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  • · Fachbeitrag · Steuerhinterziehung

    Beamtenrechtliche Konsequenzen

    von RA Sascha Lübbersmann, FA StrR, RAe Ammermann Knoche Boesing, Münster

    Die fortgesetzte Hinterziehung von ESt mit einem Gesamtvolumen von 36.000 EUR durch einen Oberstudienrat gebietet als Dienstvergehen die Kürzung der Dienstbezüge im oberen Bereich (VG Regensburg 26.4.13, RO 10A DK 12.239, Abruf-Nr. 132599).

     

    Sachverhalt

    Dem beklagten Beamten, einem Oberstudienrat und Berufsschullehrer, wurde das außerdienstliche Verhalten einer sich über 10 Jahre erstreckenden ESt-Hinterziehung als Dienstvergehen vorgeworfen. Gegen ihn war zuvor ein rechtskräftig gewordener Strafbefehl über 70 Tagessätze zu je 100 EUR wegen Steuerhinterziehung in sechs Fällen i.H. von insgesamt etwa 17.000 EUR für die Jahre 2003 bis 2008 ergangen. Dem lagen Falsch- bzw. Nichterklärungen unterschiedlicher Art zugrunde (unzutreffende Werbungskosten durch konstruierte Verluste aus Vermietung/Verschweigen von Einkünften aus nebenamtlicher Tätigkeit/unrichtige Angaben zu Fahrt- und Reisekosten). Darüber hinaus soll er - ausweislich der Ermittlungen der Steuerfahndung - auch für die strafrechtlich bereits verjährte Zeit von 1999 bis 2002 ESt im Umfang von weiteren knapp 19.000 EUR hinterzogen haben. Die Landesanwaltschaft Bayern erstrebt wegen des besonders hohen Umfangs der Steuerhinterziehung die Zurückstufung des Beklagten gemäß Art. 10 BayDG.

     

    Entscheidungsgründe

    Das VG stellte - entsprechend der Anschuldigung - unter Inbezugnahme auf die Ermittlungsresultate die Begehung eines sich über 10 Jahre erstreckenden Dienstvergehens fest. Der Beklagte habe durch sein außerdienstliches Verhalten gegen die Pflicht zu einem achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten (§ 34 S. 3 BeamtStG) sowie gegen die Pflicht zur Achtung der Gesetze (§ 33 Abs. 1 S. 3 BeamtStG) verstoßen. Das außerdienstliche Verhalten des Beamten erfülle den objektiven Tatbestand eines Dienstvergehens, da es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, Achtung und Vertrauen in einer für das Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen (§ 47 Abs. 1 S. 2 BeamtStG).

     

    Die Disziplinarmaßnahme für die außerdienstliche Steuerhinterziehung sei wegen der Variationsbreite der möglichen Verfehlungen, insbesondere wegen der sehr unterschiedlichen Hinterziehungsbeträge, grundsätzlich nach den Umständen des jeweiligen Falls festzulegen. Danach sei im vorliegenden Fall die Kürzung der Dienstbezüge i.H. von 10 % über 3 Jahre nach Art. 9 BayDG geboten, aber auch ausreichend. Insbesondere bedinge hier auch nicht die Höhe des Hinterziehungsbetrags von 36.000 EUR die beantragte Zurückstufung nach Art. 10 BayDG. Denn nach der Rechtsprechung des BVerwG habe das Hinterziehungsvolumen erst ab Überschreitung eines sechsstelligen DM-Betrags eine „außergewöhnliche Höhe“, mithin erst ab 51.129 EUR.

     

    Praxishinweis

    Auch ohne konkreten Bezug zum Amt oder der Tätigkeit stellt eine vom Beamten begangene Steuerhinterziehung nach ständiger Rechtsprechung ein Dienstvergehen nach § 77 Abs. 1 S. 2 BBG, § 47 Abs. 1 BeamtStG dar. Dies gilt ausweislich der engeren Voraussetzungen der § 77 Abs. 2 BBG, § 47 Abs. 2 BeamtStG indes nicht für Ruhestandsbeamte. Die disziplinarrechtlichen Ahndungsmöglichkeiten sind vielfältig und bestimmen sich grundsätzlich nach den konkreten Umständen des Einzelfalls: Verweis, Geldbuße, Kürzung der Dienstbezüge, Zurückstufung, Entfernung aus dem Beamtenverhältnis.

     

    Durchführung und Ausgang des Disziplinarverfahrens werden normativ wie faktisch durch das grundsätzlich zuvörderst durchgeführte Strafverfahren determiniert. Die einschlägigen Folgen müssen daher bereits im Strafverfahren beachtet werden:

     

    • Eine rechtskräftige Verurteilung wegen vorsätzlicher Steuerhinterziehung von mindestens einem Jahr Freiheitsstrafe führt zwingend zur Beendigung des Beamtenverhältnisses (§ 41 Abs. 1 Nr. 1 BBG, § 24 Abs. 1 Nr. 1 BeamtStG; nicht aber bei einem Strafbefehl in entsprechender Höhe).

     

    • Ne bis in idem steht der kumulativen straf- und disziplinarrechtlichen Ahndung nicht entgegen. Allerdings können Verweis, Geldbuße und Kürzung des Ruhegehalts nicht mehr verhängt werden, wenn wegen desselben Sachverhalts im Straf- oder Bußgeldverfahren bereits eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden ist; selbst die Erfüllung von Auflagen und Weisungen bei einer strafrechtlichen Verfahrenserledigung nach § 153a StPO erzeugt diese Disziplinarsperre (§ 14 Abs. 1 BDG, Art. 15 Abs. 1 BayDG).

     

    • Das Disziplinarrecht kennt keine Verfolgungsverjährung als Verfahrenshindernis, sondern lediglich ein nach Reaktionen gestaffeltes Disziplinarmaßnahmeverbot wegen Zeitablaufs (§ 15 BDG, Art. 16 BayDG). Zudem ermöglicht der „Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens“ eine (einheitliche) disziplinarrechtliche Befassung und Ahndung sämtlicher fortgesetzter Steuerhinterziehungen. Dies muss für strafrechtlich bereits verjährte Taten zwingend berücksichtigt werden; dies auch deshalb, weil dann, mangels strafrechtlicher Sanktionierung, die vorgenannte Disziplinarsperre insgesamt nicht „greift“.

     

    • Die tatsächlichen Feststellungen eines Strafurteils und selbst die bloßen Erkenntnisse aus strafrechtlichen Ermittlungsakten entfalten eine gravierende beweisrechtliche Bindungswirkung für das Disziplinarverfahren. Eine Entkräftung ist nur unter engen Voraussetzungen möglich.

     

    • Für den Fall einer strafbefreienden Selbstanzeige zugunsten des Beamten muss beachtet werden, dass § 371 AO disziplinarrechtliche Verfolgung und Sanktionierung nicht sperrt. Auch hier muss mit einem Informationstransfer an den Dienstherrn des Beamten nach § 125c BRRG gerechnet werden, da die Schwelle des „zwingenden öffentlichen Interesses an der Übermittlung“ i.S. von § 30 Abs. 4 Nr. 5 AO schnell überschritten ist (BFH 15.1.07, VII B 149/07, PStR 08, 104; BMF 20.6.11, PStR 11, 242).
    Quelle: Ausgabe 09 / 2013 | Seite 229 | ID 42247996