· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Wegen erheblicher Steuerrückstände wurde der Pass eingezogen
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, Krause & Kollegen, Berlin
| Eine Passentziehung setzt voraus, dass ein vollziehbarer Steuerbescheid vorliegt, der nicht offensichtlich rechtswidrig ist und aus dem sich ergibt, dass erhebliche Steuerrückstände bestehen. Und Steuerschulden von etwa 535.000 EUR können schon für sich genommen die Annahme eines subjektiven Steuerfluchtwillens begründen. |
Sachverhalt
Der Kläger K wendet sich gegen die durch die Beklagte verfügte Einziehung seines Reisepasses. Er war mehrere Jahre als selbstständiger Immobilienvermittler tätig und ist mit einer thailändischen Staatsangehörigen verheiratet. K ist mehrfach vorbestraft und verfügt in Deutschland über Grundvermögen. Nach den Erkenntnissen des FA erzielte K über Jahre nicht erklärte Bruttoeinnahmen i. H. von etwa 880.000 EUR. Diese wurden zum Teil auf die Konten der Ehefrau überwiesen, zum Teil in bar eingezahlt, seien aber dem K zuzurechnen.
Das FA beantragte bei der Beklagten, dem K ausgestellte Pässe gemäß § 7 PassG zu beschränken bzw. einzuziehen. K habe vollstreckbare Steuerrückstände von mehr als 400.000 EUR. Weiterhin seien 135.000 EUR GewSt offen. Nach den Ermittlungen der Steuerfahndung reise K regelmäßig nach Asien, um größere Bargeldsummen dorthin zu verbringen. Da er Ende 2014 zu einer Bewährungsstrafe verurteilt worden sei und bei Hinzukommen einer weiteren Verurteilung wegen Steuerhinterziehung mit einer Haftstrafe zu rechnen sei, stehe zu befürchten, dass er sich der Strafvollstreckung entziehen könnte.
Entscheidungsgründe
Die Beklagte hat den Reisepass zu Recht entzogen (VG Ansbach 23.2.17, AN 5 K 15.01676, Abruf-Nr. 194432). Nach § 8 PassG kann ein Pass entzogen werden, wenn Tatsachen bekannt werden, die nach § 7 Abs. 1 PassG die Passversagung rechtfertigen würden.
Nach § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 PassG ist der Pass zu versagen, wenn bestimmte Tatsachen die Annahme begründen, dass der Passbewerber sich seinen steuerlichen Verpflichtungen entziehen will. Maßgeblich ist insoweit der Zeitpunkt der Behördenentscheidung, weil Umstände, die der Passbehörde nicht bekannt waren oder ‒ weil sie in der Zukunft liegen ‒ nicht bekannt sein konnten, auch nicht Gegenstand der von ihr zu treffenden Ermessensentscheidung gewesen sein können.
Die infolge der durch die Passentziehung herbeigeführten Einschränkungen der Reisefreiheit des Klägers sei aus damaliger Sicht geeignet gewesen, die Erfüllung seiner Steuerschuld zu fördern, und sei dies auch noch heute. Die Maßnahme war insbesondere vor dem Hintergrund der dem Kläger grundsätzlich zustehenden, grundrechtlich verbürgten Ausreisefreiheit auch im Übrigen verhältnismäßig und sei dies auch noch.
Relevanz für die Praxis
In objektiver Hinsicht setzt § 8 PassG i. V. mit § 7 Abs. 1 Nr. 4 PassG voraus, dass sich aus vollziehbaren Steuerbescheiden, die nicht offensichtlich rechtswidrig sind, ergibt, dass erhebliche Steuerrückstände bestehen (VG Berlin 27.8.14, 23 L 410.14). Nicht erforderlich ist, dass die Steuerbescheide auch bereits bestands- oder rechtskräftig wären (OVG NRW 2.1.96, 25 B 3037/95).
In subjektiver Hinsicht erfordert der Passversagungsgrund des § 7 Abs. 1 S. 1 Nr. 4 PassG ferner einen Steuerfluchtwillen: Ein Steuerfluchtwille setzt voraus, dass das gesamte Verhalten des Passinhabers und sonstige objektive Umstände den Schluss rechtfertigen, dass sich der Passinhaber ins Ausland absetzen will, um sich auf diese Weise seinen steuerlichen Verpflichtungen zu entziehen.
Erforderlich ist hier ein Kausalzusammenhang zwischen den Steuerschulden des Passinhabers einerseits und seinem Auslandsaufenthalt andererseits. Ein solcher Wille lässt sich nur anhand von Indizien feststellen. Ein maßgebliches Indiz ist dabei eine beträchtliche Höhe der Steuerschulden (OVG Bremen 25.1.13, 1 B 297/12).
Weiterführender Hinweis
- Wegner, Zu Risiken und Nebenwirkungen bei Steuerdelikten, PStR 13, 243 f.