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  • · Fachbeitrag · Schenkungsteuer

    Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen

    von RA Dr. Philipp Scharenberg, Dentons, Frankfurt

    | Der BFH hat sich erstmals mit dem Beginn des Laufs der Hinterziehungszinsen für den Fall der Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen befasst (28.8.19, II R 7/17, Abruf-Nr. 214715 ). Aus dieser Begehungsweise ergeben sich Besonderheiten für den Beginn der Verfolgungsverjährung. Weitere Besonderheiten sind bei der Selbstanzeige zu beachten. |

    1. Zweistufiges System ‒ Anzeige- und Erklärungspflicht

    Das Besteuerungssystem der Schenkungsteuer ist zweistufig. Auf erster Stufe sind sowohl Schenker als auch Erwerber (Beschenkter) gem. § 30 Abs. 1 und 2 ErbStG verpflichtet, binnen einer Frist von drei Monaten nach erlangter Kenntnis den Anfall des Erwerbs dem für die Verwaltung der Schenkungsteuer zuständigen Finanzamt (FA) schriftlich anzuzeigen. Dadurch soll das FA in die Lage versetzt werden, prüfen zu können, ob und, wenn ja, wer gem. § 31 Abs. 1 S. 1 ErbStG aufzufordern ist, eine Schenkungsteuererklärung abzugeben.

     

    Das FA muss demjenigen, der auf zweiter Stufe eine Erklärung abgeben muss, gem. § 31 Abs. 1 S. 2 ErbStG eine Frist von mindestens einem Monat gewähren. Wenn innerhalb der letzten zehn Jahre bereits Schenkungen (frühere Erwerbe) stattgefunden haben, sind diese bei der Erklärung anzugeben, da für die Berechnung der Steuer für den letzten Erwerb die früheren Erwerbe innerhalb dieses Zeitraums zusammengerechnet werden, § 14 Abs. 1 ErbStG.

    2. Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen

    Die Hinterziehung von Schenkungsteuer durch Unterlassen kann auf beiden Stufen verwirklicht werden (Sackreuther, PStR 11, 254; Jäger in Klein, AO, 15.  Aufl., § 370 AO Rn. 440). Unterlässt der nach § 30 ErbStG Anzeigepflichtige die fristgemäße Anzeige, handelt er nach allgemeiner Ansicht bereits pflichtwidrig i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Eine Steuerhinterziehung wird also nicht erst durch die Nichtabgabe der Schenkungsteuererklärung verwirklicht.

    3. Vollendung, Beendigung und Verfolgungsverjährung

    Bei der Steuerhinterziehung handelt es sich um ein Erfolgsdelikt, das mit dem Eintritt der Steuerverkürzung oder der Erlangung des unrechtmäßigen Steuervorteils vollendet und zugleich auch beendet ist. Ein Beendigungsstadium nach dem Eintritt des tatbestandlichen Erfolgs kommt nicht in Betracht, da das tatbestandliche Unrecht vollständig verwirklicht ist und dieses Unrecht nicht weiter vertieft wird (Wulf in: MüKo-StGB, 3. Aufl., § 370 AO Rn. 22).

     

    Die Verfolgungsverjährung beginnt, sobald die Tat beendet ist, § 78a S. 1 StGB. Bei kontinuierlich veranlagten Steuern ist dafür bei einer Steuerhinterziehung durch Unterlassen auf den Zeitpunkt abzustellen, in dem die Veranlagungsarbeiten im Wesentlichen abgeschlossen sind, was ab einem Fortschritt von 95 Prozent der Fall sein soll (BGH 7.11.01, 5 StR 395/01).

