Praxiswissen auf den Punkt gebracht.
logo
  • Meine Produkte
    Bitte melden Sie sich an, um Ihre Produkte zu sehen.
Menu Menu
MyIww MyIww
  • · Fortbildungspunkte · Cum/Ex

    Reisepass kann nach Cum-Ex-Geschäften entzogen werden

    RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Berlin

    | Wer sich als deutscher Staatsbürger einem Strafverfahren dadurch entzieht, dass er ins Ausland flüchtet, muss mit passrechtlichen Konsequenzen rechnen. Das hat das VG Berlin entschieden. |

     

    Sachverhalt

    Der Kläger (K) ist deutscher Staatsangehöriger und lebte seit 2012 bis zu seiner Auslieferung im Februar 2022 nach Deutschland im Ausland. Mit Schreiben vom 28.1.21 ersuchte die Staatsanwaltschaft P die Botschaft der Bundesrepublik Deutschland im aktuellen Wohnland des K, gegen diesen passrechtliche Maßnahmen einzuleiten, da gegen ihn wegen des Verdachts der Steuerhinterziehung im Zusammenhang mit sog. Cum-Ex-Geschäften ermittelt werde. Bereits im November 2012 waren im Zuge der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungen die Kanzleiräume des K durchsucht worden, woraufhin K sich in Deutschland abmeldete. Im September 2020 wurde Anklage erhoben und ein Haftbefehl erlassen.

     

    Die Botschaft teilte dem K mit, dass erwogen werde, ihm den Reisepass zu entziehen, und gab ihm Gelegenheit zur Stellungnahme. Später wurde K im Ausland festgenommen. Die Botschaft entzog dem K danach seinen gültigen Reisepass und forderte K unter Fristsetzung auf, diesen bei der Botschaft abzugeben. Hiergegen hat K erfolglos Klage erhoben. 2022 wurde K nach Deutschland ausgeliefert. Inzwischen ist er rechtskräftig wegen Steuerhinterziehung verurteilt.

     

    Entscheidungsgründe

    Die Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1, Var. 1 VwGO) ist zulässig, aber unbegründet (VG Berlin 9.1.24, 23 K 685/21, Abruf-Nr. 244078). Sowohl die Entziehung des Reisepasses als auch die Aufforderung, den Reisepass abzugeben, ist rechtmäßig und verletzt den K dadurch nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 S. 1 VwGO.

     

    Die Klage ist nicht bereits dadurch unbegründet, dass K 2022 nach Deutschland ausgeliefert wurde. Der Umstand, dass bis zur Auslieferung des K das Auswärtige Amt zuständige Passbehörde war (§ 19 Abs. 2 PassG) und nach Auslieferung eine Landesbehörde gem. § 19 Abs. 1 S. 1 PassG zuständige Passbehörde ist, berührt die Passivlegitimation der Beklagten (Bund) nicht. Maßgeblicher Zeitpunkt, um die Rechtmäßigkeit zu beurteilen, ist der Zeitpunkt der Behördenentscheidung.

     

    Die Passentziehung ist ein verwaltungsrechtlich geeignetes Mittel, da mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg ‒ die Durchführung des Strafverfahrens im Inland zu sichern ‒ gefördert werden kann.

     

    Die Passentziehung ist auch erforderlich, da ein anderes ‒ gleich wirksames, aber die Rechtsstellung des K weniger einschränkendes ‒ Mittel nicht ersichtlich ist.

     

    Des Weiteren steht die bezweckte vorübergehende Beendigung, mit einem Pass ausreisen oder sich im Ausland legitimieren zu können, nicht außer Verhältnis zum angestrebten Ziel, den staatlichen Strafanspruch durchzusetzen. Dem öffentlichen Interesse, den K dazu zu bringen, nach Deutschland zurückzukehren, ist gegenüber seinem Interesse, den Reisepass weiter nutzen zu können, der Vorrang einzuräumen. Denn es ist eine der wesentlichen Aufgaben des Staates, die Strafgewalt auszuüben. Dies dient dazu, die Rechtsordnung aufrechtzuerhalten.

     

    Relevanz für die Praxis

    Das VG Berlin führt seine Rechtsprechung dazu, dass Botschaften in Cum-Ex-Fällen den Reisepass entziehen dürfen, fort (PStR 22, 74).

     

    Rechtsgrundlage für die Entziehung des Reisepasses ist § 8 PassG. Danach kann ein Pass dem Inhaber entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die es nach § 7 Abs. 1 PassG rechtfertigen würden, den Pass zu versagen.

     

    Gem. § 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG ist ein Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sich einer Strafverfolgung, die im Inland gegen ihn schwebt, entziehen will. Diese Voraussetzungen erachtet des Gericht vorliegend für gegeben.

     

    An den Nachweis der subjektiven Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG (Wille, sich der Strafverfolgung zu entziehen) müssen in der Praxis keine überhöhten Anforderungen gestellt werden.

     

    MERKE | Für die Feststellung der subjektiven Tatbestandsvoraussetzung des § 7 Abs. 1 Nr. 2 PassG genügt zwar nicht schon der Wille, in absehbarer Zeit nicht in die Bundesrepublik zurückzukehren. Vielmehr muss ein Kausalzusammenhang zwischen der Strafverfolgung und dem angestrebten weiteren Aufenthalt im Ausland i. d. S. bestehen, dass Tatsachen die Annahme rechtfertigen, der Antragsteller wolle sich der Strafverfolgung entziehen (vgl. BVerwG 16.10.89, BVerwG 1 A 110.89, NVwZ 90, 369).

     

    Sein gesamtes Verhalten und sonstige Umstände müssen bei lebensnaher Beurteilung den Schluss zulassen, dass er in der Absicht handelt, ins Ausland zu verziehen oder dort zu bleiben, um den Zugriff der Strafverfolgungsbehörden zu verhindern oder zu erschweren (vgl. VGH Mannheim 28.11.88, 1 S 3045/87; OVG Münster 2.1.96, 25 B 3037/95).

     

    Weiterführende Hinweise

    • Möller, Botschaft darf Pass des Angeklagten entziehen, PStR 22, 74
    • Wegner, Wegen erheblicher Steuerrückstände wurde der Pass eingezogen, PStR 17, 156
    Quelle: Ausgabe 12 / 2024 | Seite 273 | ID 50188096