· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Gemeinsame Steuererklärung c- ein steuerstrafrechtliches Risiko?
von RAin Sibille Maurer und RA Philipp Külz, Flick Gocke Schaumburg, Bonn
| Allein die Mitunterzeichnung der gemeinsamen Steuererklärung in Kenntnis der unrichtigen Angaben des Ehepartners ist allein noch kein strafbares Verhalten; darüber hinausgehende Mitwirkungshandlungen bringen jedoch nicht unerhebliche Risiken mit sich. |
Frage des Steuerberaters: Meine Mandantin hat Anfang 2009 geheiratet und wurde seit dieser Zeit gemeinsam mit ihrem Ehemann veranlagt. Dieser hatte mehrere Konten in der Schweiz und erzielte hiermit Kapitaleinkünfte in erheblichem Ausmaß, welche er in Deutschland nicht ordnungsgemäß deklarierte. Bei Abgabe der Steuererklärungen für die Jahre 2009 und 2010 hatte meine Mandantin keine Kenntnis von den Kapitaleinkünften ihres Ehegatten. Erst kurz vor der Abgabe der Steuererklärung 2011 hat sie von den Schweizer Konten erfahren. In Kenntnis der bislang nicht deklarierten Einkünfte hat sie die gemeinsame Steuererklärung unterschrieben, obgleich ihr Ehemann darin unvollständige Angaben gemacht hatte. Nach der Trennung von ihrem Ehemann ist meine Mandantin nunmehr mit der Frage an mich herangetreten, ob sie sich in der Vergangenheit strafbar gemacht hat.
Antwort des Verteidigers: Die Mandantin könnte sich durch die Mitunterzeichnung der jeweiligen Steuererklärung wegen Beihilfe zur Steuerhinterziehung oder wegen Steuerhinterziehung in Mittäterschaft strafbar gemacht haben. Zusammenveranlagte Ehegatten ( § 26b EStG ) haben gemäß § 25 Abs. 3 S. 2 und 5 EStG (bzw. ab dem VZ 2013 nur noch § 25 Abs. 3 S. 2 EStG) gemeinsam eine Steuererklärung abzugeben. Der entsprechende Vordruck ist von beiden Ehegatten zu unterzeichnen. Dabei versichern die Betreffenden jeweils, die Angaben nach bestem Wissen und Gewissen gemacht zu haben.
Rechtliche Probleme können auftreten, wenn einer der beiden Ehegatten im Rahmen dieser Steuererklärung unrichtige Angaben macht. Strafrechtliche Konsequenzen erwarten den mitunterzeichnenden Ehegatten jedoch nicht, wenn er im Zeitpunkt der Abgabe der Steuererklärung keinerlei Kenntnis von den Falschangaben des Ehepartners hat. In diesen Fällen fehlt es zwangsläufig an der subjektiven Komponente für ein strafbares Verhalten i.S. des § 370 AO. Sofern jedoch ein Ehegatte im Nachgang erfährt, dass sein Ehepartner im Zuge der gemeinsamen Steuererklärung unrichtige Angaben gemacht hat, könnte man in Erwägung ziehen, dass ihn eine Korrekturpflicht nach § 153 Abs. 1 S. 1 AO trifft, deren Verletzung über § 370 AO strafbewehrt ist. Die Ehegatten bleiben jedoch trotz der gemeinsamen Einkommensteuererklärung „eigenständige“ Steuerpflichtige und sind dementsprechend nur für ihre eigenen Angaben verantwortlich. Diese umfassen neben den ausschließlich die eigene Person betreffenden Erklärungen auch solche Besteuerungsmerkmale, die beide Ehegatten betreffen - wie beispielsweise einige Sonderausgaben oder außergewöhnliche Belastungen. Für die unrichtigen Angaben des Ehegatten sind sie folglich nicht anzeigepflichtig gemäß § 153 Abs. 1 S. 1 AO (Jesse, BB 11, 1431; Rätke in Klein, AO, § 153 Rn. 5).
