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  • · Fachbeitrag · Gesellschaftsrecht

    Übernahme von Sanktionen für Organe

    von OStA Raimund Weyand, St. Ingbert

    Wenn das Vorstandsmitglied einer Aktiengesellschaft durch eine Handlung, die Gegenstand eines Ermittlungs- oder Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat, muss die Hauptversammlung der Übernahme einer Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft zustimmen (BGH 8.7.14, II ZR 174/13, Abruf-Nr. 142614).

     

    Sachverhalt

    A war Vorstand der B-AG. Im Zusammenhang mit unternehmensbezogenen Ermittlungen der StA wurde seine Tätigkeit durch einen Aufhebungsvertrag beendet. Später gewährte die B-AG dem A ein Darlehen, das dieser absprachegemäß für die Zahlung einer Geldauflage im Rahmen einer Einstellung des gegen ihn geführten Ermittlungsverfahrens gemäß § 153a StPO verwendete. Die B-AG kündigte anschließend das Darlehen und forderte dessen Rückzahlung. A weigerte sich mit dem Hinweis, der Geldbetrag sei dem Aufhebungsvertrag entsprechend für die Zahlung einer ihn treffenden Sanktion benutzt worden; dessen Rückforderung sei deswegen ausgeschlossen. Anders als LG und OLG teilte der BGH diese Auffassung nicht und verwies die Sache zur weiteren Aufklärung zurück.

     

    Entscheidung

    Die Zahlung einer Geldstrafe durch die Gesellschaft erfüllt nach ständiger Rechtsprechung weder den Tatbestand der Begünstigung (§ 257 StGB) noch der Strafvereitelung (§ 258 StGB; grundlegend BGH 7.11.90, 2 StR 439/90, wistra 91, 103). Dieser Grundsatz gilt auch für die Übernahme einer Geldauflage bei einer Einstellung des Straf- oder Ermittlungsverfahrens nach § 153a StPO.

     

    Aktienrechtlich muss die Hauptversammlung einer Übernahme der Geldstrafe, Geldbuße oder Geldauflage durch die Gesellschaft aber zwingend zustimmen, wenn das Vorstandsmitglied durch eine Handlung, die Gegenstand eines Strafverfahrens ist, gleichzeitig seine Pflichten gegenüber der Gesellschaft verletzt hat. Ein bloßer Aufsichtsratsbeschluss genügt hierfür nicht. Der Senat folgt ausdrücklich der überwiegend im Schrifttum vertretenen Auffassung, welche bei solchen Konstellationen einen Fall des § 93 Abs. 4 S. 3 AktG annimmt (MüKo-AktG/Spindler, 4. Aufl., § 84 Rn. 97 f., m.w.N.). Dem Aufsichtsrat steht dabei auch kein Handlungsermessen zu; die Einschaltung der Hauptversammlung ist obligatorisch. Dies gilt selbst dann, wenn der Aufsichtsrat einen solchen Beschluss fassen will, um Schaden für den Ruf der Gesellschaft bzw. ein Bekanntwerden negativer Umstände abzuwenden.

     

    Der Aufsichtsrat ist regelmäßig verpflichtet, Ansprüche wegen einer vom Vorstand begangenen Pflichtverletzung zu verfolgen, und darf die Gesellschaft nicht noch zusätzlich schädigen. Zwar kann der Aufsichtsrat in Ausnahmefällen zum Wohl der Gesellschaft von der Verfolgung von Schadensersatzansprüchen absehen (BGH 21.4.97, II ZR 175/95, NJW 97, 1926). Dieser Grundsatz betrifft aber nicht die in der Übernahme einer Sanktion liegende Schädigung der Gesellschaft, weil sie zu einer dauerhaften Vermögenseinbuße führt. Über eine solche Selbstschädigung kann allein die Hauptversammlung disponieren. Nur so kann verhindert werden, dass der Aufsichtsrat entsprechende Regelungen allein trifft, um eigenes Fehlverhalten zu verschleiern, insbesondere etwa eine mangelhafte Kontrolle der Unternehmensorgane.

     

    Praxishinweis

    Liegt eindeutig und offenkundig keine Pflichtverletzung durch den Vorstand vor, kann der Aufsichtsrat beschließen, eine gegen ein Organmitglied verhängte Sanktion zu übernehmen. Ein Beurteilungsermessen für die Annahme einer möglichen Pflichtwidrigkeit besteht aber nicht. Im Zweifel muss sich die Hauptversammlung also immer mit unklaren Fällen befassen. Allerdings kann der Aufsichtsrat vorläufige Regelungen treffen, also dem betroffenen Vorstand beispielsweise ein Darlehen unter dem Vorbehalt der Rückforderung gewähren mit der Bedingung, dass dabei letztendlich gerade keine Pflichtwidrigkeit festgestellt wird. Anderenfalls riskieren die Mitglieder des Aufsichtsrats selbst den Vorwurf der Untreue (§ 266 StGB).

     

    Die Entscheidung verschließt den bislang häufig gewählten Weg, den Ermittlungsbehörden einen (geständigen) „Sündenbock“ zu präsentieren, der die umfassende Verantwortung für unternehmensbezogene Taten übernimmt, und anschließend - meist verbunden mit einem „goldenen Handschlag“ in Form einer großzügigen Abfindung - eine Sanktion akzeptiert, welche von dem Unternehmen übernommen wird. Selbst wenn die Hauptversammlung künftig solchen Regelungen noch zustimmen sollte, muss man die in § 93 Abs. 4 S. 3 AktG verankerte zwingende Mindestwartefrist von drei Jahren nach Entstehung des Anspruchs beachten. Schnelle unauffällige Lösungen gehören damit der Vergangenheit an.

    Quelle: Ausgabe 11 / 2014 | Seite 278 | ID 42948739