· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Disziplinarrechtliche Maßnahmen nach Abschluss eines Steuerstrafverfahrens gegen einen Beamten
von RAin Stefanie Schott, FAin StrR, FAin StR, kipper+durth, Darmstadt
| Selbst bei Einstellung des Verfahrens nach § 153a StPO gegen die Erfüllung von Auflagen muss der Berater seinen Mandanten gegebenenfalls über die Konsequenzen der Einstellung für z.B. ein Disziplinarverfahren aufklären. |
Frage des Steuerberaters: Meinem Mandanten, einem Beamten, wird in einem strafrechtlichen Ermittlungsverfahren eine Steuerhinterziehung vorgeworfen. Er würde das Verfahren gerne durch eine Einstellung nach § 153a StPO gegen die Erfüllung von Auflagen beenden, fürchtet aber, dass er im Anschluss mit einem Disziplinarverfahren rechnen muss. Was soll ich ihm raten?
Antwort des Verteidigers: Das Disziplinarverfahren und die zu verhängenden Disziplinarmaßnahmen richten sich nach den Disziplinargesetzen der Länder, die inhaltlich weitgehend identisch sind. Liegen zureichende tatsächliche Anhaltspunkte dafür vor, dass der Beamte ein Dienstvergehen begangen hat, muss der Dienstherr ein Disziplinarverfahren einleiten (z.B. Art. 19 Abs. 1 S. 1 BayDG, § 17 Abs. 1 S. 1 LDG NRW). Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nach § 77 Abs. 1 BBG; § 47 Abs. 1 BeamtStG nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in das Amt in bedeutsamer Weise zu beeinträchtigen. Bei Verurteilungen orientiert sich das BVerwG am Strafrahmen: Ein Dienstvergehen liegt danach vor, wenn der Beamte wegen einer vorsätzlich begangenen außerdienstlichen Straftat verurteilt wird, für die ein Strafrahmen bis zu zwei Jahren Freiheitsstrafe oder mehr vorgesehen ist (ständige Rechtsprechung, z.B. BVerwG 19.8.10, 2 C 13/10, NVwZ 11, 299). Das wäre bei § 370 AO - so wie bei den meisten Straftaten - gegeben.
Je nach Schwere des Dienstvergehens können vom Dienstherrn nach pflichtgemäßem Ermessen als Disziplinarmaßnahmen Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung und Entfernung aus dem Beamtenverhältnis ausgesprochen werden. Gegen Ruhestandsbeamte ist nur eine Kürzung oder eine Aberkennung des Ruhegehalts möglich. Nach rechtskräftigem Abschluss eines Straf- oder Bußgeldverfahrens mit der Verhängung einer Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme sowie nach der endgültigen Einstellung nach § 153a StPO, dürfen wegen desselben Sachverhalts die milderen Disziplinarmaßnahmen Verweis, Geldbuße sowie in vielen Ländern eine Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr ausgesprochen werden und eine Kürzung der Dienstbezüge nur noch vorgenommen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, „um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten“ (z.B. § 14 LDG NRW).
Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme kommt es auf die Schwere des Dienstvergehens an. Daneben sind nach den Landesdisziplinargesetzen (LDG) das Persönlichkeitsbild und der Umfang, in dem das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt wurde, entscheidend. Zudem nennen die LDG voneinander abweichend weitere Kriterien wie das bisherige dienstliche Verhalten (Art. 14 BayDG) und die finanzielle Leistungsfähigkeit, wenn eine Geldbuße oder die Kürzung der Dienstbezüge ausgesprochen werden soll (§ 13 Abs. 2 S. 3 LDG NRW). Die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder der Verlust des Ruhegehalts, die beide auch nach einer Einstellung nach § 153a StPO noch in Betracht kommen, droht, wenn durch ein Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig zerstört ist.
Das BVerwG hat entschieden, dass bei einem Steuerhinterziehungsbetrag in siebenstelliger Höhe die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis oder die Aberkennung des Ruhegehalts in Betracht kommt (BVerwG 28.7.11, 2 C 16/10, NVwZ-RR 12, 356). In anderen Fällen hat es ausgeführt, dass, wenn zugleich mit der Steuerhinterziehung weitere Straftaten begangen werden oder bei einem außergewöhnlichen Hinterziehungsbetrag - einem fünf- bis sechsstelligen Betrag -, eine Zurückstufung angemessen sei (BVerwG 21.6.11, 2 WD 10/10, Buchholz 450.2 § 58 WDO 2002 Nr. 8). Bei der Steuerhinterziehung durch einen Finanzbeamten werden noch strengere Maßstäbe angelegt, sodass auch bei einem geringeren Hinterziehungsbetrag mit den trotz Einstellung weiterhin möglichen gravierenden Maßnahmen gerechnet werden muss (z.B. BVerwG 5.3.10, 2 B 22/09, NJW 10, 2229).
Andererseits ist bei der Entscheidung über die Zustimmung zu § 153a StPO zu beachten, dass das Beamtenverhältnis automatisch mit der Rechtskraft des Urteils endet, wenn der Beamte wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 BBG, § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG). Das Gleiche gilt im Falle einer Verurteilung wegen Bestechlichkeit im Dienst ab einer Freiheitsstrafe von sechs Monaten. Dieses Risiko kann über die Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO ausgeschlossen werden. Außerdem gilt, dass Anklage, Strafbefehl und Urteil von der StA bzw. dem Gericht an den Dienstherrn zu übermitteln sind. Entscheidungen über Verfahrenseinstellungen werden nur übermittelt, wenn dies zur Prüfung, ob dienstrechtliche Maßnahmen zu ergreifen sind, erforderlich erscheint (§ 49 BeamtStG). Schließlich ist zu berücksichtigen, dass die im strafrechtlichen Urteilsverfahren zustande gekommenen Feststellungen Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren entfalten (z.B. Art. 55 BayDG i.V. mit Art. 25 Abs. 1 BayDG). Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Disziplinargericht sonst gezwungen wäre, auf der Grundlage offensichtlich unrichtiger oder inzwischen als unzutreffend erkannter Feststellungen zu entscheiden.
Den Feststellungen eines Strafbefehls oder anderer in Beschlussform getroffener Entscheidungen, also u.a. einer Einstellung nach § 153a StPO, soll eine Bindungswirkung wegen des zugrunde liegenden summarischen Verfahrens nicht zukommen (BVerwG 15.3.13, 2 B 22/12, NVwZ-RR 13, 557).
PRAXISHINWEIS | Generell ist das Risiko der Beendigung des Beamtenverhältnisses bei einer Verurteilung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr oder mehr zu beachten, sowie die Bindungswirkung der einem Urteil zugrunde liegenden Feststellungen. In der Regel bietet es sich deshalb an, einer Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO zuzustimmen. Dann besteht die Chance, dass der Dienstherr gar nicht über das Strafverfahren informiert wird. Generell spricht eine Einstellung nach § 153a StPO dafür, dass der Vorwurf nicht so schwer wiegt, dass überhaupt noch ein Disziplinarverfahren durchgeführt werden müsste. |