     

    Da die Schenkungsteuer anlässlich eines konkreten Ereignisses entsteht (§ 9 Abs. 1 Nr. 2 ErbStG), kann mangels kontinuierlichem abschnittsbezogenem Veranlagungsverfahren jedoch kein allgemeiner Veranlagungsschluss fest-gestellt werden. Deshalb ist für den Verjährungsbeginn maßgeblich, wann die Veranlagung der Schenkungsteuer dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige der Schenkung frühestens bekannt gegeben worden wäre (BFH 28.8.19, II R 7/17; BGH 25.7.11, 1 StR 631/10). Der BGH geht hier von einer Frist von vier Monaten aus und rechnet wie folgt: Zunächst muss der Anzeigepflichtige die Schenkung bzw. den Erwerb gem. § 30 Abs. 1 ErbStG innerhalb einer Frist von drei Monaten dem zuständigen FA schriftlich anzeigen. Hinzu tritt die einmonatige Mindestfrist gem. § 31 Abs. 1 S. 2 ErbStG, die das FA dem Erklärungspflichtigen gewähren muss. Dem Grundsatz „in dubio pro reo“ folgend (Gehm, NZWiSt 20, 246; Wittig, HRRS 16, 137, 138), beginnt die Verjährung der Steuerhinterziehung damit zugunsten des Steuerpflichtigen unmittelbar nach Ablauf der ihm zustehenden Fristen. Die Verjährungsfrist beträgt fünf Jahre für die einfache Steuerhinterziehung und zehn Jahre in besonders schweren Fällen.

    4. Lauf der Hinterziehungszinsen

    Hinterzogene Steuern sind zu verzinsen, § 235 Abs. 1 S. 1 AO. Dies gilt auch für den Fall, dass eine Selbstanzeige erfolgreich mit strafbefreiender Wirkung abgegeben wurde (BFH 29.4.08, VIII R 5/06). Der Zinslauf beginnt u. a. mit dem Eintritt der Verkürzung, also der Tatvollendung, § 235 Abs. 2 S. 1 Hs. 1 AO.

     

    Für die Berechnung der Hinterziehungszinsen ergibt sich daher die gleiche Konstellation wie bei der Berechnung des Verjährungsbeginns. Mangels kontinuierlichen Veranlagungsverfahrens kann kein allgemeiner Abschluss der Veranlagungsarbeiten festgestellt werden. Der BFH stellt auch hier auf den Zeitpunkt ab, zu dem das FA bei ordnungsgemäßer Anzeige und Abgabe der Steuererklärung die Steuer festgesetzt hätte, ermittelt diesen aber im konkreten Fall anders als der BGH den Verjährungsbeginn. Zusätzlich zu dem viermonatigen Zeitraum, der sich aus Anzeige- und Erklärungsfrist ergibt, berücksichtigt der BFH die durch das FG festgestellte durchschnittliche Bearbeitungsdauer von acht Monaten, sodass sich für den Beginn des Zinslaufs ein Zeitpunkt zwölf Monate nach der Schenkung ergibt (BFH 28.8.19, II R 7/17). Der BFH sah keinen Raum, um den Grundsatz „in dubio pro reo“ anzuwenden, da er keine Zweifel über tatsächliche Gegebenheiten erkannte, die es geboten hätten, für den Beginn des Zinslaufs auf einen späteren Zeitpunkt abzustellen. Anders als bei der Bestimmung des Verjährungsbeginns ist für den Betroffenen hier nicht der frühestmögliche, sondern ein möglichst später Zeitpunkt günstig.

     

    Das Ergebnis des BFH zum Lauf der Hinterziehungszinsen steht jedoch nur scheinbar im Gegensatz zum Ergebnis des BGH zum Verjährungsbeginn. Der BFH stellt nur fest, dass das FG in diesem Fall „keine zu frühen Zeitpunkte für den Zinslauf zugrunde gelegt“ habe (BFH 28.8.19, II R 7/17, Rn. 36). Zudem weist er darauf hin, dass es im konkreten Fall (nur) nicht darauf ankommt, dass der BGH auf einen noch früheren Vollendungszeitpunkt abstellt, da das Verböserungsverbot greift, § 96 Abs. 1 S. 2, § 121 S. 1 FGO (BFH 28.8.19, II R 7/17, Rn. 36).

