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  • · Fachbeitrag · Betriebsprüfung

    Tatsächliche Verständigung unwirksam, Steufa nicht für die Steuerfestsetzung zuständig

    von RD David Roth, LL.M. oec, Staatl. Rechnungsprüfungsamt Köln

    | Eine tatsächliche Verständigung zwischen Finanzbehörde und Steuerpflichtigen setzt voraus, dass auf behördlicher Seite ein für die Steuerfestsetzung zuständiger Amtsträger beteiligt ist. Eine nur mit einem Steufa-Sachgebietsleiter abgeschlossene Vereinbarung ist daher nach Ansicht des BFH unwirksam. Eine nachträgliche Genehmigung einer solchen unwirksamen Vereinbarung kommt nur in Betracht, wenn in der Abrede zwingend der schriftliche Hinweis auf die schwebende Unwirksamkeit der Verständigung bis zu ihrer Genehmigung durch den Amtsträger enthalten ist. |

     

    Sachverhalt

    Beim Kläger K fand eine Außenprüfung statt, in deren Verlauf ein Steuerstrafverfahren eingeleitet wurde. Die Steufa war letztlich der Ansicht, der K habe Firmen beliefert, ohne den Warenverkauf in der Buchführung erfasst zu haben. Im Rahmen der Abschlussbesprechung mit der Steufa unterzeichneten der Steuerpflichtige, sein Berater und der Sachgebietsleiter der Steufa einen Aktenvermerk, wonach beide Seiten hinsichtlich der nicht verbuchten Lieferungen eine Gewinnmarge von 2 EUR pro kg Ware für angemessen hielten.

     

    Nachdem die Steufa dem K ihren Teilbericht zur Stellungnahme übersandt hatte, wandte dieser ein, die Gewinnerhöhung müsse von (72 t * 3 EUR =) 216.000 EUR auf (72 t * 2 EUR =) 144.000 EUR reduziert werden. Die Steufa vertrat hingegen die Auffassung, die Gewinnmarge sei wie vereinbart mit 2 EUR je kg angesetzt worden. Die Gewinnmarge ermittele sich aus der Differenz zwischen Verkaufspreis abzüglich Einkaufspreis. Da in der bisherigen Gewinnermittlung für das Jahr 2006 bereits der Einkaufspreis von 1 EUR pro kg als Aufwand verbucht worden sei, werde in dem Teilbericht 3 EUR je kg als Erlös angesetzt.

     

    Das FA übernahm den Teilbericht der Steufa unverändert in den Bericht der Betriebsprüfung und änderte die Steuerbescheide entsprechend ab. Die dagegen gerichtete Klage hat das FG abgewiesen und die Vereinbarung als ‒ nachträglich vom Festsetzungsfinanzamt genehmigte ‒ wirksame tatsächliche Verständigung eingeordnet.

     

    Entscheidungsgründe

    Dem tritt der BFH entgegen (BFH 27.6.18, X R 17/17, Abruf-Nr. 206099). Das FG hat danach zu Unrecht entschieden, dass eine wirksame tatsächliche Verständigung vorliege. Eine tatsächliche Verständigung setzt vielmehr voraus, dass aufseiten der Finanzbehörde an der Vereinbarung ein Amtsträger beteiligt ist, der für die Entscheidung über die Steuerfestsetzung zuständig ist. Hier hatte jedoch nur der Steufa-Sachgebietsleiter die Vereinbarung unterzeichnet. Nach Auffassung des BFH lag auch keine Sondersituation vor, die es rechtfertigen würde, von diesem Grundsatz (Erfordernis der Beteiligung eines für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträgers) abzuweichen. Dass die Steufa häufig „arbeitsteilig“ mit dem allgemeinen FA tätig wird, könne die nach § 208 Abs. 3 AO gesetzlich geregelte Vorgabe, wonach die Steufa grundsätzlich keine Entscheidungsbefugnis hinsichtlich der Steuerfestsetzung besitzt, nicht aushebeln. Gesetzlich geregelte Zuständigkeiten können daher nicht durch formlose Beauftragung verändert werden.

     

    MERKE | Eine förmliche Beauftragung, die unter den gesetzlichen Voraussetzungen des § 208 Abs. 2 AO i.V. mit § 195 S. 2 AO möglich ist und in deren Folge die beauftragte Stelle ausnahmsweise gemäß § 195 S. 3 AO auch die Steuerfestsetzung vornehmen darf, lag im Streitfall nicht vor.

     

    Darüber hinaus lehnt der BFH auch eine nachträgliche Genehmigung der (vorläufig unwirksamen) Vereinbarung durch die steuerfestsetzende Stelle ab. Eine Genehmigung durch den für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger komme hier nicht in Betracht. Die persönliche Anwesenheit der Beteiligten sei schon deswegen zwingend erforderlich, um diesen die besondere Bedeutung ihrer Erklärungen vor Augen zu führen. Der Senat deutet zwar an, eine vergleichbare Warnfunktion könne auch dadurch gewährleistet werden, dass die schriftliche Vereinbarung um einen zwingenden Hinweis auf die schwebende Unwirksamkeit der Verständigung bis zu ihrer Genehmigung durch den zuständigen Amtsträger ergänzt würde. Da die vorliegende Erklärung aber keinen solchen Hinweis enthielt, war eine dahingehende nachträgliche Genehmigung hier jedoch ausgeschlossen.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Entscheidung verdeutlicht die strengen Wirksamkeitsanforderungen der tatsächlichen Verständigung. Eine bindende Vereinbarung kann danach nur mit einem für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger abgeschlossen werden. Dies ist auch in Steuerfahndungsfällen zu beachten, obwohl rein faktisch häufig die Steufa „das Sagen“ zu haben scheint und das Festsetzungsfinanzamt nur als ausführendes Umsetzungsorgan in Erscheinung tritt.

     

    Neu und für die Praxis interessant sind die Ausführungen zur Möglichkeit einer späteren Genehmigung einer (schwebend) unwirksamen tatsächlichen Verständigung. Zwar lehnt der BFH die vom FG vertretene weit gefasste Möglichkeit einer Genehmigung ab, bejaht eine Genehmigungsmöglichkeit aber, wenn die ursprüngliche Vereinbarung den zwingenden schriftlichen Hinweis auf die schwebende Unwirksamkeit der Verständigung bis zu ihrer Genehmigung durch den Amtsträger enthält.

     

    Vereinbarungen zwischen Steuerpflichtigen und Steufa müssen daher zukünftig entsprechende Hinweise enthalten, um mittels Genehmigung durch den für die Steuerfestsetzung zuständigen Amtsträger doch noch wirksam werden zu können. Andernfalls sind solche Abreden wegen Unzuständigkeit der Steufa für die Steuerfestsetzung unwirksam.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2019 | Seite 51 | ID 45705183