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  • · Fachbeitrag · Der Steuerberater fragt, der Strafverteidiger antwortet

    Verspätungszuschläge bei Selbstanzeige in Nichtabgabe-Fällen?

    von RA Dr. Florian Bach, Sindelfingen

    | Die meisten Kapitalanleger dürften ihre im Ausland belegenen Konten im Wege einer Selbstanzeige bereinigt haben. Nichtsdestotrotz tauchen immer noch Probleme auf, die einer näheren Betrachtung bedürfen. |

     

    Frage des Steuerberaters: Meine beiden Mandanten sind seit Langem verheiratet. Seit vielen Jahren verfügen sie über eine auf Dauer angelegte Geschäftsbeziehung zu einem im Ausland belegenen Finanzinstitut. Die seit nun beinahe zehn Jahren regelmäßig wiederkehrende Berichterstattung über den Ankauf ausländischer Bankdaten hatte sie bislang nicht beunruhigt, sie wollten die Regulierung dieses Problems aber nicht ihren Nachkommen aufbürden, sodass kürzlich Selbstanzeige erstattet wurde.

     

    Unter Verschweigen der im Ausland erlangten Einkünfte aus Kapitalvermögen wurden die beiden Mandanten von den Finanzbehörden mit einer sogenannten Nicht-Veranlagungsbescheinigung „ausgestattet“.

     

    Um in diesem Nichtabgabe-Fall überhaupt die strafbefreiende Wirkung einer Selbstanzeige erlangen zu können, mussten erstmals eine Vielzahl von Einkommensteuererklärungen erstellt und diese dann - wegen des seit dem 3.5.11 geltenden Vollständigkeitsgebots einer Selbstanzeige - gleichzeitig bei den Finanzbehörden eingereicht werden.

     

    Bei der Veranlagung dieser Steuererklärungen wurden verschiedentlich Verspätungszuschläge nach § 152 AO festgesetzt. Nachdem Verspätungszuschläge von bis zu 10 % der festgesetzten Steuer bzw. von maximal 25.000 EUR festgesetzt werden dürfen, handelt es sich hierbei in Summe um einen nennenswerten Gesamtbetrag. Die Frage ist nun, ob die Festsetzung von Verspätungszuschlägen in dieser Konstellation überhaupt zulässig ist.

     

    Der Strafverteidiger antwortet: Aufgrund der im Ausland erlangten Kapitaleinkünfte bestand grundsätzlich eine Verpflichtung, Einkommensteuererklärungen einzureichen. Die hierfür geltende Abgabefrist des § 149 Abs. 2 S. 1 AO (31.05. des Folgejahres) ist hier regelmäßig verstrichen.

     

    Der Verspätungszuschlag ist ein Druckmittel eigener Art, das letzten Endes der Sicherung eines ordnungsgemäßen Veranlagungsverfahrens dient. Es handelt sich hierbei aber nicht um eine Strafe. Der Verspätungszuschlag lässt sich am ehesten mit einem gesetzlich angedrohten Zwangsgeld vergleichen, wenn er diesem auch nicht gleichsteht. Während das Zwangsgeld lediglich präventiv auf die Pflichterfüllung abzielt, entfaltet der Verspätungszuschlag darüber hinaus auch repressiven Charakter, da er an das in der Vergangenheit liegende schuldhafte Verhalten anknüpft.

     

    Sowohl nach dem Sinn und Zweck als auch nach dem Gesetzeswortlaut des § 152 AO müsste man folglich zu der Einschätzung gelangen, dass die Festsetzung von Verspätungszuschlägen im Zusammenhang mit der Veranlagung der verschiedenen Steuererklärungen rechtmäßig ist bzw. ein gegen die Festsetzung des Verspätungszuschlags gerichteter (isolierter) Einspruch keine Aussicht auf Erfolg hat.

     

    Zumindest für das Land Baden-Württemberg liegt man mit dieser Einschätzung aber falsch. Ausweislich der AO-Kartei der OFD Karlsruhe vom 1.6.07, S 0323, und dort der Karte 1 zu § 152 AO heißt es unter Textziffer 10 bzw. der Überschrift „Abgabe der Steuererklärung im Wege der Selbstanzeige“ wie folgt: „Wird der Steuerfall dem Finanzamt erstmals durch eine im Wege der Selbstanzeige abgegebene Steuererklärung bekannt, sind zwar die tatbestandsmäßigen Voraussetzungen des § 152 Abs. 1 AO gegeben. Die Auferlegung eines Verspätungszuschlags in diesen Fällen stünde jedoch der gesetzlichen Zielsetzung, wie sie mit den §§ 371, 378 Abs. 3 AO verfolgt wird, entgegen. Von der Festsetzung von Verspätungszuschlägen ist daher in den betreffenden Fällen regelmäßig abzusehen.“

     

    Nach § 152 Abs. 1 S. 1 AO steht die Festsetzung eines Verspätungszuschlags im pflichtgemäßem Ermessen der Finanzbehörde („kann“). In der vorliegenden Konstellation erfolgt aber eine Ermessensreduktion auf null, mit der Folge, dass die hier erfolgte Festsetzung ermessensfehlerhaft ist. Es steht deshalb zu erwarten, dass die Festsetzung der Verspätungszuschläge bereits im Einspruchsverfahren rückgängig gemacht wird.

     

    Das gilt selbst unter der zum 1.1.17 durch das StModernG in Kraft getretenen Neufassung des § 152 AO. Wird eine Jahressteuererklärung nicht binnen 14 Monaten nach Ablauf des Kalenderjahrs abgegeben, „ist“ gemäß § 152 Abs. 1 S. 2 AO ein Verspätungszuschlag festzusetzen. Die bis zum 31.12.16 geltende Fassung des § 152 AO wird allerdings noch auf alle Steuererklärungen angewendet, die vor dem 1.1.19 eingereicht werden (Art. 97 § 8 Abs. 4 S. 1 und S. 2 EGAO).

     

    PRAXISHINWEIS | Vielfach lohnt die Suche in den nur die Finanzverwaltung bindenden Erlassen, dies gilt nicht nur für den Bereich der Verspätungszuschläge. Der Begründung des Einspruchs sollte in der vorliegenden Konstellation aber ausdrücklich auf die Festsetzung des Verspätungszuschlags beschränkt werden bzw. sollte explizit Erwähnung finden, dass die Berechtigung der Finanzbehörden im Nachgang zu der Erstattung der Selbstanzeige Einkommensteuerbescheide zu erlassen, dem Grunde nach nicht angezweifelt wird. Dies empfiehlt sich, um von vornherein auszuschließen, dass man bei den Finanzbehörden überhaupt auf die Idee kommen kann, der Einspruch stelle einen Widerruf der in der Selbstanzeige enthaltenen Angaben dar, der die Erlangung der strafbefreienden Wirkung gefährden würde.

     
    Quelle: Ausgabe 04 / 2017 | Seite 99 | ID 44522077