· Fachbeitrag · Verwertungsverbot
VGH Rheinland-Pfalz: Verwertung von Steuerdaten-CD in Grenzen zulässig
von RAin Dr. Katharina Wild, Baker Tilly Roelfs, München
| Der VGH Rheinland-Pfalz hat zwar in seiner Entscheidung vom 24.2.14 die Verwertbarkeit der angekauften Steuerdaten-CD noch für zulässig gehalten und die Verfassungsbeschwerde gegen einen auf diese Informationen gestützten Durchsuchungsbeschluss als unbegründet zurückgewiesen (VGH Rheinland-Pfalz 24.2.14, VGH B 26/13, Abruf-Nr. 140761 ). Gleichzeitig schließt das Gericht jedoch nicht aus, dass künftig der Ankauf rechtswidrig erlangter Bankdaten verfassungswidrig sein kann. |
1. Sachverhalt (VGH Rheinland-Pfalz vom 24.2.14)
Im Januar 2012 kaufte die Regierung des Landes Rheinland-Pfalz für 4,41 Mio. EUR von einer Privatperson eine CD mit Kundendaten der Credit Suisse. Anders als in dem Fall, der dem Beschluss des BVerfG vom 09.11.10 (2 BvR 2101/09, PStR 11, 3) zugrunde lag, soll hier keine Anstiftung durch den BND erfolgt sein. Der Datenanbieter soll das Datenmaterial der Finanzverwaltung eigenständig angeboten haben. Das Hinterziehungsvolumen wurde von der Finanzverwaltung auf 500 Mio. EUR geschätzt.
Der Beschwerdeführer unterhielt bei der Credit Suisse ein Depot in der Größenordnung von 700.000 EUR. Auf dem Datenträger waren der Name des Beschwerdeführers sowie die Depotstände zum 31.12.05 und 31.12.10 vermerkt. Weitere Informationen enthielt das Datenmaterial nicht. Die Wohnung des Beschwerdeführers wurde aufgrund des vorliegenden Datenmaterials durchsucht. Hiergegen wendete sich der Beschwerdeführer und rügte die Verletzung seiner Rechte auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK, auf informationelle Selbstbestimmung nach Art. 4a LV RLP, des Rechtsstaatsprinzips nach Art. 77 Abs. 2 LV RLP sowie des Grundrechts auf Unverletzlichkeit der Wohnung nach Art. 7 Abs. 1 LV RLP.
Der Beschwerdeführer rügte, dass durch den wiederholten Ankauf der Steuerdaten-CDs durch die Bundesländer eine Anreizwirkung geschaffen werde, die zu einer gezielten Beschaffung der Daten durch den Staat führe. Die Strafbarkeit des Datenanbieters nach schweizerischem Recht soll nach Ansicht des Beschwerdeführers dem Staat zuzurechnen sein, sodass ein Beweiserhebungs- und aufgrund der besonderen Schwere der Rechtsverletzung auch ein Beweisverwertungsverbot vorliegen soll.
2. Entscheidungsgründe
Die vom VGH Rheinland-Pfalz zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit strafprozessualer Maßnahmen aufgestellten Grundsätze zeichnen den verfassungsrechtlichen Rahmen eines zulässigen CD-Kaufs durch staatliche Behörden, zeigt aber auch die verfassungsrechtlichen Grenzen auf.
2.1 Kein Verstoß gegen Rechte des Beschuldigten
Nach Ansicht des VGH Rheinland-Pfalz wurde das Recht des Beschwerdeführers auf ein faires Verfahren nach Art. 6 EMRK durch den Ankauf und die Verwertung der Steuerdaten-CD nicht verletzt. Dennoch macht das Gericht deutlich, dass es keine Wahrheitserforschung um jeden Preis geben darf. Ein verfassungsunmittelbares Verwertungsverbot soll bei schwerwiegenden, bewussten und willkürlichen Rechtsverstößen vorliegen, die die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht lassen (BVerfG 16.3.06, 2 BvR 954/02, NJW 04, 1684; BGH 18.11.03, 1 StR 455/03, NStZ 04, 449; BGH 25.4.07, 1 StR 135/07, NStZ-RR 07, 242). Insbesondere bei Beweismaterial, das in einer unüblichen Art und Weise erworben wurde, sollen die Fachgerichte auch die Umstände der Beweiserhebung für ein in Betracht kommendes Verwertungsverbot zu berücksichtigen haben.
Allerdings stellt die Verwertung von in strafbarer Weise beschaffter Informationen allein noch kein gegen das Gebot fairen Verfahrens verstoßendes Verhalten des Staates dar. Dies gilt selbst dann, wenn mit der Beschaffung gegen Völkerrecht verstoßen wird (BGH 30.4.90, StB 8/90, BGHSt 37, 30). Denn mit der Verwertung wird die vorangegangene rechtswidrige Beweisbeschaffung nicht gebilligt. Ein Verwertungsverbot besteht in besonderen Ausnahmefällen jedoch dann, wenn die Information durch schwerwiegende menschenrechtswidrige Behandlung erlangt wurde oder das private, strafbare Handeln dem Staat zuzurechnen ist.
