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  • · Fachbeitrag · Finanzgericht Münster

    Gemeinschaftsrechtliches Missbrauchsverbot und Arrest nach § 324 AO

    von ORR Dipl.-Finw. Michael Braun, Waiblingen

    • 1. Das FA kann den Umsatzsteueranspruch beim Leistungsempfänger nach § 324 AO sichern, wenn die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG nicht vorliegen.
    • 2. Dies gilt nur, wenn der Leistungsempfänger wusste oder hätte wissen müssen, dass dieser Umsatz in eine auf einer vorhergehenden Umsatzstufe begangenen Steuerhinterziehung einbezogen war.

    (FG Münster 16.12.13, 15 V 3684/13 U, Abruf-Nr. 140494)

     

    Sachverhalt

    Der Edelmetallhändler E erteilte einem Lieferanten L innerhalb von 4 Monaten Gutschriften über die Lieferung von Silbergranulat, Palladium und Platin. Die Vorsteuern i.H. von 330.000 EUR machte er in seinen Voranmeldungen geltend. L erklärte die Umsätze nicht, sondern gab Voranmeldungen mit einer Umsatzsteuer von 0 EUR ab. Da nach Auffassung des FA die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nicht erfüllt waren, sicherte das FA den Umsatzsteueranspruch nach § 324 AO.

     

    Entscheidungsgründe

    Das Gericht hatte den Aussetzungsantrag nach summarischer Prüfung abgelehnt. Es sah es als hinreichend wahrscheinlich an, dass die in Abzug gebrachten Vorsteuern zu berichtigen sein dürften, da die Voraussetzungen für den Vorsteuerabzug nach § 15 Abs. 1 Nr. 1 UStG bei E nicht vorliegen. Auf der Rechnung bzw. der Gutschrift muss nach § 14 Abs. 4 Nr. 1 UStG der richtige Name und die richtige vollständige Anschrift des leistenden Unternehmers enthalten sein. Eine fiktive Unternehmensansiedlung - wie z.B. bei einer Briefkastenfirma - ist nicht als Sitz der wirtschaftlichen Tätigkeit anzusehen. Die auf der Gutschrift angegebene Anschrift gehört zu einem Büroservice-Unternehmen, dem weitere Daten des L (Anschrift, Telefon etc.) nicht bekannt waren. Ein Geschäftsbetrieb des L war jedenfalls nicht eingerichtet.

     

    Voraussetzung für die Versagung des Vorsteuerabzugs ist weiterhin, dass E wusste oder wissen musste, dass er sich mit dem Kauf der Waren von L an einem Umsatz beteiligte, der in eine Umsatzsteuerhinterziehung einbezogen war. Folgende Gründe sprechen für diese Kenntnis:

    • der berufliche Hintergrund der Geschäftsführer (Rechtsanwälte);
    • hohe Umsätze schon zu Beginn der Geschäftsbeziehung;
    • ungesicherter Edelmetalltransport im PKW;
    • keine Transportversicherung;
    • Ankauf des Silbergranulats zu Preisen unter dem Börsenkurs;
    • die Geschäfte an sich wurden erst durch die Umsatzsteuerhinterziehung ökonomisch sinnvoll;
    • zudem wurden bei E Zeitungsartikel über Umsatzsteuerbetrug durch Silberhandel und ebenso ein Zwischenbericht der Steufa über die Prüfung bei einem anderen Edelmetallhändler gefunden.

     

    In der Gesamtschau dieser Punkte sah das Gericht ausreichend Anhaltspunkte, die einen ordentlichen Kaufmann hätten misstrauisch werden lassen müssen. Damit war der Arrestanspruch gegeben. Die Tatsache, dass E nur über Bankguthaben, Bargeld oder Edelmetalle verfügte, die ohne Aufwand in kürzester Zeit beiseite geschafft werden können sowie dessen bisheriges Verhalten, hohe Barabhebungen und Blitzüberweisungen durchzuführen, lassen befürchten, dass die Vermögenswerte dem Zugriff des FA sonst entzogen werden.

     

    Praxishinweis

    Der Sachverhalt ist sicherlich besonders gelagert, dennoch ist es ratsam, einen neuen Geschäftspartner unter die Lupe zu nehmen. Geschäftsvorfälle, die nur ohne Bezahlung der Umsatzsteuer wirtschaftlich sind, müssen ebenso als Alarmzeichen gelten wie angebliche Betriebssitze in Büroservice-Unternehmen. Die Auskünfte, die die Steuerfahndung später von den Dienstleistern erhält, bekommt frühzeitig auch der ordentliche Kaufmann. Meist war der Lieferant, wenn überhaupt, nur selten vor Ort; ein eingerichteter Geschäftsbetrieb existierte nie.

    Quelle: Ausgabe 03 / 2014 | Seite 58 | ID 42524345