     

    Dass der BFH in einem anderen Fall auf den gleichen Zeitpunkt wie der BGH und damit auf einen früheren Zeitpunkt für den Beginn des Zinslaufs abgestellt hätte, dürfte daraus jedoch nicht zu schließen sein (so aber Gehm, NZWiSt 20, 246). Die Viermonatsfrist des BGH für die Bestimmung des Verjährungsbeginns ergibt sich aus der Anwendung des Grundsatzes „in dubio pro reo“, für den der BFH aufgrund der feststellbaren durchschnittlichen Bearbeitungsdauer gerade keinen Raum sieht. Ein noch früherer Beginn des Zinslaufs unter Nichtberücksichtigung der durchschnittlichen Bearbeitungsdauer ließe sich, soweit diese bekannt ist, auf Basis dessen schwerlich vertreten. Ist die durchschnittliche Bearbeitungsdauer hingegen unbekannt, bestehen wiederum Zweifel, die sich auch bei der Berechnung des Laufs der Hinterziehungszinsen nicht zulasten des Betroffenen auswirken dürfen.

    5. Besonderheiten bei der Selbstanzeigeberatung

    Gem. § 371 Abs. 1 S. 2 AO muss die Selbstanzeige Angaben zu allen unverjährten Steuerstraftaten einer Steuerart, mindestens aber zu allen Steuerstraftaten einer Steuerart innerhalb der letzten zehn Kalenderjahre enthalten. Bei der Fertigung einer Selbstanzeige für einen schenkungsteuerlichen Sachverhalt sind daher zwingend auch etwaige Vorschenkungen zu beachten.

     

    Bemerkenswert und im Lichte des Vollständigkeitsgebots wichtig ist zudem, dass für jede nacherklärte Schenkung sämtliche Vorschenkungen innerhalb von zehn Jahren vor dieser Schenkung anzugeben sind. Denn die Höhe der für eine Schenkung zu erhebenden Schenkungsteuer bemisst sich in Abhängigkeit von früheren Schenkungen dieses Zeitraums, § 14 Abs. 1 ErbStG. Angesichts der BGH-Rechtsprechung (BGH 10.2.15, 1 StR 405/14), mittels derer eine eingetretene Verfolgungsverjährung von Schenkungsteuerhinterziehungen durch Unterlassen durch unrichtige bzw. unvollständige Angaben in der aktuellen Steuererklärung praktisch „ausgehebelt“ wird (so bereits Grötsch, NStZ 16, 38), kommt es bei sog. Kettenschenkungen zu geradezu absurd überspannten Anforderungen an die Selbstanzeige: In eine heute für Schenkungen aus 2019, 2015 und 2011 abgegebene Selbstanzeige sind auch Schenkungen aufzunehmen, die bis zu zehn Jahre vor der Schenkung in 2011 erfolgten.

    6. Fazit

    Bereits das Unterlassen der Schenkungsteueranzeige ist pflichtwidrig i. S. v. § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO. Die Verjährungsfrist beginnt zu laufen, sobald die Tat beendet ist. Dafür ist laut BGH auf den Zeitpunkt abzustellen, zu dem die Veranlagung der Schenkungsteuer dem Steuerpflichtigen bei rechtzeitiger Anzeige der Schenkung frühestens bekannt gegeben worden wäre, was nach dessen Rechtsprechung nach vier Monaten der Fall ist. Hinterzogene Steuern sind zudem gem. § 235 Abs. 1 S. 1 AO zu verzinsen. Den Beginn des Zinslaufs hat der BFH in seiner jüngsten Entscheidung bestimmt, indem er zu der viermonatigen Frist des BGH, die sich aus der dreimonatigen Anzeigefrist und der einmonatigen Mindestfrist für die Erklärungsabgabe ergibt, die durchschnittliche Bearbeitungsdauer für entsprechende Steuererklärungen im konkreten Finanzamt hinzuaddierte. Bei der Selbstanzeige ist besonderes Augenmerk auf das Vollständigkeitsgebot zu richten.

    Quelle: Ausgabe 09 / 2020 | Seite 211 | ID 46638136