· Fachbeitrag · Landgericht Gießen
Beschlagnahme von Verteidigungsunterlagen?
| Das aus § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO und § 148 StPO folgende Beschlagnahmeverbot gilt auch für Verteidigungsunterlagen, die vor der förmlichen Einleitung des Ermittlungsverfahrens gefertigt wurden. Das Gericht gab der Beschwerde eines Beschuldigten statt, nachdem das AG die Beschlagnahme des bei ihm sichergestellten Leitz-Ordners angeordnet hatte. |
Das aus § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO i.V. mit § 53 Abs. 1 Nr. 2 StPO resultierende Beschlagnahmeverbot erstreckt sich nach § 97 Abs. 2 S. 1 StPO unmittelbar zwar nur auf Gegenstände, die sich im Gewahrsam der zeugnisverweigerungsberechtigten Person befinden. Aus dem rechtsstaatlichen Gebot einer geordneten und effektiven Verteidigung folgt jedoch, dass Unterlagen, die sich im Gewahrsam des Beschuldigten befinden und die sich ein Beschuldigter erkennbar zu seiner Verteidigung in dem gegen ihn laufenden Strafverfahren angefertigt hat, über den Wortlaut von § 97 Abs. 2 S. 1 StPO hinaus weder beschlagnahmt noch gegen seinen Widerspruch verwertet werden dürfen (LG Gießen 25.6.12, 7 Qs 100/12, Abruf-Nr. 122471).
PRAXISHINWEIS | Zudem wird aus dem in § 148 Abs. 1 StPO garantierten ungehinderten Verkehr des Beschuldigten mit seinem Verteidiger allgemein gefolgert, dass Verteidigungsunterlagen von der Beschlagnahme auch sonst ausgenommen sind, ohne Rücksicht darauf, wo sie sich befinden. Voraussetzung für die Beschlagnahmefreiheit von Mitteilungen aus § 97 Abs. 1 Nr. 1 StPO, § 148 StPO ist allerdings das Bestehen des - belegbaren - Verteidigungsverhältnisses. |