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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Bankmitarbeiter: Beihilfe zur Steuerhinterziehung durch Vermittlung von Panama-Briefkastenfirmen

    von RD David Roth, LL.M. oec., Staatl. Rechnungsprüfungsamt Köln

    | Die Vermittlung von Offshore-Briefkastenfirmen durch Bankmitarbeiter zur Vermeidung der EU-Zinsrichtlinie stellt nach Ansicht des LG Köln eine strafbare Beihilfe zur Steuerhinterziehung dar. Die Vermittlung solcher Gesellschaften zur Verschleierung von Vermögensverhältnissen mit dem Ziel, Kapitalerträge privater Anleger vor dem Zugriff der deutschen Steuerbehörden zu schützen, ist weder alltäglich, noch für die von den Bankmitarbeitern ausgeübte Berufstätigkeit typisch. Sie kann deshalb nicht als sozialadäquat eingestuft werden. |

    1. Quellensteuer auf Zinserträge in Luxemburg verkürzt

    Dem Urteil des LG Köln (11.6.19, 109 KLs 3/18, Abruf-Nr. 211626) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Zur Vermeidung der ab dem 1.7.05 fälligen Quellensteuer auf die in Luxemburg erzielten Zinserträge vermittelte der angeklagte Bankmitarbeiter aufgrund seiner Geschäftsbeziehungen zu einer Anwaltskanzlei in Panama und einer Trust Company in Liberia vermögenden Eheleuten entsprechende Briefkastenfirmen.

     

    Die Anleger hatten dabei jederzeit und vollumfänglich Zugriff auf die unter den Namen der Gesellschaften angelegten Vermögenswerte. Auszahlungen waren beliebig möglich und erfolgten auf Zuruf der Anleger durch den Angeklagten. Anschließend lieferte dieser die Bargeldbeträge am Wohnort der Anleger ab. Auf Veranlassung des Angeklagten wurden die Anleger sowie der Angeklagte selbst ‒ bei den Panama-Gesellschaften auch Strohleute ‒ als Direktoren der Briefkastenfirmen eingesetzt. Die Gesellschaften waren so konstituiert, dass die wirtschaftlich Berechtigten ‒ hier also die Anleger ‒ vollständige Kontrolle über die Gesellschaften ausüben konnten. Eine eigenwirtschaftliche Betätigung der Gesellschaftskonstrukte war weder geplant noch wurde sie tatsächlich ausgeübt. Die aus den Geldanlagen erzielten Erträge erklärten die Anleger nicht, sie verkürzten so die Einkommensteuer.

     

    Nach Ankauf von Datenmaterial durch die Steuerfahndung Wuppertal wurden Ermittlungen gegen mehrere Banken und Vermögensverwalter aufgenommen. Dabei wurde gegen zahlreiche Mitarbeiter dieser Institute ermittelt. Die gegen die Anleger eingeleiteten Steuerstrafverfahren wurden jeweils gemäß § 153a StPO nach Zahlung von Geldauflagen eingestellt. Die Bank musste wegen der systematischen Beihilfehandlungen ein Bußgeld nach § 30 OWiG von 560.000 EUR zahlen. Die gegen die Kollegen des Angeklagten eingeleiteten Beihilfeverfahren wurden ebenfalls gemäß § 153a StPO unter Auflagen eingestellt. Beim Angeklagten kam eine solche Einstellung demgegenüber nicht in Betracht, da er neben der Beihilfe zur Steuerhinterziehung noch einen Betrug zum Nachteil einer Anlegerin begangen hatte.

