· Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet
Mandant hat sich nicht und nicht rechtzeitig gewehrt
von RA Uwe K. Franz, FA StR, FA HandR/GesR, Cornea Franz Rechtsanwälte PartG mbB Würzburg
| Immer wieder wird bei Nacherklärungen und Außenprüfungen zu spät auf die steuerstrafrechtlichen Konsequenzen geachtet. Im folgenden Fall hätte der Mandant viel Geld gespart, wenn rechtzeitig ein Strafverteidiger ins Boot geholt worden wäre. |
Frage des Steuerberaters: Der Mandant ist Chirurg, britischer Staatsbürger und lebt seit 15 Jahren in Deutschland, wo er seitdem auch seinen Wohnsitz hat. Seine Mutter ist bereits vor Jahren verstorben. Sie war gleichfalls Britin und lebte bis zu ihrem Tod in Abu Dhabi. Im Jahr 2013 erhielt er die Mitteilung, dass sein Vater in Italien verstorben sei. Da er keinen Kontakt mit seinem Vater hatte, war er sich nicht sicher, ob er Erbe wurde. Er nahm daher Kontakt mit Behörden und Verwandten auf, insbesondere auch mit seinem Bruder. Seinem Steuerberater teilte er mit, dass er eventuell ein erhebliches, aber ausschließlich im Ausland befindliches Erbe erhalten haben könnte. Allerdings wisse er aktuell weder, ob er Erbe sei, noch in welcher Form oder Höhe.
Demzufolge gab der Steuerberater im Jahr 2014 die Einkommenssteuererklärung des Mandanten ab und wies bezüglich der Kapitalerträge das Veranlagungsfinanzamt darauf hin, dass noch eine Nachmeldung zu erfolgen habe, da der Mandant geerbt habe, aber aktuell noch nicht sagen könnte, in welchem Umfang. Eine Anzeige an das Erbschaftssteuerfinanzamt unterblieb. Der Mandant fand heraus, dass sein Vater Vermögen in Österreich, in den Arabischen Emiraten wie auch in Großbritannien hatte. Erbe zu gleichen Teilen wurde der Mandant und sein Bruder.
Im Jahr 2016 gab der Steuerberater nach Erhalt der Unterlagen die Erbschaftssteuererklärung ab. Das FA wertete diese Abgabe als verspätete Anzeige der Erbschaft i. S. des § 30 Abs. 1 ErbStG und weiter als Selbstanzeige i. S. des § 371 Abs. 1 AO. Die Steuer inklusive der Zinsen nach § 235 AO zahlte der Mandant vollumfänglich und anstandslos und ließ die Bescheide auch bestandskräftig werden. Mitte 2016 erhielt der Steuerberater ein Schreiben der Staatsanwaltschaft, wonach die Zahlung eines Zuschlags nach § 398a Abs. 2 Nr. 2 AO gefordert wurde: Die hinterzogene Steuer betrage genau 840.000 EUR, demzufolge falle der Zuschlag von 15 % an. Die Selbstanzeige sei daher nicht möglich gewesen, aber man werde nach Zahlung des Strafzuschlags von 126.000 EUR das Verfahren einstellen. Der Steuerberater übergibt den Fall dem Steuerstrafverteidiger und fragt, was veranlasst sei und ob tatsächlich ein Fall des § 398a AO vorliege.
Der Strafverteidiger antwortet: Entscheidend für § 398a AO ist die Anwendbarkeit des § 371 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 AO und folglich das Vorliegen einer vorsätzlichen Steuerhinterziehung i. S. des § 370 Abs. 1 AO. Im vorliegenden Fall sah die Staatsanwaltschaft (StA) diese Voraussetzungen als gegeben an, da die Bescheide allesamt bestandskräftig waren und auch alle Zahlungen bereits erfolgt waren. Indessen ist die StA nicht an diese Wertung gebunden. Allerdings wird das Argument in der Praxis häufig herangezogen, worauf der Berater achten und auf die freie Entscheidung durch juristische Subsumtion durch die Strafverfolgungsbehörde hinweisen muss.
