der Sicherung des staatlichen Steueranspruchs. Dieser war aufgrund der Tatsache, dass sich alle notwendigen Informationen für eine korrekte Besteuerung in der Akte befanden, zu keinem Zeitpunkt gefährdet.
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