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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Neue Strafbarkeitsrisiken für Steuerberater

    von RA Philipp Külz, FA StR, Zertifizierter Berater für Steuerstrafrecht (DAA), und RAin Christina Odenthal, LL.M., ROXIN Rechtsanwälte LLP, Düsseldorf

    | Am 9.11.17 ist der neue § 203 StGB („Verletzung von Privatgeheimnissen“) in Kraft getreten. Obwohl diese Norm deutlich erweiterte Strafbarkeitsrisiken für Steuerberater und zahlreiche weitere Berufsgruppen mit sich bringt, haben die Änderungen bei vielen Betroffenen noch nicht die notwendige Aufmerksamkeit erfahren. Während es für eine Strafbarkeit früher erforderlich war, dass der Berufsgeheimnisträger seine Geheimhaltungspflicht eigenständig verletzt, besteht nun bereits die Gefahr einer Straftat für den Steuerberater, wenn eine „sonstige mitwirkende Person“ diese Pflicht verletzt. |

     

    Frage des Steuerberaters: Letzte Woche habe ich einen neuen Schülerpraktikanten eingestellt, der im Rahmen seiner Orientierungsphase überlegt, einen steuerberatenden Beruf zu ergreifen. Normalerweise übernehme ich immer selbst die Einführungsgespräche und sorge persönlich dafür, dass eine Geheimhaltungserklärung unterzeichnet wird. In dieser Woche war ich allerdings für zwei Tage krank. Leider hat keiner meiner Mitarbeiter den Praktikanten die Erklärung zur Geheimhaltung unterzeichnen lassen; einen klaren Prozess habe ich dafür nicht eingeführt und schon befürchtet, dass sich in meiner Abwesenheit keiner darum kümmert.

     

    Am Nachmittag seines ersten Arbeitstages berichtete der Schülerpraktikant im örtlichen Tennisclub einem Freund über seine ersten Erfahrungen. Er habe beim Kopieren einer Akte entdeckt, dass einer meiner Mandanten, der überregional bekannte Lokalpolitiker P, für Beratungstätigkeiten und Vorträge Gehälter bis zu 150.000 EUR im Jahr erhalte, was ja wohl ein Skandal sei. Wutentbrannt erhielt ich gestern einen Anruf von P ‒ mittlerweile ist der Gesprächsinhalt offenbar auch bei ihm angelangt.

     

    Er möchte sich das Verhalten meines Praktikanten auf keinen Fall bieten lassen und beabsichtigt, Strafanzeige zu erstatten. Aus seiner Sicht bin ich der Hauptschuldige. Besteht für mich im vorliegenden Fall ein Strafbarkeitsrisiko, obwohl die Pflichtverletzung doch eigentlich durch meinen Schülerpraktikanten begangen worden ist?

     

    Antwort des Verteidigers: Für den Steuerberater besteht hier das Risiko einer Strafbarkeit gemäß § 203 Abs. 4 S. 2 Nr. 1 StGB.

     

    Nach Inkrafttreten der Reformierung des § 203 StGB macht sich unter anderem strafbar, wer als in § 203 Abs. 1 und 2 StGB genannte Person nicht dafür Sorge getragen hat, dass eine sonstige mitwirkende Person, die unbefugt ein fremdes, ihr bei der Ausübung oder Gelegenheit ihrer Tätigkeit bekannt gewordenes Geheimnis offenbart, zur Geheimhaltung verpflichtet wurde.

     

    Im vorliegenden Fall wurde der Schülerpraktikant nicht zur Geheimhaltung verpflichtet und hat sodann mit dem Gehalt des P ein entsprechendes Geheimnis in der Öffentlichkeit verbreitet. Es ist auch davon auszugehen, dass eine Ermittlungsbehörde den Praktikanten unter den Begriff der „sonstigen mitwirkenden Person“ subsumieren wird.

     

    Im Rahmen der Überarbeitung des § 203 StGB wurde nicht nur der Pflichtenkreis des Steuerberaters erweitert und eine Compliance-Verpflichtung ‒ ordnungsgemäße Geheimhaltungsverpflichtung für den betroffenen Personenkreis ‒ in eine Strafnorm aufgenommen; darüber hinaus erfolgte eine deutliche Erweiterung des von § 203 StGB adressierten Personenkreises. Während sich § 203 StGB ursprünglich neben dem Steuerberater an seine berufsmäßig tätigen Gehilfen und Personen richtete, die bei ihm zur Vorbereitung auf den Beruf tätig sind (§ 203 Abs. 3 S. 2 StGB a.F.), werden nun sämtliche sonstigen mitwirkenden Personen erfasst.

     

    Was unter diesem Begriff zu verstehen ist, wird bei einem Blick in die StPO deutlich: In § 53a Abs. 1 StPO wird denjenigen Personen als prozessuale Kehrseite des § 203 StGB ein Zeugnisverweigerungsrecht zugesprochen, welche im Rahmen eines Vertragsverhältnisses, einer berufsvorbereitenden Tätigkeit oder sonstigen Hilfstätigkeit an der beruflichen Tätigkeit des Steuerberaters mitwirken. Unter Berücksichtigung dieser äußerst weiten Begriffsbestimmung sprechen sehr gute Gründe dafür, den Schülerpraktikanten vorliegend als „sonstige mitwirkende Person“ i.S. des § 203 StGB anzusehen.

     

    Dementsprechend besteht im vorliegenden Fall ein nicht unerhebliches Strafbarkeitsrisiko für den Steuerberater. Bei § 203 StGB handelt es sich um ein absolutes Antragsdelikt (§ 205 StGB). Dies hat zur Konsequenz, dass dem Steuerberater lediglich Strafverfolgung droht, wenn P innerhalb der Antragsfrist, welche nach § 77b Abs. 1 S. 1 StGB drei Monate beträgt, einen entsprechenden Strafantrag stellt. Mit Blick auf die Äußerungen des Geschädigten ist jedoch zu befürchten, dass der erforderliche Antrag gestellt wird.

     

    PRAXISHINWEIS | Die Betroffenen haben die Reformierung der §§ 203 StGB, 53a StPO bislang wenig beachtet. Insbesondere die Weite des Begriffs der „sonstigen mitwirkenden Person“ sollte nicht nur für Steuerberater, sondern für sämtliche betroffenen Berufsgruppen einschließlich der Rechtsanwälte als Anstoß genommen werden, die internen Prozesse und Dokumentationsanforderungen nochmals zu überprüfen, um neben dem schützenswerten Geheimhaltungs- und Datenschutzinteresse des Mandanten das Risiko einer eigenen Strafbarkeit auszuschließen.

     

    Es bleibt abzuwarten, wie die Ermittlungsbehörden mit den neuen gesetzlichen Vorgaben umgehen, der Wortlaut des Gesetzes ermöglicht jedoch eine äußerst extensive Auslegung des Anwendungsbereiches und wird neben externen IT-Dienstleistungen möglicherweise sogar die Tätigkeit des Putzdienstes umfassen. Es sollte daher noch größerer Wert als bisher darauf gelegt werden, dass beispielsweise auch die Krankheitsvertretung der Gebäudereinigung eine entsprechende Geheimhaltungsverpflichtung unterzeichnet hat und alle geheimhaltungsbedürftigen Daten nur einem sehr engen Personenkreis zugänglich sind.

     
    Quelle: Ausgabe 03 / 2018 | Seite 77 | ID 45125654