· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Steuerverkürzung bei verdeckter Gewinnausschüttung
von Oberstaatsanwalt Dr. Jost Schützeberg, Köln
| Der BGH hat aktuell über die Berechnung der Steuerverkürzung bei einer verdeckten Gewinnausschüttung (vGA) und die Grenzen einer strafprozessualen Einziehung entschieden. |
Sachverhalt
Die Angeklagten K und C waren Gesellschafter und Geschäftsführer der S GmbH, der T GmbH und der Ch GbR (der Sache nach eine OHG). Der Mitangeklagte G stellte überhöhte (Schein-)Rechnungen für tatsächlich an diese Gesellschaften nicht erbrachte Leistungen aus. Die Gesellschaften haben die Rechnungsbeträge beglichen. Anschließend wurden diese jedoch von G absprachegemäß unter Abzug einer Provision an K und C in bar ausgezahlt. Diese Einnahmen verschwiegen K und C gegenüber dem FA. Zudem gelang es dem gesondert verfolgten H, einem Angestellten der T GmbH, ab November 2015 von einem gesondert verfolgten städtischen Angestellten gegen Zahlung eines monatlichen Betrags den Auftrag für das Catering einer städtischen Flüchtlingsunterkunft zu erhalten. Der Auftrag wurde u. a. durch die Ch GbR abgewickelt, die die Leistungen vollständig über Subunternehmer erbrachte. Sämtliche Gewinne der GbR waren, wie zuvor geplant, für Bestechungszahlungen sowie Leistungen an die Gesellschafter entnommen worden. Die Revisionen von K und C gegen ihre Verurteilungen hatten alleine hinsichtlich der Einziehungsanordnung Erfolg (BGH 10.8.21, 1 StR 399/20, Abruf-Nr. 224879).
Entscheidungsgründe
Zwar hat das LG den Verkürzungsumfang der durch K und C hinterzogenen ESt falsch bestimmt. Das Urteil beruht jedoch nicht auf diesem Rechtsfehler (§ 337 StPO), da das LG aufgrund der vorgenommenen „Sicherheitsabschläge“ keine niedrigeren Einzelstrafen verhängt hätte.
Das LG hat die Höhe der Einkünfte aus Kapitalvermögen aus vGA (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG) rechtsfehlerhaft bestimmt, indem es die an G als Provisionen gezahlten Entgelte für die Erstellung der Scheinrechnungen als Aufwand außer Betracht gelassen hat. Bei der vorliegenden Konstellation ist davon auszugehen, dass K und C persönlich die inkriminierte Abrede mit G schlossen und sie daher die Provisionen aus ihrem Vermögen schuldeten.
In diesem Fall sind die als Provisionen bezeichneten Entgelte als Werbungskosten nach § 9 EStG zu werten und damit von den bezogenen vGA, die bei K und C zu Einkünften aus Kapitalvermögen führten (§ 11 Abs. 1 S. 1, § 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 2 EStG, vgl. Leplow, PStR 07, 229 ff.), abzuziehen. Auch Aufwendungen, die dadurch ausgelöst werden, dass eine vGA zugeführt wird (sog. Zuführungskosten), sind Werbungskosten. Voraussetzung dafür ist, dass sie dadurch veranlasst sind, dass steuerpflichtige Einkünfte aus Kapitalvermögen erzielt werden. Das ist bei Bearbeitungsgebühren und Provisionen Dritter der Fall (vgl. FG Niedersachsen 20.7.12, 11 K 87/10). Nach diesen Maßstäben handelt es sich auch bei den von G einbehaltenen Provisionen um Zuführungskosten, um die vGA zu erlangen und damit um Werbungskosten.
Die von G erstellten Scheinrechnungen sind erforderlich gewesen, um die vGA in Form von „Kick-back-Zahlungen“ überhaupt erst zu ermöglichen. Dies gilt auch unter Berücksichtigung des Umstands, dass diese Tätigkeit vor allem auch dazu diente, die vGA zu verschleiern und eine Steuerstraftat zu ermöglichen (noch offengelassen durch BGH 2.11.10, 1 StR 544/09, PStR 11, 31). Denn in Hinblick auf § 40 AO ist es unerheblich, ob die Aufwendungen verboten oder sittenwidrig waren oder aufgrund einer Straftat geleistet wurden (vgl. FG Niedersachsen, a. a. O.).
Schließlich handelt es sich bei den Zahlungen für die Scheinrechnungen und für das Weiterleiten der verdeckt entnommenen Geldbeträge auch nicht um die Zuwendung von Vorteilen i. S. d. § 4 Abs. 5 S. 1 Nr. 10 EStG, die einen Werbungskostenabzug ausschließen würde. Insbesondere sind die Provisionen keine Bestechungsgelder (FG Niedersachsen, a. a. O.).
Das LG hat die Voraussetzungen einer Einziehung des Wertes von Taterträgen bei K und C gem. § 73 Abs. 1, § 73c S. 1 StGB in Bezug auf die von der Stadt überwiesenen Geldbeträge rechtsfehlerfrei bejaht. Dass das LG dabei lediglich den Wert des über die GbR aufgrund der Bestechungstaten erzielten Gewinns und nicht, was nach dem Abzugsverbot des § 73d Abs. 1 S. 2 Hs. 1 StGB in Betracht gekommen wäre (vgl. BGH 31.7.18, 3 StR 620/17, Abruf-Nr. 204300), den gesamten Geldbetrag abgeschöpft hat, beschwert die Angeklagten nicht.