    2. Beihilfe zur Steuerhinterziehung

    Neben der Betrugstat verurteilte das LG Köln den Angeklagten wegen mehrfacher Beihilfe zur Steuerhinterziehung zu einer Gefängnisstrafe von 2 Jahren und 8 Monaten. Dabei rechnet das LG Köln die Kapitalerträge, die von den Panama- oder Liberia-Gesellschaften auf den laufenden Bankkonten erzielt wurden, zunächst den Haupttätern als eigene Einkünfte nach § 20 EStG zu. Die Verwendung der Briefkastenfirmen allein zur Umgehung einer eigenen Einkommensteuerpflicht stufte das Gericht als rechtsmissbräuchlich i.S. von § 42 AO und daher als unbeachtlich ein. Die Verwendung der Panama- und Liberia-Gesellschaften erfolgte nur zum Schein, denn sie verfügten weder über eigenes Personal oder eigene Geschäftsräume, noch eine Geschäftsausstattung und dienten lediglich als formale Konteninhaber zur Verschleierung der wahren Vermögenszuordnung. Die Firmen wurden maßgeblich als Instrument zur Umgehung der ab dem 1.7.05 fälligen Quellensteuer genutzt, entfalteten keinerlei wirtschaftliche Tätigkeit und traten auch im Übrigen nicht im Geschäftsverkehr auf.

     

    Eine eigene Körperschaftsteuerpflicht der Gesellschaften schied mangels Geschäftsleitung im Inland ebenfalls aus (BFH 19.3.02, I R 15/01, DStRE 03, 346; BGH 13.3.19, 1 StR 520/18, NStZ-RR 19, 214). Die Tagesgeschäfte der in Rede stehenden Gesellschaften (An- und Verkauf von Finanzprodukten in den jeweils den Gesellschaften zugeordneten Depots) führten nicht die in Deutschland ansässigen Anleger, sondern der in Luxemburg tätige Angeklagte.

    3. Zwischenschaltung von Briefkastenfirmen

    Das LG Köln folgt der ständigen Rechtsprechung des BFH. Danach erfüllt die Zwischenschaltung von Briefkastenfirmen im niedrig besteuernden Ausland den Tatbestand des Rechtsmissbrauchs, wenn für ihre Einschaltung wirtschaftliche oder sonst beachtliche Gründe fehlen und wenn sie keine eigene wirtschaftliche Tätigkeit entfalten (BFH 29.1.08, I R 26/06, BFHE 220, 392; BFH 5.3.86, I R 201/82, BFHE 146, 158; FG Baden-Württemberg 6.5.15, 1 K 1674/13, DStRE 17, 629; BGH 30.5.90, 3 StR 55/90, wistra 90, 307). In diesen Fällen scheidet eine steuerliche Anerkennung vor allem dann aus, wenn die Wahl des Sitzes und der Rechtsform nur mit der Absicht der Steuerersparnis zu erklären sind. Dabei muss sich die Steuerersparnis unmittelbar aus der Verlagerung von Wirtschaftsinteressen auf die ausländische Gesellschaft und die dadurch bewirkte Ausgliederung der insoweit bezogenen Einkünfte aus der unbeschränkten Steuerpflicht des Inländers ergeben.

     

    Darüber hinaus ist stets sorgfältig zu prüfen, ob sich ‒ unbeschadet des formellen Verwaltungssitzes der Gesellschaft im Ausland ‒ die Geschäftsleitung i.S. des § 10 AO im Inland befindet. Dies ist dann der Fall, wenn die für die Geschäftstätigkeit der Gesellschaft entscheidenden Beschlüsse im Inland gefasst und die maßgeblichen Anweisungen aus dem Inland erteilt werden. Die geschäftliche Oberleitung braucht insbesondere nicht mit den zur gesetzlichen Vertretung berufenen Personen identisch zu sein. Liegen diese Voraussetzungen vor, so ist die ausländische Gesellschaft der unbeschränkten deutschen Steuerpflicht zu unterwerfen (§ 1 KStG).

