· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Festsetzungsfrist bei unberechtigtem Bezug von Kindergeld gehemmt
von RA Dr. Markus Twele, Krause & Kollegen, Berlin
| Der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 7 AO ist bis zum Eintritt der Verfolgungsverjährung gehemmt. Der BFH hat erneut bestätigt, dass bei unberechtigtem Bezug von Kindergeld die Verfolgungsverjährung erst mit der letztmals zu Unrecht erlangten Kindergeldzahlung beginnt. |
Sachverhalt und Entscheidungsgründe
Die Klägerin, Revisionsbeklagte und Revisionsklägerin K bezog für ihre zwei Kinder Kindergeld, obwohl diese sich bereits seit geraumer Zeit bei ihrem Vater in der Türkei aufhielten und dort auch zur Schule gingen. Die Familienkasse (FK) hob daraufhin die Kindergeldfestsetzung für den Zeitraum Januar 2002 bis Januar 2012 auf. Die Klage der K hatte teilweise Erfolg. Für die Monate Januar 2008 bis Januar 2012 sei die Aufhebung zu Recht erfolgt. Die K habe leichtfertig gehandelt, sodass sich die Festsetzungsfrist auf fünf Jahre verlängert habe. Im Übrigen sei jedoch Festsetzungsverjährung eingetreten.
In der Revisionsinstanz hat die FK geltend gemacht, das FG habe unter Missachtung der Regelung in § 171 Abs. 7 AO Festsetzungsverjährung für den Zeitraum Januar 2002 bis Dezember 2007 angenommen. Die Revision hatte Erfolg (BFH 17.12.15, V R 13/15, Abruf-Nr. 183968).
Das FG habe zu Recht entschieden, dass sich die Festsetzungsfrist gemäß § 169 Abs. 2 S. 2 auf fünf Jahre verlängert habe, weil der K zumindest leichtfertige Steuerverkürzung zur Last falle. Die Annahme des FG, für die Monate Januar 2002 bis Dezember 2007 sei Festsetzungsverjährung eingetreten, halte einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Da die Verfolgung der von K begangenen Steuerverkürzung noch nicht verjährt gewesen sei, sei der Ablauf der Festsetzungsfrist nach § 171 Abs. 7 AO gehemmt worden (BFH 18.12.14, III R 13/14, BFH/NV 15, 948; BFH 26.06.14, III R 21/13, PStR 15, 29). Nach § 171 Abs. 7 AO i. V. mit § 169 Abs. 2 S. 2 AO endet die Festsetzungsfrist in Fällen der Steuerhinterziehung oder leichtfertigen Steuerverkürzung nicht, bevor die Verfolgung der Steuerstraftat bzw. Steuerordnungswidrigkeit verjährt sei. Die Verfolgungsverjährung beginnt erst mit der letztmals zu Unrecht erlangten Kindergeldzahlung (BFH 18.12.14 a. a. O.; BFH 26.6.14, a. a. O.).
Praxishinweis
Die Entscheidung steht im Einklang mit der Rechtsprechung des BGH zur Gewährung fortlaufender Leistungen aufgrund betrügerischer Falscherklärung. Vorliegend lässt sich laut BFH auch nicht das Monatsprinzip des § 66 Abs. 2 EStG entgegenhalten, wonach jede Auszahlung des monatlich gezahlten Kindergelds eine eigene Tatbeendigung darstellen könnte (BFH 26.06.14, III R 21/13, PStR 15, 29). Vielmehr seien die Zahlungen für die Folgemonate weitere Erfolge, weil nicht für jeden Monat ein neuer Antrag gestellt worden sei. Damit ist im Ergebnis derjenige besser gestellt, der fortlaufend falsche Angaben macht, als derjenige, der einmalig eine Mitteilung unterlässt.