· Nachricht · Bundesgerichtshof
Mittelbare Täterschaft versus Mittäterschaft
| Kommt im laufenden Verfahren statt Mittäterschaft eine Verurteilung aus mittelbarer Täterschaft in Betracht, muss das Gericht dem Angeklagten nach § 265 StPO einen Hinweis erteilen und den Verteidigern ausreichend Zeit einräumen. |
Erfolgt der Hinweis nach 28 Verhandlungstagen erst nach dem Plädoyer der Staatsanwaltschaft, kurz vor dem Schlussvortrag der Verteidigung, reicht eine 55-minütige Mittagspause für eine angemessene Verteidigung nicht aus (BGH 13.7.18, 1 StR 34/18, Abruf-Nr. 202988). Denn der Nachweis von Alleintäterschaft und der von mittelbarer Täterschaft unterscheiden sich deutlich. Bei mittelbarer Täterschaft ‒ hier in Form des uneigentlichen Organisationsdelikts ‒ muss dem Angeklagten beispielsweise keine Beteiligung an Einzelakten mehr nachgewiesen werden. Für die insofern regelmäßig gebotene andere Verteidigung muss daher genügend Zeit eingeräumt werden.
PRAXISTIPP | Die Beschuldigtenschutzvorschrift des § 265 StPO wird etwa bei faktischer Geschäftsführung bzw. Strohmann-Geschäften relevant. Hier ergeben sich im Verfahren häufig neue Erkenntnisse zu den Verantwortlichkeiten, deren Nachweis und rechtlicher Einordnung (Täterschaft/Beihilfe, Mittäterschaft/mittelbare Täterschaft etc.). Kommt das Gericht seiner Hinweispflicht aus § 265 StPO nicht nach, ist eine Revision (Verfahrensrüge) erfolgreich. 2017 wurden die Hinweispflichten zudem ausgeweitet (BGBl I 17, 3202). Nun ist auch bei zur Anklage veränderter Sachlage bzw. Maßnahme(n) nach § 11 Nr. 8 StGB (Einziehung, Verfall, Vermögensarrest etc.) ein Hinweis erforderlich.(DR) |