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  • · Fachbeitrag · Strohmann

    Strohleute als Mitunternehmer

    von Oberstaatsanwalt Dr. Jost Schützeberg, Köln

    | Eine aktuelle Entscheidung des BGH bietet Anlass, sich mit der steuerstrafrechtlichen Folge einer Mitunternehmerschaft zu beschäftigen. |

     

    Sachverhalt

    Der Angeklagte (A), der einen Dönerimbiss in guter Lage betrieb, veräußerte diesen an seine mitangeklagte Nichte (N), die den Imbiss nach außen als Einzelunternehmerin fortführte. Später verkaufte die N das Unternehmen an die ebenfalls angeklagte Ehefrau (F) des A, die es bis 2013 weiterbetrieb. Tatsächlich führte über die gesamte Zeit überwiegend der A die Geschäfte, traf alle wesentlichen Entscheidungen, trat nach außen gegenüber Kunden und Geschäftspartnern als Entscheidungsträger auf, stellte Arbeitnehmer ein, verwaltet die Geschäftskasse und führte das Tagesgeschäft. Die Mitangeklagten waren hingegen nur selten im Betrieb und beschränkten sich im Wesentlichen darauf, die erforderlichen Unterlagen zu unterzeichnen sowie die Steuerberaterin zu beauftragen. Allerdings waren nur sie befugt, über die Geschäftskonten zu verfügen. Ab 2008 bezog der Imbissbetrieb sämtliche Waren ausschließlich von einem Lieferanten, darunter auch „Schwarzeinkäufe“ in Höhe von 20 Prozent; in diesem Umfang erzielte der Betrieb zusätzliche Einnahmen, die weder der A in seiner Einkommensteuererklärung noch die Mitangeklagten in den Steuererklärungen für das Einzelunternehmen (Umsatz- und Gewerbesteuer) und in ihren persönlichen Einkommensteuererklärungen angaben.

     

    Die Höhe der nicht erklärten Umsätze bzw. Gewinne des Imbisses hat das LG geschätzt. Es hat den in den jährlichen Gewinnermittlungen enthaltenen Wareneinsatzbetrag um 20 Prozent erhöht und den Erlös und den hinzugeschätzten Erlös jeweils auf Grundlage der Richtsatzsammlung ermittelt, indem es einen Rohgewinnaufschlag von 150 Prozent beim Erlös auf den korrigierten Wareneinsatz und bei dem hinzugeschätzten Erlös auf den hinzugeschätzten Wareneinsatz aufgeschlagen hat. Auf die Revisionen der Angeklagten hat der Senat das Urteil des LG im Schuldspruch, soweit die Einkommensteuerverkürzung betroffen war, und im gesamten Strafausspruch aufgehoben.

     

    Entscheidungsgründe

    Bezüglich der Verurteilung wegen der Einkommensteuerhinterziehung habe das LG die Grundsätze der (Mit-)Unternehmerschaft nicht bedacht (BGH 14.5.20, 1 StR 6/20, Abruf-Nr. 217714). Die getroffenen Feststellungen würden nicht belegen, dass die Einkünfte aus dem Imbissbetrieb der N und der F gem. § 2 Abs. 1 S. 1 Nr. 2, § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, 2, Abs. 2 EStG zuzurechnen seien. In Betracht komme, dass (auch) der A gewerbliche Einkünfte in seine Einkommensteuererklärungen aufnehmen musste (die aber nicht von der Anklage umfasst waren). Hierzu sei vorrangig zu prüfen, wer von mehreren Personen, die an einer gewerblichen Tätigkeit beteiligt sind, ertragsteuerlich als Unternehmer anzusehen ist. Es komme dabei weder auf die von den Beteiligten gewählte Bezeichnung noch auf den Rechtsschein an, der nach außen etwa durch die Gewerbeanmeldung gesetzt werde.

     

    (Mit-)Unternehmer i. S. d. § 15 EStG sei der, der nach dem Gesamtbild der Verhältnisse eine (Mit-)Unternehmerinitiative entfalten könne und das (Mit-)Unternehmerrisiko trage. Die Merkmale (Unternehmerrisiko und Unternehmerinitiative) könnten im Einzelfall mehr oder weniger ausgeprägt sein, müssten aber beide vorliegen. Dies sei unter Beachtung aller die rechtliche und wirtschaftliche Stellung einer Person insgesamt bestimmenden Umstände durch das Tatgericht zu würdigen (BGH 8.7.14, 1 StR 29/14).