2.2 Grenze: Zurechnung des privaten Handelns zur staatlichen Sphäre
Der VGH Rheinland-Pfalz hält es für denkbar, dass das strafbare Handeln des privaten Informanten der staatlichen Behörde zuzurechnen ist. Eine derartige Situation soll unter folgenden Voraussetzungen vorliegen:
- verstärkte Involvierung staatlicher Behörden in den Prozess der Datenbeschaffung,
- planmäßige Intensivierung der Zusammenarbeit zwischen staatlichen Behörden und dem privaten Informanten,
- Zusammenarbeit staatlicher Behörden mit denselben Privatpersonen in ähnlichen Fällen in der Vergangenheit oder
- wiederholter Ankauf von Steuerdaten-CDs in einem engen zeitlichen Zusammenhang mit Anreizwirkung zur Beschaffung der Bankdaten.
Nach Ansicht des VGH Rheinland-Pfalz besteht diesbezüglich eine unverzichtbare Beobachtungs- und Reaktionspflicht des Staates, die nur bei umfassender Information der Gerichte durch die StA und die Finanzbehörden erfüllt werden kann. Für StA und Finanzbehörden resultiert daraus eine entsprechende Informationspflicht. In dem der Entscheidung zugrunde liegenden Fall sollen dem Gericht diese Informationen bei der Antragstellung des Durchsuchungsbefehls jedoch vorgelegen haben. Danach sollen sich die staatlichen Stellen an der Beschaffung der ausländischen Bankdaten nicht aktiv beteiligt haben. Ebenso wenig soll es einen „Automatismus eines Erwerbs bzw. einer Geldzahlung“ gegeben haben. Denn der Ankauf hänge von der Werthaltigkeit einer vorab übergebenen Stichprobe des Datenmaterials ab.
3. Praxishinweis
Zwar lehnt der VGH Rheinland-Pfalz die Verfassungsbeschwerde ab und verneint eine besonders schwerwiegende Rechtsverletzung, aus der eine ein Beweisverwertungsverbot begründende Fernwirkung hätte abgeleitet werden können. Die Grundsätze, die der VGH in dieser Entscheidung aufstellt, eignen sich jedoch zur Begründung der Unverwertbarkeit von in der Zukunft erworbenen Steuerdaten-CDs. Denn es ist fraglich, ob den Gerichten die Informationen über den Datenerwerb durch StA und Finanzbehörden überhaupt in ausreichend detailliertem Umfang vorgelegt werden.
Auch dem VGH Rheinland-Pfalz ist es in der mündlichen Verhandlung am 10.01.14 nicht gelungen, den Sachverhalt vollständig aufzuklären. Wesentliche Fragen des VGH zur Beschaffung der Daten, der Übergabe des Datenträgers sowie der Zahlung des Kaufpreises wurden von dem Vertreter des rheinland-pfälzischen Finanzministeriums nicht beantwortet. Dem Verteidiger des Beschwerdeführers wurde bis zuletzt keine Akteneinsicht gewährt, sodass unklar bleibt, welche Unterlagen den Gerichten vorgelegt wurden und welchen Informationsgehalt diese aufweisen.
In den letzten Jahren kauften die Bundesländer in neun Fällen Steuerdaten-CDs von sechs schweizerischen und einer luxemburgischen Bank an, davon allein drei Datenträger im Jahr 2012 von der UBS, der Credit Suisse und des Bankhauses Coutts für rund 11 Mio. EUR. Über den im Jahr 2006 von einem Mitarbeiter der LGT angekauften Datenträger ist bekannt, dass dort auch interne Vermerke über Gespräche der Bankkunden mit ihrem Berater über persönliche, familiäre und wirtschaftliche Verhältnisse enthalten sind (http://www.iww.de/sl418). Über den Ankauf der Daten-CD der Credit Suisse im Jahr 2010 wurde im Rahmen eines Verfahrens vor dem OLG Innsbruck bekannt, dass deutsche Beamte von dem österreichischen Mittelsmann ergänzende Bankdaten gezielt angefordert hatten (http://www.iww.de/sl418).
Nach den Grundsätzen, die der VGH Rheinland-Pfalz in seiner Entscheidung vom 24.2.14 aufgestellt hat, dürfte diese Kommunikation deutscher Beamten mit dem Anbieter zur Unverwertbarkeit der Daten führen. Es bleibt abzuwarten, in welcher Häufigkeit Bankmaterial angekauft werden muss, damit die Rechtsprechung eine Anreizwirkung aufgrund eines engen zeitlichen Zusammenhangs der Ankäufe bejaht. Der VGH Rheinland-Pfalz sieht jedenfalls die Gefahr, dass die „Effektivität der Strafrechtspflege … durch ein schwindendes Vertrauen in die Lauterkeit der Ermittlungsorgane beeinträchtigt werden“ kann.
Für eine Verurteilung reichen die rechtswidrig erlangten Bankdaten - wie das AG Nürnberg in seinem Urteil vom 2.8.12 (46 Ds 513 Js 1382/11, PStR 14, 43) feststellt - jedenfalls nicht aus. Aus steuerrechtlicher Sicht gilt allerdings Folgendes: Wird die Mitwirkungspflicht bei Auslandssachverhalten nach § 90 AO nicht erfüllt, ist eine Schätzung der Besteuerungsgrundlagen zulässig.
Weiterführender Hinweis
- Hornig, LGT-Bank: Kein Nachweis von Steuerhinterziehung trotz namentlicher Nennung auf CD, PStR 14, 43 ff.