· Fachbeitrag · Steuerhinterziehung
Widerruf der Gaststättenerlaubnis wegen erheblicher Steuerstraftaten
von RA Dr. Mario Bergmann, LL.M. Wirtschaftsstrafrecht, FA StrR
Der BayVGH bestätigte den Widerruf einer Gaststättenerlaubnis unter anderem wegen erheblicher Steuerstraftaten mit einer Hinterziehungssumme von rund 1,1 Mio. EUR (BayVGH 2.7.14, 22 CS 14.1186, Abruf-Nr. 142401). |
Sachverhalt
Die Antragstellerin - eine GmbH - wendet sich gegen die Anordnung des Sofortvollzugs des Widerrufs der ihr am 23.11.94 erteilten Gaststättenerlaubnis wegen Unzuverlässigkeit. Der Geschäftsführer und Alleingesellschafter war wegen Steuerhinterziehung in 36 Fällen zu einer Bewährungsstrafe von 1 Jahr und 10 Monaten sowie zu einer Geldstrafe von 570.000 EUR verurteilt worden. Der Unternehmer hatte Privataufwand als Betriebsausgaben geltend gemacht, Umsatz aus dem Betrieb nicht erklärt und darüber USt, KSt, GewSt und ESt von rund 1,1 Mio. EUR hinterzogen. Im Anschluss an das Urteil widerrief mit Bescheid vom 23.4.14 die Antragsgegnerin (Stadt München) die gaststättenrechtliche Erlaubnis, verfügte die unmittelbare Einstellung des Gaststättenbetriebs und drohte mit Zwangsgeld von 45.000 EUR.
Ein früheres Ermittlungsverfahren wegen Steuerhinterziehung war gegen Zahlung einer Geldauflage von 100.000 EUR nach § 153a StPO eingestellt worden. Aus dem Gewerbezentralregister ergaben sich zudem drei Bußgeldeinträge wegen erheblicher Verstöße gegen lebensmittelhygienische Vorschriften. Weiterhin waren bei der Behörde immer wieder Verstöße gegen gaststätten- und gewerberechtliche Vorschriften dokumentiert (unerlaubter Betrieb einer Freischänke, Ruhestörung, Unterschank).
Entscheidungsgründe
Der Antrag der GmbH hatte keinen Erfolg. Eine Gaststättenerlaubnis ist bei festzustellender Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden nach § 15 Abs. 2 GastG i.V. mit § 4 Abs. 1 Nr. 1 GastG zu widerrufen. Zuverlässig ist nur derjenige, der sein Gewerbe im Einklang mit Recht und Gesetz ausübt. Der Sofortvollzug des Widerrufs ist zulässig, wenn ohne diesen während der Dauer des Rechtsstreits konkrete Gefahren für wichtige Gemeinschaftsgüter zu befürchten sind.
Die steuerstrafrechtlichen Verfehlungen des Geschäftsführers sind gewerbebezogen und nach Art und Dauer sowie Schadenshöhe von besonders großem Gewicht. Der Geschäftsführer hatte ein ausgefeiltes System unvollständiger Buchungen und verdeckter Kassen geführt und mithilfe weiterer Beschäftigter über Jahre aufrechterhalten. Als Geschäftsführer konnte er die Manipulationen „von oben“ vorgeben. Selbst ein zuvor eingeleitetes und gegen Zahlung einer Geldauflage eingestelltes Steuerstrafverfahren hatte er sich nicht zur Warnung dienen lassen. Auch die anderen Delikte im gaststätten- und lebensmittelrechtlichen Bereich sowie ihre Häufung und Wiederholung fallen ins Gewicht.
Die Einsetzung der Tochter als Geschäftsführerin neben dem Gesellschafter-Geschäftsführer hindert diesen nicht an zukünftigen Verstößen. Er hat als Alleingesellschafter ganz entscheidenden Einfluss auf die Geschäftsführung und die Berufung/Abberufung eines Geschäftsführers. Allein die Abberufung des Geschäftsführers durch die GmbH kann deren Zuverlässigkeit wiederherstellen. Dass Alleingesellschafter und Geschäftsführer personenidentisch sind, ändert daran nichts. Der Antragsteller hatte den Vorschlag der Behörden, die Tochter als alleinige Geschäftsführerin einzusetzen, jedoch abgelehnt.
Das Gericht bestätigte auch die Auffassung der Antragsgegnerin: Die von der GmbH geplante Implementierung von Compliance-Maßnahmen ändere nichts an der negativen Prognose. Das Wohlverhalten sei allein taktisch motiviert und nicht von Einsicht und Umkehr geprägt.
Praxishinweis
Die Entscheidung des VGH München reiht sich ohne Weiteres in die Rechtsprechung ein (z.B. VG Ansbach 17.10.12, AN 4 K 12.01085, juris; VG Koblenz 17.6.08, 1 K 1956/07, PStR 08, 181; OVG Lüneburg 15.10.97, 7 L 871/97, juris) Straftaten oder Ordnungswidrigkeiten können sich über viele verschiedene Normen auf die Zuverlässigkeit und damit auf Fortführung eines geschäftlichen Betriebs negativ auswirken. Eintragungen im Gewerbezentralregister lassen eine Gewerbeuntersagung gegen jeden Unternehmer nach § 35 GewO zu, bei Gaststätten nach § 15 GastG. Einträge in die Korruptionsregister verschiedener Bundesländer gefährden die Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen. Ganz aktuell sind die Planungen für die Einführung eines bundeseinheitlichen Korruptionsregisters wieder aufgenommen worden.
Weiterführender Hinweis
- Wegner, Risiken und Nebenwirkungen bei Steuerdelikten, PStR 13, 243