· Fachbeitrag · Haftung
Schätzung und Haftungsquote bei fehlender Mitwirkung des Schuldners
von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Kanzlei Krause & Kollegen, Berlin
Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen (BFH 26.10.11, VII R 22/10, Abruf-Nr. 121450). |
Sachverhalt
Die Klägerin war seit der Gründung alleinige Geschäftsführerin der GmbH, für die sie am 23.12.03 einen Insolvenzantrag stellte. Die GmbH war zu diesem Zeitpunkt mit Umsatzsteuer aus dem Jahr 2003 im Rückstand. Nachdem sich die Klägerin weder zur Sache geäußert noch die geforderten Berechnungen aus den Geschäftsunterlagen vorgelegt hatte, erließ das FA einen Haftungsbescheid, mit dem es die Klägerin für den Zeitraum vom 11.8. bis 23.12.03 mit einer Quote von 70 % der rückständigen Beträge in Anspruch nahm. Das FG gab der hiergegen gerichteten Klage teilweise statt (FG Köln 17.6.09, 11 K 3017/05, EFG 10, 1274) und reduzierte die Haftungsquote auf 50 %.
Entscheidungsgründe
Die Revision des FA war erfolgreich. Das FG habe zutreffend erkannt, dass die Klägerin die ihr als Geschäftsführerin der GmbH obliegenden steuerlichen Pflichten zumindest grob fahrlässig verletzt hat. Es habe aber bei der Ausübung seiner Schätzungsbefugnis (§ 96 Abs. 1 S. 1 HS. 2 FGO i.V. mit § 162 AO) die Verletzung der dem Haftungsschuldner obliegenden Pflicht zur Mitwirkung an der Sachaufklärung nicht in dem gebotenen Maß berücksichtigt und sich darüber hinaus bei der Schätzung der Haftungssumme von Erwägungen leiten lassen, die das Ergebnis nach Auffassung des Senats nicht nachvollziehbar begründen, sodass die Reduzierung der Quote nicht schlüssig ist. Hinreichende Anhaltspunkte, die die vom FG vorgenommene, von der des FA abweichende Schätzung rechtfertigen, seien den Feststellungen des FG nicht zu entnehmen.
Praxishinweis
Die Verletzung der der Klägerin obliegenden Mitwirkungspflicht zur Sachverhaltsaufklärung kann nach Ansicht des BFH nicht dazu führen, dass sich die Auswirkungen dieser Pflichtverletzung lediglich in der Befugnis des FA zur Schätzung der Haftungssumme erschöpfen und dass bei der Verwerfung des Schätzungsergebnisses des FA und der Ausübung der eigenen Schätzungsbefugnis durch das FG der Umstand der Pflichtverletzung des Haftungsschuldners gänzlich außer Betracht bleibt.
Macht der Haftungsschuldner keine oder nur unvollständige Angaben, kann er sich auf Schätzungsfehler des FA nur in einem eingeschränkten Umfang berufen. Will er deshalb eine für ihn günstigere Haftungsquote erreichen, ist er im Ergebnis gezwungen, einen entsprechenden Liquiditätsstatus des Unternehmens vorzulegen.