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  • · Fachbeitrag · Steuerfahndungsverfahren

    So vermeiden Sie Fehler

    von RA Martin Figatowski, LL.M. (Tax), GTK Rechtsanwälte Klein Figatowski Todtenhöfer PartmbB

    | Derzeit ist aufgrund der Corona-Pandemie davon auszugehen, dass Begegnungen mit der Steuerfahndung nur im Mindestmaß stattfinden. Durchsuchungen dürften z. B. momentan wohl nur in „Notfällen“ erfolgen. Dies ist aber nur eine Momentaufnahme, sodass es nur eine Frage der Zeit ist, wann die Steuerfahndungsstellen wieder verstärkt tätig werden. |

     

    Anwälte und Steuerberater, die von Steuerfahndungsverfahren betroffen sind und diese nicht regelmäßig begleiten, können sich mithilfe der folgenden Checkliste (Abruf-Nr. 47643258) einen Kurzüberblick über mögliche Fehlerquellen des Verteidigers bei einem Aufeinandertreffen mit der Steuerfahndung verschaffen. Da in der Praxis zu beobachten ist, dass die meisten Fehler insbesondere während einer Durchsuchungssituation entstehen, liegt hier ein Schwerpunkt des Beitrags.

     

    Checkliste / Fehlerquellen beim Aufeinandertreffen von Verteidiger und Steuerfahndung

    • 1. Was muss der Verteidiger veranlassen, wenn die Steuerfahndung trotz eines strafrechtlichen Anfangsverdachts keine Belehrung vorgenommen hat?

    Grundsätzlich muss die Steuerfahndung den Beschuldigten spätestens mit der Bekanntgabe der Einleitung des Strafverfahrens über sein Recht, zur Sache nicht auszusagen, nach § 163a Abs. 3 und Abs. 4 S. 2 StPO belehren. Unterbleibt die Belehrung, sollte der Verteidiger darauf drängen, dass die Aussage nach § 136 Abs. 1 S. 2 StPO nicht verwertet wird.

     

    Wenn die Belehrung versehentlich unterblieben ist, kann der Sachverhalt aber noch steuerlich ausgewertet werden (BFH 23.1.02, XI R 10, 11/01). Der Verstoß gegen die Belehrungspflicht des § 393 Abs. 1 S. 4 AO bewirkt nicht, dass Erkenntnisse aus einer solchen Außenprüfung im Besteuerungsverfahren einem Verwertungsverbot unterliegen (BFH 8.1.14, X B 112/13).

     

    Waren die Verfahrensverstöße der Steuerfahndung allerdings schwerwiegend oder wurden sie bewusst oder willkürlich begangen, sollte der Verteidiger die Verwertung der im Rahmen jener Verfahren gewonnenen Erkenntnisse auch im Besteuerungsverfahren rügen (BVerfG 2.7.09, 2 BvR 2225/08).

    • 2. Wie sollte eine Einlassung für den Mandanten durch den Verteidiger erfolgen?

    Hier gilt die goldene Regel „keine Einlassung, ohne vorherige Akteneinsicht“. Zwar hat der Verteidiger grundsätzlich erst mit Abschluss der Ermittlungen (§ 169a StPO) ein uneingeschränktes Akteneinsichtsrecht. Allerdings sollte der Verteidiger bereits während des laufenden Ermittlungsverfahrens darauf drängen, Akteneinsicht sowohl in die Strafakte als auch in die Steuerakte zu erhalten.

     

    Nach erfolgter Akteneinsicht ist mit dem Mandanten abzusprechen, ob eine Einlassung zu dem strafrechtlichen Vorwurf sinnvoll ist.

    • 3. Was ist zu tun, wenn die Steuerfahndung morgens bei dem Mandanten „vor der Tür“ steht?

    Das Erscheinen der Steuerfahndung, um das Haus zu durchsuchen, gilt als Einleitung und Bekanntgabe des Steuerstrafverfahrens, § 397 Abs. 3 AO.

     

    Sobald der Mandant den Verteidiger telefonisch kontaktiert, sollte der Verteidiger ihn umgehend darauf hinweisen, sich nicht zum strafrechtlichen Vorwurf einzulassen und sich nicht spontan dazu zu äußern.

     

    Ferner sollte der Verteidiger bereits am Telefon auf den leitenden Fahnder einwirken, mit dem Beginn der Durchsuchung bis zu seinem Erscheinen zu warten. Ein Anspruch darauf besteht indes nicht.

     

    Nach Eintreffen vor Ort, sollte der Verteidiger ‒ sofern nicht bereits erfolgt  ‒ die Beamten bitten, sich mit ihren Dienstausweisen auszuweisen. Die Namen aller Beamten (Steuerfahndung, Betriebsprüfung, Vollstreckung) sind mit ihrer Dienstbezeichnung zu notieren.

     

    Ferner ist der Durchsuchungsbeschluss sorgfältig zu überprüfen.

    • 4. Worauf ist während der Durchsuchung zu achten?

    Nach Möglichkeit sollte der Verteidiger bereits zu Anfang der Durchsuchung zusammen mit seinem Mandanten die Strategie für die Durchsuchung abstimmen.