     

    Beachten Sie | Danach liegt i. d. R. eine Mitunternehmerschaft zwischen dem das Einzelunternehmen faktisch Beherrschenden und den Strohleuten vor, die auf dessen Rechnung den Betrieb führen, da ihre Vertretungsmacht unbeschränkt ist (Mitunternehmerinitiative) und sie das Risiko der vollen persönlichen Haftung im Außenverhältnis tragen (Mitunternehmerrisiko).

     

    Hier sei eine Alleinunternehmerschaft der N und der F nach § 15 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG nicht belegt. Das LG habe festgestellt, der A habe den Betrieb beherrscht. N und F seien als von ihm eingesetzte „Strohfrauen“ einzuordnen. Ob sie neben ihm auch ertragsteuerlich als Unternehmer anzusehen sind, habe das LG nicht geklärt. Sollte eine Mitunternehmerschaft vorliegen, wären ihre gewerblich erzielten Gewinne entsprechend ihrer tatsächlichen Teilhabe am betrieblichen Ergebnis ggf. zu schätzen gewesen, um die von der N und der F verkürzte Einkommensteuer zu ermitteln. Das Tatgericht müsse umfassend aufklären, ob und in welchem Umfang die N und die F Einkünfte aus dem Betrieb erzielten. Wegen ihrer unbeschränkten Haftung im Außenverhältnis, ihren Beratungen mit der Steuerberaterin und ihrer Verfügungsbefugnis über die Geschäftskonten sei nicht auszuschließen, dass tragfähige Feststellungen zu Einkünften aus Mitunternehmerschaft möglich seien. Beide hätten nicht nur ihren Namen für einen rechtlichen Mantel gegeben, unter dem nur der A mit der Folge gehandelt hätte, dass sämtliche Einkünfte allein ihm zuzurechnen wären.

     

    Die Verurteilung wegen Umsatz- und Gewerbesteuerverkürzung sei zu Recht erfolgt, da sich eine mögliche Mitunternehmerschaft bei den Unternehmenssteuern nicht auswirke. Gegen wen als Unternehmer eines Gewerbebetriebs Umsatzsteuer festzusetzen ist (§ 2 Abs. 1 UStG), sei unabhängig davon zu beurteilen, wer in ertragsteuerlicher Hinsicht das Gewerbe führe und gewerbe- und einkommensteuerpflichtig sei (BFH 12.11.19, V B 44/18, m.w.N.). Da die N und die F nach außen „formell“ über die Betriebsinhaberschaft verfügten (sog. „Laden-Rechtsprechung“, vgl. BFH 16.3.00, V R 44/99) und es keine umsatzsteuerrechtliche Mitunternehmerschaft gebe, seien sie Umsatzsteuerschuldner. Durch das Verschweigen der Ausgangsumsätze hätten sie jeweils die Festsetzung zu niedriger Umsatzsteuerzahllasten bewirkt, § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4, S. 1, Hs. 2, § 150 Abs. 1 S. 3, § 168 S. 1 AO, § 18 Abs. 3 UStG, § 25 Abs. 2, § 53 StGB.

     

    Entsprechendes gilt für die Gewerbesteuer. Die nach außen aufgetretenen Betriebsinhaberinnen seien Steuerschuldnerinnen der Gewerbesteuer, § 5 Abs. 1 S. 1, 2 GewStG. Die mit dem A gebildete Innengemeinschaft sei bedeutungslos, § 5 Abs. 1 S. 3 GewStG greife nicht. Selbst wenn nur der A Einzelunternehmer sei, bliebe es auch hinsichtlich der N und der F bei einer Steuerverkürzung nach §  370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Hs. 1 AO. Diese hätten gem. dem gemeinsamen Tatplan (§ 25 Abs. 2 StGB) zumindest mit ihren Erklärungen bewirkt, dass gegen den A, der keine Gewerbesteuererklärung abgab und dem FA als Unternehmer unbekannt war, die Gewerbesteuerschulden weder rechtzeitig noch der Höhe nach richtig festgesetzt wurden, § 370 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 4 S. 1 Hs. 1 AO.

