· Fachbeitrag · Checkliste
Durchsuchungsbeschluss in Steuerstrafsachen
von RA Dr. Carsten Wegner, Krause Lammer Wattenberg, Berlin
| Die Strafverfolgungsbehörden können beim Verdacht einer Steuerstraftat auf das Zwangsmittel der Durchsuchung zurückgreifen, das regelmäßig als sehr einschneidend empfunden wird. Denkbar sind Durchsuchungen beim Verdächtigen ( § 102 StPO ) oder beim Unverdächtigen ( § 103 StPO ). Die folgende Checkliste zeigt auf, welche Punkte der Betroffene bzw. sein Verteidiger oder anwaltliche Vertreter in den Blick nehmen sollten, um die Rechtsmäßigkeit einer entsprechenden Maßnahme zu prüfen. |
Checkliste / Durchsuchungsanordnung | |
Frage | Antwort |
| Zuständig ist grundsätzlich die Staatsanwaltschaft. Wird allerdings nur wegen des Vorwurfs einer Steuerstraftat ermittelt und führt die Finanzbehörde (BuStra/StraBu) die Ermittlungen selbstständig (§ 386 Abs. 2 AO), ist auch sie antragsbefugt (§ 399 Abs. 1 AO). |
| Zuständig für die Anordnung einer Durchsuchung und den Erlass eines Durchsuchungsbeschlusses ist grundsätzlich der Ermittlungsrichter (§ 105 Abs. 1 StPO). |
3. Sind Ausnahmen denkbar? | Ja, bei „Gefahr im Verzug“ dürfen auch die Staatsanwaltschaft - gegebenenfalls also auch eine selbstständig ermittelnde Finanzbehörde - und „Ermittlungspersonen“ eine Durchsuchung anordnen (§ 105 Abs. 1 S. 1 StPO). Die richterliche Anordnung ist jedoch der vom Gesetz vorgesehene Regelfall. |
| Die Voraussetzungen sind dann gegeben, wenn eine richterliche Anordnung nicht eingeholt werden kann, ohne dass der Zweck der Durchsuchung gerade dadurch gefährdet wird (Meyer-Goßner, StPO, § 98 Rn. 6). In Steuerstrafverfahren - die regelmäßig einen gewissen zeitlichen Vorlauf haben und durch Recherchen gekennzeichnet sind - sind entsprechende (Not-)Situationen, in denen ein Beweismittelverlust droht, kaum denkbar. Grundsätzlich muss die Ermittlungsbehörde daher zunächst immer versuchen, eine richterliche Anordnung zu erlangen. Denkbar ist insoweit auch eine telefonische Kontaktaufnahme, die selbst während einer bereits laufenden Durchsuchung möglich ist, im Rahmen derer sich neue Erkenntnisse ergeben haben. |
| Ja. Hierbei ist darauf zu achten, dass konkrete fallbezogene Tatsachen - also z.B. fehlende Erreichbarkeit des Gerichts, laufende Vereitelungs- oder Störungshandlungen des Betroffenen, Besonderheiten an anderen Durchsuchungsorten, drohender Beweismittelverlust - benannt werden, die über reine Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder auf kriminalistische Alltagserfahrungen gestützte Vermutungen hinausgehen. |
| Ja (Meyer-Goßner, StPO, § 105 Rn. 3). Es muss aber zwingend eine schriftliche Dokumentation (BVerfG 22.1.02, NJW 02, 1333) folgen. Der von der Durchsuchung Betroffene sollte darauf drängen, dass ihm entsprechende Unterlagen so schnell wie möglich zugänglich gemacht werden. |
| Der Richter muss eigenverantwortlich und sorgfältig die Eingriffsvoraussetzungen prüfen. Dies erfordert neben einer eingehenden Darstellung des für maßgeblich erachteten Sachverhalts und der daran anknüpfenden strafrechtlichen Bewertung auch eine umfassende Abwägung, ob der Eingriff im konkreten Fall angemessen ist. |
| Rechtsfehlerhaft sind gleich einem „Schreibautomaten“ ausgefertigte Beschlüsse, bei denen bereits die Aktenführung erkennen lässt, dass zwischen dem Zugang eines ermittlungsbehördlichen Antrags und der Ausfertigung allein schon aus zeitlichen Gründen keine sachgerechte Prüfung stattgefunden hat. Die teilweise anzutreffende Praxis, dass die Ermittlungsrichter Vordrucke der Staatsanwaltschaft nur noch mit dem amtsgerichtlichen Aktenzeichen und ihrer Unterschrift versehen, ist nicht dazu angetan, das Vertrauen in entsprechende Maßnahmen wachsen zu lassen. Nicht nur die Prüfungsabläufe und -zeiträume sollten erkennen lassen, dass die richterliche Durchsuchungsanordnung keine bloße Formsache war. Vor allem kann ein eigenverantwortlich formulierter Durchsuchungsbeschluss dokumentierten, dass sich der Richter mit der Angelegenheit verantwortlich befasst hat. |