     

    In geeigneten Fällen ist zu prüfen, ob es sinnvoll ist, die Fahnder an den „richtigen“ Ort zu führen. Auf diese Weise kann die Durchsuchung ggf. abgekürzt und das Auftreten von „Zufallsfunden“ verhindert werden.

     

    Es ist ferner darauf zu achten, dass nur die Steuerfahndungsbeamten die Durchsuchung aktiv durchführen.

     

    Betriebsprüfer dürfen bei der Durchsuchung nicht mitwirken; sie dürfen insbesondere nicht Papiere (Bilanzen, Geschäftsbücher, Belegen, Speichermedien, Computer) durchsehen. Dieses Recht zur Durchsuchung von Papieren nach § 110 Abs. 1 StPO hat nur die Steuerfahndung.

    • 5. Was ist zum Abschluss der Durchsuchung durch den Verteidiger zu veranlassen?

    Zum Abschluss ist ein Gespräch mit dem leitenden Fahnder über die abgelaufene Durchsuchung zu führen.

     

    Einer freiwilligen Herausgabe von Gegenständen ist stets zu widersprechen.

     

    In jedem Fall sollte der Verteidiger die Dokumentation der sichergestellten bzw. beschlagnahmten Gegenständen (= Nachweisung, § 107 StPO) verlangen.

     

    Es bietet sich auch an, dass der Mandant ein Gedächtnisprotokoll über die erfolgte Durchsuchung fertigt.

    • 6. Welche Fehler können bei der Nachweisung entstehen?

    Der Verteidiger muss prüfen, ob die Nachweisung vollständig und richtig ist. Er muss insbesondere prüfen, ob die sichergestellten bzw. beschlagnahmten Gegenstände wie auch der Auffindeort richtig bezeichnet sind.

     

    Nur, wenn viele Einzelbelege vorliegen, ist eine Sammelbezeichnung der sichergestellten bzw. beschlagnahmten Gegenstände (z. B. Pappkarton mit Dokumenten) zulässig.

    • 7. Was muss der Verteidiger bei dem Durchsuchungsbeschluss insbesondere prüfen?

    Der Durchsuchungsbeschluss ist insbesondere darauf zu prüfen, ob die zu durchsuchenden Stellen ausreichend präzise beschrieben sind.

     

    Oft erstreckt sich in der Praxis der Durchsuchungsbeschluss nicht auf vorhandene Pkw oder Nebengebäude des Beschuldigten.

     

    Ferner werden die Kontodaten häufig zu allgemein beschrieben.

    • 8. Der Durchsuchungsbeschluss wurde vor sieben Monaten ausgestellt. Ist die Durchsuchung noch möglich? Gibt es eine Verlängerung, weil wir „Corona“ haben?

    Das BVerfG hat in einer Entscheidung vom 27.5.97 (2 BvR 1992/92) ausgeführt, dass ein Durchsuchungsbeschluss innerhalb von sechs Monaten nach seinem Erlass vollstreckt werden muss, andernfalls verliert er seine rechtfertigende Kraft.

     

    Somit ist davon auszugehen, dass Durchsuchungsbeschlüsse, die erheblich älter als sechs Monate sind, keine Rechtswirkung mehr entfalten dürften. Auch die Corona-Pandemie führt m. E. zu keiner anderen Beurteilung.

     

    Beträgt die Überschreitung hingegen nur wenige Tage, dürfte dies nicht zur Anfechtbarkeit der Durchsuchungsmaßnahme führen.

    • 9. Wie sollte sich der Verteidiger während eines laufenden Ermittlungsverfahrens verhalten?

    Das richtige Vorgehen hängt stark vom Einzelfall ab. Es bietet sich allerdings immer an, mit dem zuständigen Fahnder bzw. der Fahnderin im kommunikativen Austausch während eines laufenden Ermittlungsverfahrens zu bleiben.

     

    Je nach Fallgestaltung kann es sinnvoll sein, mit einem steuerlichen Berater zusammenzuarbeiten, um den strafrechtlichen Vorwurf bereits steuerlich, d. h. im objektiven Tatbestand der Steuerhinterziehung, zu entkräften.

     

    Insbesondere sollte der Verteidiger auch das Besteuerungsverfahren im Blick behalten. Es ist darauf zu achten, dass Steuerbescheide durch Einspruch und Klage ggf. „offengehalten“ werden, um kein Präjudiz für das Strafverfahren zu schaffen.

    • 10. Was ist bei Kombi-Fällen durch den Verteidiger zu beachten?

    In sog. „Kombi-Fällen“ ermitteln die Betriebsprüfung und die Steuerfahndung gemeinsam den Sachverhalt.

     

    Dabei ist in der Praxis häufig festzustellen, dass ein Steuerstrafverfahren verhältnismäßig schnell beendet werden kann, wenn zugleich eine Lösung für das Besteuerungsverfahren gefunden wird.

     

    Allerdings sollte der Verteidiger darauf achten, dass eine tatsächliche Verständigung im Besteuerungsverfahren nur in seinem Beisein erfolgt.

     

    Es bietet sich ferner an, einen Vertreter der Strafsachen- und Bußgeldstelle zu der tatsächlichen Verständigung hinzuzuziehen, um eine „Gesamtlösung“, d. h. für das Besteuerungs- und das Steuerstrafverfahren, zu finden.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2021 | Seite 252 | ID 47168446