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  • · Fachbeitrag · Strafprozessrecht

    Indizwirkung eines Auslandswohnsitzes

    Hat der Beschuldigte seinen ständigen Aufenthaltsort im Ausland, begründet dies für sich allein genommen noch keine Fluchtgefahr. Ein Auslandswohnsitz kann aber als Indiz für diesen Haftgrund angesehen werden (KG Berlin 21.08.14, 1 Ws 61/14, Abruf-Nr. 143665)

     

    Sachverhalt und Entscheidungsgründe

    Dem Beschuldigten werden mehrfache bandenmäßig begangene Betrügereien sowie Verstöße gegen das KWG im Zusammenhang mit Verkäufen von „Schrottimmobilien“ vorgeworfen. Er hat gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin seinen Wohnsitz in Großbritannien.

     

    Fluchtgefahr (§ 112 Abs. 2 Nr. 2 StPO) ist gegeben, wenn bei Würdigung aller Umstände des Einzelfalls eine höhere Wahrscheinlichkeit für die Annahme spricht, der Beschuldigte werde sich dem Strafverfahren entziehen, als für die Erwartung, er werde sich dem Verfahren zur Verfügung halten. Die im Raum stehenden Sanktionsfolgen allein können keine Fluchtgefahr begründen. Sie sind aber bei der zu treffenden Prognoseentscheidung miteinzubeziehen. Je höher die konkrete Straferwartung ist, umso gewichtiger müssen die den Fluchtanreiz mindernden Gesichtspunkte sein. Bei der Gesamtwürdigung sind beispielsweise zu berücksichtigen (KG Berlin 3.11.11, 4 Ws 96/11, StRR 12, 155):

    • die Täterpersönlichkeit,
    • seine persönlichen Verhältnisse und sein Vorleben,
    • die Art und Schwere der vorgeworfenen Tat,
    • das bisherige Verhalten des Beschuldigten im Ermittlungsverfahren,
    • drohende negative oder soziale Folgen der ihm vorgeworfenen Tat,
    • ein anstehender Bewährungswiderruf in anderer Sache,
    • die mögliche Anrechnung der Untersuchungshaft auf die zu erwartende Strafe (§ 51 StGB),
    • die etwaige Aussetzung eines Strafrestes zur Bewährung (§ 57 StGB),
    • die Möglichkeit, eine - selbst längere - Freiheitsstrafe generell im offenen Vollzug verbüßen zu können (OLG Köln 20.1.06, 1 Ws 3/06, StV 06, 313).

     

    Auch allgemeine kriminalistische Erfahrungen können in die Überlegung einbezogen werden. Negativ wirken sich z.B. weitere Ermittlungsverfahren aus, die gegen den Beschuldigten anhängig sind, vor allem dann, wenn sie Delikte aus dem Bereich der organisierten Kriminalität betreffen.

     

    Praxishinweis

    Angesichts der dem Betroffenen vorgeworfenen Delikte, die als Verbrechen (§ 263 Abs. 5 StGB) zwingend eine - mutmaßlich mehrjährige - Freiheitsstrafe nach sich ziehen dürften, fiel die Prognoseentscheidung des Senats negativ aus. Bei der Gesamtwürdigung wertete er den Auslandswohnsitz des Beschuldigten und dessen persönliche Verbindungen ins Ausland explizit als weiteres negatives Indiz.(RW)

     

    Weiterführender Hinweis

    • Wegner, Checkliste: Fluchtgefahr als Haftgrund, PStR 14, 75 ff.
    Quelle: Ausgabe 02 / 2015 | Seite 36 | ID 43060321