Es handelt sich hier um einen unbeschränkt Steuerpflichtigen, der gesamte Nachlass bestand ausschließlich aus Auslandsvermögen. Der Mandant teilte den Erbfall allerdings unmittelbar nach Kenntnis seinem Steuerberater mit. Der Steuerberater zeigte auch gegenüber dem Einkommensteuerfinanzamt die Erbschaft an, indem er auf die Nachmeldung der Kapitalerträge und der Änderung der Anlage KAP hinwies. Jedoch unterließ er es, nach § 30 Abs. 1 ErbStG die Erbschaft anzuzeigen. Objektiv wurde damit gegebenenfalls der Tatbestand der Steuerhinterziehung erfüllt.
Es geht allerdings wieder einmal um den subjektiven Tatbestand, nämlich den Vorsatz: Tatsächlich kam es dem Mandanten keinesfalls auf die Hinterziehung von Steuern an. Richtig ist aber, dass er es versäumt hatte, die Erbschaft dem Erbschaftsteuerfinanzamt anzuzeigen. In Betracht kommt eine leichtfertige Verkürzung i. S. des § 378 AO. Dann wäre § 398a AO nicht anzuwenden. Eine Selbstanzeige durch die verspätete Anzeige der Erbschaft kann man zwar bejahen. Aber man kann dem Mandanten kaum unterstellen, er habe den Taterfolg billigend in Kauf genommen. Im Rahmen der Selbstanzeige des § 378 Abs. 3 AO wird jedoch kein Zuschlag erhoben.
Ungeachtet dessen stützt sich das FA bei der von der StA erbetenen Stellungnahme darauf, dass die Pflichten des Steuerpflichtigen eindeutig im Gesetz verankert seien und er „in Kenntnis deren“ die Anzeige unterließ. Die StA ließ daraufhin dem Steuerpflichtigen die Wahl, die Auflage zu zahlen oder das Verfahren weiter zu verfolgen. Der Steuerpflichtige wollte einen Prozess vermeiden, er hatte ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung und zahlte den Zuschlag deshalb umgehend.
Juristisch ist das nicht korrekt, denn der fehlende Vorsatz ist evident. Die Argumente, man habe ja die Steuerbescheide und Hinterziehungszinsen auch akzeptiert, greifen nicht. Offenkundig wurde die Bedeutung in der Gesamtheit verkannt. Durch die fehlende Bindung der StA an die steuerliche Würdigung wäre es auch dem Staatsanwalt möglich gewesen, das Verfahren ohne Auflage einzustellen, da eine Strafbarkeit nach § 370 Abs. 1 AO nicht gegeben war und darüber hinaus sämtliche Voraussetzungen der wirksamen Selbstanzeige nach § 378 Abs. 3 AO vorlagen. Leider wurde auch in diesem Steuerstrafverfahren der Vorsatz schlichtweg unterstellt anstatt unter den Sachverhalt subsumiert.
PRAXISHINWEIS | Abgesehen von schlichten, überschaubaren Selbstanzeigen raten auch Finanzbeamte bei Selbstanzeigen dazu, diese nicht allein mit steuerlicher Wertung zu erstatten, sondern rechtzeitig einen Steuerstrafrechtler ins Boot zu nehmen. Im vorliegenden Fall wäre ein sechsstelliger Zahlbetrag für den Mandanten vermeidbar gewesen. Dem Steuerpflichtigen auch nur die geringste Form des Vorsatzes zu unterstellen, erscheint vorliegend rechtsfehlerhaft. Wie häufiger in Steuerstrafverfahren entschied sich jedoch auch hier der Mandant zum „Freikauf“, um Anklage und berufsrechtliche Konsequenzen zu vermeiden. Aus rechtsstaatlichen Gesichtspunkten ist dies jedoch abzulehnen. |