· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Wenn pflichtwidriges Handeln des Steuerpflichtigen durch Fehler des FA überlagert wird
von RA Dr. Carsten Wegner, FA StrR, Berlin
| Wird die durch ein pflichtwidriges Handeln des Steuerpflichtigen in Gang gesetzte Ursachenkette durch Fehler des FA so überlagert, dass bei einer wertenden Betrachtung letztere entscheidend für die Steuerverkürzung sind, liegt keine Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung vor. |
1. Hintergrund der Diskussion
Nach Ansicht des 1. Strafsenats des BGH (14.12.10, 1 StR 275/10, PStR 11, 58, Abruf-Nr. 110555, NJW 11, 1299 = wistra 11, 186) soll eine Strafbarkeit wegen vollendeter Steuerhinterziehung gemäß § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO aufgrund unrichtiger oder unvollständiger Angaben nicht deshalb entfallen, weil den Finanzbehörden alle für die Steuerfestsetzung bedeutsamen Tatsachen bekannt und zudem sämtliche Beweismittel (§ 90 AO) bekannt und verfügbar waren. § 370 Abs. 1 Nr. 1 AO setze keine gelungene Täuschung des zuständigen Finanzbeamten voraus. Es genüge, dass die unrichtigen oder unvollständigen Angaben über steuerlich erhebliche Tatsachen in anderer Weise als durch eine Täuschung für die Steuerverkürzung oder das Erlangen nicht gerechtfertigter Steuervorteile ursächlich werden. Auch im Rahmen der Strafzumessung soll eine entsprechende Kenntnislage grundsätzlich irrelevant sein.
2. Überlagerung pflichtwidrigen Handelns durch Fehler des FA
In seinem obiter dictum vom 14.12.10 hat der 1. Strafsenat verschiedene materiell-rechtliche Punkte nicht hinreichend in den Blick genommen, wie andernorts bereits aufgezeigt worden ist (Wulf, NStZ 11, 408). Aber selbst auf der Grundlage der Ausführungen des 1. Strafsenats bleiben für die Strafverfolgungsbehörden in Verfahren, in denen eine vermeintlich irrelevante Kenntnislage bei der Finanzbehörde vorhanden sind, verschiedene Klippen zu umschiffen. Zunächst wird der Blick aber auf eine jüngere finanzgerichtliche Entscheidung gerichtet (FG München 10.6.11, 8 K 1016/08, EFG 11, 2123).
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