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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Grenzen des Verwendungsverbots nach § 393 Abs. 2 S. 1 AO

    von RA Philipp Külz, FA StR, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA), und RAin Christina Odenthal, LL.M., ROXIN Rechtsanwälte LLP, Düsseldorf

    | Mit der Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten werden mitunter auch andere Straftaten offengelegt. Das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 S. 1 AO soll dabei helfen, die Konfliktsituation zwischen steuerrechtlicher Mitwirkungspflicht und strafrechtlicher Selbstbelastungsfreiheit zu lösen. Der BGH hat jedoch die Grenzen dieser Norm klar aufgezeigt. |

     

    FRAGE DES STEUERBERATERS: Eine Mandantin hat letzte Woche sehr unerfreuliche Post erhalten. Ihr wurde die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens wegen des Verdachts der Urkundenfälschung nach § 267 StGB bekanntgegeben. Sie hatte im Juli 2016 für ihr Unternehmen eine unrichtige Umsatzsteuervoranmeldung für Juni 2016 beim Finanzamt eingereicht. Der Voranmeldung waren fingierte Rechnungen anderer Unternehmen beigelegt worden, die meine Mandantin zuvor am Computer eigenhändig erstellt hatte.

     

    Nachdem sie im November 2016 ein schlechtes Gewissen bekam, wurde ich mandatiert, Selbstanzeige zu erstatten. Auftragsgemäß habe ich umgehend ein Schreiben verfasst, und die Unrichtigkeit der Umsatzsteuervoranmeldung offengelegt; zwangsläufig musste hierbei auch eingeräumt werden, dass die entsprechenden Rechnungen fingiert waren.

     

    Meiner Meinung nach kann dieses „Geständnis“ aber keine negativen Auswirkungen für meine Mandantin haben. Mit der Rückkehr in die Steuerehrlichkeit hat sie doch lediglich ihre steuerrechtlichen Pflichten erfüllt. Nun liegt die Akte aber offenbar bei der Staatsanwaltschaft. Ich frage mich, ob eine Strafverfolgung bezüglich der Urkundenfälschung überhaupt möglich ist oder nicht vielmehr das Verwendungsverbot aus § 393 Abs. 2 S. 1 AO greift?

     

    ANTWORT DES VERTEIDIGERS: Durch das Schreiben liegt hinsichtlich der Steuerhinterziehung ( § 370 AO ) wegen der Abgabe einer unrichtigen Umsatzsteuervoranmeldung eine Selbstanzeige gemäß § 371 AO vor. Sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, hat die Mandantin in diesem Zusammenhang keine strafrechtlichen Sanktionen zu erwarten.

     

    Dennoch droht ihr eine Verurteilung wegen Urkundenfälschung gemäß § 267 StGB, da an dieser Stelle das Verwendungsverbot des § 393 Abs. 2 S. 1 AO nicht greift und die Selbstanzeige insoweit auch keine strafbefreiende Wirkung entfaltet.

     

    Bei Delikten, die keine Steuerstraftaten i. S. des § 369 Abs. 1 AO darstellen, untersagt § 393 Abs. 2 S. 1 AO die Verwendung von Tatsachen oder Beweismitteln, die der Steuerpflichtige der Finanzbehörde vor Einleitung des Strafverfahrens oder in Unkenntnis der Einleitung des Strafverfahrens in Erfüllung steuerrechtlicher Pflichten offenbart hat. Auf diesem Wege soll das Spannungsverhältnis zwischen der Erzwingbarkeit der steuerrechtlichen Mitwirkungspflichten und dem Recht des Steuerpflichtigen auf Schutz vor Selbstbelastung ausgeglichen werden (BGH 26.4.01, 5 StR 587/00, PStR 01, 141). § 393 Abs. 2 S. 1 AO soll also ermöglichen, auch illegale Einkünfte anzugeben, ohne deswegen eine Strafverfolgung befürchten zu müssen (BGH 5.5.04, 5 StR 548/03, PStR 04, 181).

     

    • Durch die vorsätzlich falschen Angaben sowie die Vorlage gefälschter Urkunden, um unberechtigte Vorsteuererstattungen zu erlangen, hat die Mandantin ihre steuerrechtlichen Erklärungs- und Mitwirkungspflichten nicht erfüllt (vergleiche zu einem ähnlich gelagerten Fall - BGH 11.9.03, 5 StR 253/03, PStR 03, 241).

     

     

    Der Staat will Kenntnis von bisher verschlossenen Steuerquellen erlangen; insofern beruht die Möglichkeit zur strafbefreienden Selbstanzeige im Steuerrecht vor allem auf fiskalischen Erwägungen (BGH 12.8.87, 3 StR 10/87, wistra 87, 342). Jedoch offenbart der Steuerstraftäter, der im Rahmen einer Selbstanzeige ein mit der Steuerhinterziehung gleichzeitig begangenes Allgemeindelikt aufdeckt, keine weitere Steuerquelle für den Staat (BGH 5.5.04, 5 StR 548/03, PStR 04, 181).

     

    Der innere Grund für das in § 393 Abs. 2 S. 1 AO normierte Verwendungsverbot ist daneben die Erzwingbarkeit der Pflichterfüllung mit den Zwangsmitteln des § 328 AO. Da der Täter einer Steuerhinterziehung jedoch nicht zur Abgabe einer Selbstanzeige gezwungen werden kann, bedarf der Steuerpflichtige dementsprechend in solchen Konstellationen auch nicht des Schutzes des Beweisverwendungsverbots nach § 393 Abs. 2 S. 1 AO (BGH 5.5.04, 5 StR 548/03, PStR 04, 181).

     

    Die Angaben der Mandantin können daher für die Ermittlungen wegen des Verdachts der Urkundenfälschung verwendet werden; § 393 Abs. 2 S. 1 AO greift insoweit nicht.

     

    PRAXISHINWEIS | Der BGH hat der Anwendung des § 393 Abs. 2 S. 1 AO durchaus enge Grenzen gesetzt. Dennoch sind Verstöße gegen diese Norm in der Praxis keine Seltenheit. Es kann sich daher durchaus lohnen, in geeigneten Fällen § 393 Abs. 2 S. 1 AO in die Verteidigungsstrategie miteinzubeziehen - ein Ansatz, der bisweilen vernachlässigt wird. Die Norm umfasst sämtliche erzwingbaren steuerrechtlichen Pflichten. So können etwa wahrheitsgemäße Angaben im Rahmen einer eidesstattlichen Versicherung im Vollstreckungsverfahren (§ 328 AO) nicht dazu verwendet werden, im Festsetzungsverfahren einen Tatverdacht wegen Steuerhinterziehung zu begründen.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2017 | Seite 75 | ID 44514988