     

    Durch die Vermittlung der Panama- und Liberia-Firmen, die Unterstützung bei der Einrichtung der Konten sowie die in diesem Zusammenhang durchgeführten Beratungsgespräche leistete der Angeklagte Beihilfe zu den Steuerhinterziehungstaten seiner Kunden. Eine alltägliche oder berufstypische (neutrale) Tätigkeit, die von der Verkehrsanschauung als sozialadäquat angesehen wird und der grundsätzlich keine eigenständige strafrechtliche Bedeutung zukommt (BGH 23.10.18, 1 StR 234/17, PStR 19, 190), lag hier nicht vor. Die Vermittlung von Offshore-Gesellschaften zur Umgehung der Quellensteuer nach der EU-Zinsrichtlinie und zur Verschleierung von Vermögensverhältnissen mit dem Ziel, die Kapitalerträge privater Anleger vor dem Zugriff der Steuerbehörden zu schützen, ist weder alltäglich, noch für die von dem Angeklagten ausgeübte Berufstätigkeit typisch und kann gerade nicht als sozialadäquat eingestuft werden. Insbesondere der Umfang der vom Angeklagten erbrachten „Services“, nämlich das Einlagern sämtlichen Schriftverkehrs sowie die „spurenlose“ Übergabe von Bargeld in den Wohnungen der Kunden, ging über die typischen Tätigkeiten eines Vermögensverwalters hinaus.

     

    Selbst wenn man die Vermittlung der Offshore-Gesellschaften als eine neutrale Handlung betrachten wollte, folgt daraus für die Strafbarkeit des Angeklagten nichts anderes. Denn auch die bei neutralen Handlungen stets vorzunehmende bewertende Betrachtung im Einzelfall würde vorliegend nach Ansicht des LG dazu führen, die Tatbeiträge des Angeklagten als strafbare Beihilfehandlungen zu werten. Denn die Verwendung der Panama- und Liberia-Gesellschaften zielte in allen Fällen ganz maßgeblich auf eine Steuerhinterziehung ab. An dieser Bewertung änderten auch die zwischen der Bank und den Kunden jeweils geschlossenen Vermögensverwalterverträge nichts. Der dort enthaltene abstrakte Hinweis, wonach jeder Kunde selbst für die Erfüllung seiner individuellen Steuerpflichten verantwortlich sein sollte, legitimiert nicht die beschriebenen Unterstützungshandlungen, die sich gerade auf die Verletzung dieser Pflichten richteten.

     

    Bei der Strafzumessung wertete das LG Köln ‒ neben mehreren Strafmilderungsgründen (z. B. Geständnis) ‒ insbesondere strafschärfend, dass das Regelbeispiel der Steuerverkürzung „in großem Ausmaß“ gemäß § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO vorlag und die Beihilfehandlung erhebliches Gewicht für die Begehung der Haupttaten hatte. Ohne die Vermittlung der Offshore-Gesellschaften wären die Erträge auf den Konten der Kunden der Quellensteuer unterfallen. Da der Angeklagte für seine Kunden der alleinige Ansprechpartner im Hinblick auf das von ihm verwaltete Vermögen war, hatte er in besonderem Maße zur Verwirklichung der Haupttaten Hilfe geleistet.

     

    PRAXISTIPP | Der Gesetzgeber hat zur härteren Bestrafung vergleichbarer Briefkastenfirmen-Konstellationen inzwischen das weitere Regelbeispiel des § 370 Abs. 1 S. 2 Nr. 6 AO eingeführt. Dieses war für die hier abgeurteilten Taten jedoch aufgrund des strafrechtlichen Rückwirkungsverbots (§ 2 Abs. 1 StGB) noch nicht zu berücksichtigen. Aufgrund des neuen Regelbeispiels dürften die im vorliegenden Hinterziehungskomplex noch extensiv genutzten Verfahrenseinstellungen (§ 153a StPO nebst Geldauflagen) bei den übrigen Beschuldigten künftig eher die Ausnahme bleiben.

     
    Quelle: Ausgabe 11 / 2019 | Seite 268 | ID 46115053