· Fachbeitrag · Steuergeheimnis
Auskunftsrechte der Presse und Grenzen durch das Steuergeheimnis
von RA Prof. Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Krause & Kollegen, Berlin
Nach § 4 Abs. 2 BlnPrG (Berliner Pressegesetz) können erbetene Auskünfte unter bestimmten Voraussetzungen verweigert werden, soweit Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Das Steuergeheimnis nach § 30 AO ist eine derartige Vorschrift (VG Berlin 23.8.13, 27 K 159.13, Abruf-Nr. 133831). |
Sachverhalt
Die Klägerin K verlegt zahlreiche periodisch erscheinende Brancheninformationsbriefe. Sie begehrt vom Land Auskunft über Banken, die Darlehen zur Finanzierung des öffentlich geförderten Wohnungsbaus in Berlin hingegeben hatten, die gewährte Körperschaftsteuergutschriften und darüber, welche Banken von der Erstattung dieser Steuerermäßigung betroffen sind sowie über die Vorgehensweise der Finanzverwaltung zur Sicherstellung der Rückforderung besagter Gutschriften im Fall einer vorzeitigen bankseitigen Kündigung des jeweiligen Darlehens.
Entscheidungsgründe
Das Land - vertreten durch die Finanzverwaltung - wird verurteilt, der K Auskunft zu erteilen. Der Auskunftsanspruch ergibt sich nach Ansicht des VG Berlin aus § 4 Abs. 1 BlnPrG, wonach die Behörden verpflichtet sind, den Vertretern der Presse, die sich als solche ausweisen, zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben Auskünfte zu erteilen. Der pauschale Verweis auf die im Internet abrufbaren Berichte zu den Ergebnissen der Beendigung der Anschlussförderung im öffentlich geförderten Wohnungsbau genügt nicht.
Der Inhalt der von der Behörde erteilten Auskunft muss nicht nur vollständig und wahr, sondern auch „sachgerecht“, mit anderen Worten „der Sache angemessen“, sein. Der behördlich vorgenommene Verweis ist angesichts des Umfangs und der Komplexität der mit besagten Fragen erstrebten Auskünfte nach Ansicht des VG sachlich nicht angemessen. Denn er überlässt der K nicht nur den Aufwand, nach den insoweit erfragten Informationen in den betreffenden Drucksachen des Abgeordnetenhauses zu suchen, sondern auch das mit einer solchen Suche verbundene Fehlerrisiko.
Praxishinweis
Nach § 4 Abs. 2 BlnPrG können erbetene Auskünfte unter bestimmten Voraussetzungen verweigert werden, z.B. nach § 4 Abs. 2 Nr. 1 BlnPrG, soweit Vorschriften über die Geheimhaltung entgegenstehen. Geheimhaltungsvorschriften i.S. dieser Regelung sind Vorschriften, die öffentliche Geheimnisse schützen sollen und auskunftsverpflichtete Behörden zumindest auch zum Adressaten haben. Das Steuergeheimnis nach § 30 AO ist nach Ansicht des VG Berlin eine derartige Vorschrift (§ 4 Abs. 2 Nr. 2 des Pressegesetzes-NRW, auch OVG Münster 27.6.12, 5 B 1463/11, NZWiSt 12, 436), zumal dieses Geheimnis nicht nur dem privaten Schutzinteresse des Steuerpflichtigen, sondern auch dem Interesse des Fiskus an einer vollständigen und richtigen Erfassung der Steuerquellen, mithin der im öffentlichen Interesse liegenden Sicherung des Steueraufkommens dient, indem es die Bereitschaft des Steuerpflichtigen zur wahrheitsgemäßen Auskunft fördert.
Nach § 30 Abs. 1 AO müssen Amtsträger das Steuergeheimnis wahren. Ein Amtsträger verletzt das Steuergeheimnis, wenn er Verhältnisse eines anderen, die ihm in einem Verwaltungsverfahren, einem Rechnungsprüfungsverfahren oder einem gerichtlichen Verfahren in Steuersachen bekannt geworden sind, unbefugt offenbart oder verwertet (§ 30 Abs. 2 Nr. 1a AO). Der Begriff „Verhältnisse“ i.S. des § 30 Abs. 2 Nr. 1 AO bezeichnet zusammenfassend alle Merkmale, die eine Person von ihrer Umwelt abheben und zu einem Individuum machen, also sämtliche persönlichen, wirtschaftlichen, rechtlichen, öffentlichen und privaten Merkmale, die eine natürliche oder juristische Person betreffen. Er schließt die bloße Existenz und den Namen einer Person ein. Zu den „Verhältnissen“ gehört auch das Verwaltungsverfahren an sich, die Art der Beteiligung am Verfahren und die Maßnahmen, die der Betroffene vorgenommen hat. Unter den Begriff fällt beispielsweise auch die Tatsache, ob und bei welcher Finanzbehörde ein Steuerpflichtiger geführt wird, ob Steuerrückstände bestehen sowie ob eine Steuerpflicht dispensiert oder nicht durchgesetzt wird.