In der Praxis ist es dem einen Ehegatten jedoch regelmäßig bekannt, wenn der andere in der gemeinsamen Steuererklärung unrichtige Angaben macht. Mit Blick auf die Tatsache, dass die Richtigkeit der Angaben im Zuge dieser Erklärungen nach dem Wortlaut des amtlichen Vordrucks ohne Einschränkung bestätigt werden, könnte man bereits durch die bloße Unterschrift unter die Falschangaben des Ehegatten ein strafrechtlich relevantes Verhalten des mitunterzeichnenden Partners annehmen (so etwa Reichle, wistra 98, 91).
Dies ist jedoch abzulehnen (BGH 17.4.08, 5 StR 547/07, wistra 08, 310; OLG Karlsruhe 16.10.07, 3 Ws 308/07, NJW 08, 162; BFH 16.4.02, IX R 40/00, BStBl II 02, 501). Der Erklärungsgehalt der Unterschrift beschränkt sich - dem Prinzip der Individualbesteuerung entsprechend - lediglich auf die Tatsachen, die den jeweiligen Ehegatten betreffen. Durch die Unterschrift wird keine Mitverantwortung für die Angaben des anderen Ehegatten begründet.
Ein strafrechtlich relevantes Verhalten liegt somit nicht vor, wenn sich die Mitwirkung des Ehegatten auf die Unterzeichnung der gemeinsamen Steuererklärung beschränkt. Vielmehr macht sich der Ehegatte erst dann strafbar, wenn er darüberhinausgehende Tatbeiträge leistet. Diese sind für den Einzelfall anhand der allgemeinen Abgrenzungskriterien von Täterschaft und Teilnahme zu prüfen. Mitunter am schwierigsten ist die Abgrenzung zwischen einer Beihilfehandlung und straflosem Verhalten wie beispielsweise die bloße Anwesenheit bei Tatbegehung oder die ausschließliche Nutznießung. So wird etwa im Regelfall das reine Ausgeben von Schwarzeinnahmen des Ehegatten die Voraussetzungen für eine Teilnahme an einer Steuerhinterziehung für den ansonsten unbeteiligten Ehepartner schwerlich begründen. Etwas anders gilt etwa für solche Fälle, in denen ein Ehepartner auf seinen Namen ein Konto eröffnet, um dem anderen die Verschleierung seiner „Schwarzeinnahmen“ zu ermöglichen.
Die Abgrenzungsfrage stellt sich bereits vor der Einleitung etwaiger Ermittlungsverfahren gegen die Betroffenen. So ist etwa bei der Abgabe einer Selbstanzeige sorgfältig zu prüfen, ob diese aufgrund eines entsprechenden Tatbeitrags für beide oder lediglich für einen Ehegatten abzugeben ist. Eine rein vorsorgliche Abgabe einer Selbstanzeige für beide Ehegatten ist keinesfalls immer die richtige Lösung. Es besteht die Gefahr, dass die Einreichung einer Selbstanzeige in der Folgezeit durch die Finanzbehörden als Begründung dafür „benutzt“ wird, den einen Ehegatten (nach Beantragung der Aufteilung der Gesamtschuld nach §§ 268 ff. AO) für die Steuerschulden des anderen über § 71 AO in Haftung zu nehmen. Sofern der Hinterziehungsbetrag 50.000 EUR je Tat überschreitet und somit über § 371 Abs. 2 Nr. 3 AO die Vorschrift des § 398a AO zur Anwendung kommt, drohen, sofern man diese Norm etwa uneingeschränkt auch auf den Teilnehmer anwendet, gegebenenfalls weitere Kosten.
PRAXISHINWEIS | Bei gemeinsam veranlagten Ehegatten ist - gerade im Zusammenhang mit der „Selbstanzeigenberatung“ - größtmögliche Sorgfalt geboten. Insbesondere die Frage, ob der eine Ehegatte an etwaigen Steuerstraftaten des anderen in strafrechtlich relevanter Weise involviert war, erfordert eine umfassende Einzelfallprüfung unter Anwendung der von der Rechtsprechung entwickelten Kriterien von Täterschaft und Teilnahme. |