     

    Erfolg hatten die Revisionen hinsichtlich der Strafaussprüche. Zwar hat das LG die Besteuerungsgrundlagen zutreffend anhand der Richtwerte für Rohgewinnaufschlagsätze aus der Richtsatzsammlung des BMF geschätzt. Rechtsfehlerhaft sei hingegen die z. T. widersprüchliche Annahme des Verhältnisses zwischen den Umsätzen mit einem ermäßigten Umsatzsteuersatz von 7 Prozent zu denen mit regulärem Steuersatz. Zudem habe das LG zu Unrecht einen besonders schweren Fall der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 3 S. 2 Nr. 1 AO bejaht.

     

    Relevanz für die Praxis

    Die Einbindung von Strohmännern ist im Bereich des Insolvenz- und Bankrottstrafrechts sowie im Steuerstrafrecht eine Gestaltung, um sich (auch) strafrechtlichen Sanktionen zu entziehen. Verwaltung und Justiz müssen neben den ohnehin häufig schon aufwendigen Feststellungen, ob eine „faktische Inhaberschaft“ vorliegt, ausreichende Feststellungen treffen, wem die entsprechenden Einkünfte und Umsätze zuzurechnen sind. Da es sich bei der Steuerhinterziehung nach § 370 AO um einen Blankettstraftatbestand handelt, muss das Strafgericht spätestens bei der Bestimmung des objektiven Tatbestandsmerkmals Steuerverkürzung (§ 370 Abs. 1, 4 AO) als Weiteres prüfen, in welcher Höhe welcher Angeklagte welche Steuern verkürzt hat.


    Der Begriff der Mitunternehmerschaft ist im Gesetz nicht definiert. Er wurde durch Rechtsprechung und Literatur geprägt. Voraussetzung für die Anwendung des § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG ist, dass eine Personengesellschaft oder eine wirtschaftlich vergleichbare Gemeinschaft vorliegt, deren Gesellschafter bzw. Gemeinschafter in ihrer Verbundenheit einen Gewerbebetrieb als Mitunternehmer betreiben (BFH BStBl II 93, 616). Für die Mitunternehmerschaft müssen (kumulativ) drei Voraussetzungen vorliegen. Es muss sich

    • 1. um ein zivilrechtliches Gesellschaftsverhältnis handeln,
    • 2. der Gesellschafter muss Unternehmerrisiko tragen und
    • 3. Unternehmerinitiative entfalten (vgl. nur BFH BStBl. II 94, 282 m. w. N.).

     

    Hier unterliegt nach § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG als gewerbliche Einkünfte beim einzelnen Mitunternehmer sein Anteil am Gesamtgewinn der Mitunternehmerschaft. Da der Gewinn der Personengesellschaft den einzelnen Gesellschaftern unmittelbar zugerechnet wird, werden die Einkünfte der Mitunternehmerschaft gem. § 179 Abs. 2 S. 2, § 180 Abs. 1 Nr. 2a AO gesondert und einheitlich festgestellt. Dieser Feststellungsbescheid ist Grundlagenbescheid für die Einkommensbesteuerung der Gesellschafter, § 182 Abs. 1 AO.

     

    Ungeklärt ist, wie der Anteil des Mitunternehmers am Gesamtgewinn bestimmt werden kann. Schriftliche Abreden zwischen den Mitunternehmern (Gesellschaftsvertrag) gibt es i. d. R. nicht. Zudem greifen die Gewinnverteilungsschlüssel der § 722 BGB, §§ 121, 168, 231 HGB nicht. Alleine die Feststellung, wer über die Geschäftskonten verfügungsbefugt ist, wird ebenfalls nicht ausreichen. Der Senat verweist auf die Schätzung (so schon BGH 8.7.14, 1 StR 29/14). Finanzermittlungen sind wichtig, um ggf. eine Vermögensabschöpfung vorzubereiten und den Gewinnverteilungsschlüssel zu bestimmen. Hierbei zählt jeder Hinweis auf eine bestimmte Verteilungsabsicht der Mitunternehmer untereinander.

    Quelle: Ausgabe 12 / 2020 | Seite 268 | ID 46858659