| Die Anordnung einer Durchsuchung ist fehlerhaft, wenn zur Aufklärung der vermeintlichen (Steuer-)Straftat andere Mittel zur Verfügung stehen, die gar nicht oder weniger empfindlich in Grundrechte des Betroffenen eingreifen. Zu denken ist etwa an Nachfragen (z.B. bei Geschäftspartnern, Behörden etc.) oder die Auswertung von Gerichtsakten (z.B. aus finanzgerichtlichen Verfahren). Es mag für die Ermittlungsbehörden mühevoller sein, auf diese Weise durch Auskunftsersuchen und eventuell durch Zeugenvernehmungen die Hinweise auf ein strafbares Verhalten zu überprüfen; der hohe Wert der Integrität der Wohnung verlangt diese Mühewaltung jedoch, bevor ein empfindlicher Eingriff in das Grundrecht aus Art. 13 Abs. 1 GG zulässig sein kann. |
| Der Beschluss muss den äußeren Rahmen der Maßnahme abstecken, innerhalb dessen die Zwangsmaßnahme durchzuführen ist. Die vermeintlich begangene Straftat muss so genau umschrieben werden, wie es nach den Umständen des Einzelfalls - schon - möglich ist. |
| Es muss ein greifbarer Tatverdacht erkennbar sein, d.h. die Darstellung muss über bloße Schlagworte hinausgehen. Es muss eine Tatsachen-grundlage erkennbar sein. Bloße Vermutungen oder Spekulationen sind nicht ausreichend. Der Beschuldigte muss erkennen können, was ihm konkret zur Last gelegt wird. Ein Verstoß gegen diese Anforderungen liegt vor, wenn sich sachlich zureichende plausible Gründe für eine Durchsuchung nicht mehr finden lassen. |
| Zwingend erforderlich sind Angaben zu den betroffenen Steuerarten und Veranlagungszeiträumen. Das Gericht kann sich nicht auf den schlichten Hinweis beschränken, dass der „Vorwurf der Steuerhinterziehung“ erhoben wird, indem unrichtige Angaben gemacht und Erlöse nicht in voller Höhe versteuert wurden. |
| Ja. Nicht ausreichend ist in diesem Zusammenhang etwa die bloße Benennung einer Position im Unternehmen, für das Steuern verkürzt worden sein sollen. Es muss auch erkennbar sein, ob es sich um den Vorwurf eines täterschaftlichen Fehlverhaltens handelt (§ 25 StGB) oder nur eine Beihilfe (§ 27 StGB) zur Last gelegt wird. |
| Nein. Nicht hinnehmbar ist es aber, wenn sich im Einzelfall aufgrund besonderer Umstände die Notwendigkeit der Erörterung eines offensichtlichen Problems aufdrängen musste und gleichwohl eine Prüfung voll-ständig fehlt. Dies ist etwa dann der Fall, wenn bereits zuvor einmal Durchsuchungen stattgefunden haben und anschließend die sichergestellten Unterlagen ausgewertet sowie zahlreiche Zeugen vernommen wurden. Dann drängt es sich auf, die Bedeutung der seither gewonnenen Erkenntnisse in dem aktuellen Beschluss zumindest kurz darzulegen. |
| Der Richter muss grundsätzlich auch die Art und den vorgestellten Inhalt derjenigen Beweismittel, nach denen gesucht werden soll, so genau bezeichnen, wie es nach Lage der Dinge geschehen kann. Der Schutz der Privatsphäre, die auch von übermäßigen Maßnahmen im Rahmen einer an sich zulässigen Durchsuchung betroffen sein kann, darf nicht allein dem Ermessen der mit der Durchführung der Durchsuchung beauftragten Beamten überlassen bleiben. |
| Ja. Nach § 94 Abs. 1 und 2 StPO können Gegenstände beschlagnahmt werden, die als Beweismittel für die Untersuchung von Bedeutung sein können. Zur Untersuchung gehört jede Tätigkeit im Strafverfahren, die der Aufklärung des Tatbestandes oder sonst der Vorbereitung des gerichtlichen Verfahrens dient. Der Untersuchung dienen Beweisstücke, die für die Aufklärung des objektiven Tatbestandes oder der Schuldfrage bedeutsam sind; dies kann auch verjährte Zeiträume betreffen. Schließlich können auch bereits strafrechtlich verjährte Zeiträume strafzumessungsrelevant sein. |
| Nein, das Steuergeheimnis (§ 30 AO) soll den steuerpflichtigen Bürger vor dem unbefugten Offenbaren oder Verwerten seiner Steuerdaten durch einen Amtsträger schützen. Dies betrifft aber nicht die Mitteilung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs an den Steuerpflichtigen in einem gegen diesen gerichteten Ermittlungsverfahren (§ 102 StPO). Das Steuergeheimnis kann es allenfalls gebieten, in einer Anordnung der Durchsuchung bei Dritten (§ 103 StPO) Steuerdaten des Beschuldigten nicht im Rahmen der Beschreibung des steuerstrafrechtlichen Vorwurfs zu offenbaren. In der Praxis führt dies dazu, dass Beschlüsse nach § 103 StPO in steuerstrafrechtlichen Ermittlungsverfahren deutlich kürzer abgefasst sind als solche nach § 102 StPO. |