Ein Vermögenswert ist nach § 73 Abs. 1 StGB „durch die Tat“ erlangt, wenn er dem Beteiligten in irgendeiner Phase des Tatablaufs aus der Verwirklichung des Tatbestands so zugeflossen ist, dass er hierüber tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann und ihm so aus der Tat unmittelbar messbar zugutegekommen ist (BGH 15.1.20, 1 StR 529/19, Abruf-Nr. 215299, PStR 20, 154 ff.).
Bei juristischen Personen, die selbst Vermögensträger sind, ist dabei zwischen deren Vermögenssphäre und derjenigen der Tatbeteiligten zu unterscheiden. Handelt der Täter etwa lediglich als Beauftragter, Vertreter oder Organ der juristischen Person und tritt die Vermögensmehrung ausschließlich bei ihr ein, ist demnach nicht ohne Weiteres anzunehmen, dass der Täter ‒ auch in Fällen einer (legalen) Zugriffsmöglichkeit ‒ eigene Verfügungsgewalt über das Erlangte hat. In solchen Fällen ist eine Dritteinziehung bei der Gesellschaft nach § 73b Abs. 1 S. 1 Nr. 1 StGB anzuordnen (vgl. BGH 6.6.19, 1 StR 75/19, Abruf-Nr. 210359). Die Vermögensabschöpfung ist aber jedenfalls gegen einen Tatbeteiligten anzuordnen, wenn er die Gesellschaft als „formalen Mantel“ nutzt, also tatsächlich zwischen seiner eigenen Vermögenssphäre und derjenigen der Gesellschaft nicht trennt (vgl. BVerfG 3.5.05, 2 BvR 1378/04, Abruf-Nr. 052380, BGH 28.11.19, 3 StR 294/19).
In der Rechtsprechung des BGH wird die Übertragung dieser Grundsätze auch auf Personengesellschaften bejaht (§ 718 Abs. 1, § 14 Abs. 2 BGB; vgl. insbesondere BGH 29.11.17, 2 StR 271/17, Abruf-Nr. 198937). Bei Personengesellschaften fließen die Taterträge jedenfalls den Gesellschaftern persönlich zu, wenn diese zwar ein Gesellschaftsvermögen bilden, aber die gesetzlich vorgesehene gesamthänderische Bindung des Gesellschaftsvermögens (§ 718 BGB) und damit dessen Verselbstständigung faktisch dadurch unterlaufen wird, dass sie, wie hier, nach Belieben für eigene Zwecke auf das Gesellschaftsvermögen zugreifen. Insoweit gilt nichts anderes als bei Kapitalgesellschaften.
Allerdings muss die Anordnung der Einziehung i. H. d. ersparten Steueraufwendungen insgesamt entfallen, da das LG den Zusammenhang zwischen der Abschöpfung der aufgrund der Bestechung zugeflossenen Erträge und der hierauf anfallenden GewSt, USt und ESt nicht bedacht hat.
Würde nebeneinander sowohl das aus den Bestechungstaten Erlangte als auch der Wert der ersparten Aufwendungen für die wegen des Zuflusses entstandenen Steuern eingezogen, unterläge ein höherer als der insgesamt zugeflossene Betrag der Einziehung. Solches wäre mit der Rechtsprechung des BVerfG nicht zu vereinbaren, wonach es durch Besteuerung und Vermögensabschöpfung nicht zu einer doppelten Belastung des Täters kommen darf (vgl. BVerfG 23.1.90, 1 BvL 4/87 u. a., BVerfGE 81, 228, 239 f.). Dies gilt auch, wenn Zahlungen auf eine Einziehungsanordnung in anderen Veranlagungszeiträumen steuerlich wieder in Ansatz gebracht werden können (zur Abschöpfung von Bestechungsgeldern und hierauf zu entrichtender ESt vgl. BGH 5.9.19 ,1 StR 99/19).
Relevanz für die Praxis
Die Besonderheit des Falles besteht darin, dass die Angeklagten K und C die inkriminierte Abrede über das Ausstellen von Scheinrechnungen persönlich mit G geschlossen haben und sie die Provisionen persönlich schuldeten. Darin besteht ein Unterschied zu den Fällen, in denen die Gelder durch Gesellschaften ausgezahlt werden und in der Folge an diese zurückfließen, etwa um damit „Schwarzlöhne“ zu bezahlen. Zu beachten ist auch, dass sich die Frage der Abzugsfähigkeit von Werbungskosten bei Einkünften aus Kapitalvermögen nach der jeweils im Tatzeitraum geltenden Rechtslage bestimmt.
Die Praxis wird die von dem Senat dargestellte Grenze der Einziehung beachten müssen, um eine „Doppelbelastung“ auszuschließen. Die Einziehung soll eine nicht mit der Rechtsordnung übereinstimmende Vermögenslage berichtigen; ihr soll weder Strafcharakter zukommen noch durch sie eine Überkompensation des geschädigten Fiskus bezweckt werden. Diese Grundüberlegungen finden sich auch in den jüngsten Entscheidungen zu Cum-Ex-Geschäften wieder.
Weiterführende Hinweise
- Külz/Odenthal, Cum-Ex-Geschäfte: Bestätigung der ersten „Cum-Ex“-Verurteilungen: Das sind die Konsequenzen der BGH-Entscheidung, PStR 21, 269 ff.
- Wulf, Das neue Einziehungsrecht ‒ ein Gesetz zur Entlastung der Finanzgerichtsbarkeit?, PStR 18, 150 ff.