· Fachbeitrag · Unterlassungsdelikt
Änderung der Rechtsprechung: Verjährungsbeginn bei USt-Jahreserklärung und LSt-Anmeldung
von RA Dr. Claus Arnold Vogelberg, RiAG a.D., Münster
Die für den Beginn der Verjährung maßgebliche Tatbeendigung (§ 78a StGB) tritt bei Verstreichen der Einreichungsfrist der USt-Jahreserklärung nicht schon im Laufe des 31. Mai ein, sondern erst mit dessen Ablauf am 1. Juni (BGH 31.5.11, 1 StR 189/11, BFH/NV 11, 1469, Abruf-Nr. 113076). |
Praxishinweis
Diese Entscheidung sorgt deshalb für Aufsehen, weil der BGH damit ohne Begründung von der bisherigen ständigen Rechtsprechung abweicht, in der für die unterlassene Umsatzsteuerjahreserklärung ausdrücklich der 31. Mai als Tag der Tatbeendigung bezeichnet worden ist (BGH 11.12.90, 5 StR 519/90, wistra 91, 215, 216; BGH 9.1.91, 3 StR 243/90, wistra 91, 217; BGH 10.12.91, 5 StR 536/91, wistra 92, 93; BGH 27.10.92, 5 StR 517/92, wistra 93, 113, 114). Es fehlt auch der sonst übliche Hinweis „Änderung der Rechtsprechung“. Der bisherigen Rechtsprechung des BGH folgte bislang uneingeschränkt die gesamte Literatur (statt aller: Jäger in Klein, AO, 10. Aufl., § 376 AO Rn. 38).
Die neue Rechtsprechung des BGH ist mit § 78a S. 1 StGB nicht in Einklang zu bringen. Danach beginnt die Verjährung, sobald die Tat beendet ist und nicht erst am folgenden Tag. Im Steuerstrafrecht sind die Zeitpunkte der Tatvollendung und Tatbeendigung - abgesehen von hier nicht interessierenden Ausnahmen - identisch. § 370 As. 4 S. 1 AO regelt, dass Steuern namentlich dann verkürzt sind, wenn sie nicht, nicht in voller Höhe oder nicht rechtzeitig festgesetzt worden sind.
Bei Veranlagungssteuern (u.a. ESt) ist Festsetzung der nach § 122 Abs. 1 AO bekanntgegebene Steuerbescheid. Fälligkeitssteuern (u.a. USt, LSt) sind hingegen Anmeldesteuern (Selbstberechnungssteuern), deren Anmeldung der Steuerfestsetzung gleichsteht (§ 168 S. 1 AO). Die unterlassene USt-Jahreserklärung (= Nichtanmeldung) bedeutet daher Nichtfestsetzung. Der späteste Anmeldezeitpunkt für die USt-Jahreserklärung ist - sofern keine Fristverlängerung gewährt worden ist (§ 109 AO) - der 31. Mai (§ 18 Abs. 3 UStG i.V. mit § 149 Abs. 2 AO: spätestens fünf Monate nach dem Kalenderjahr). Unterbleibt die Anmeldung bis zum Ablauf des 31. Mai, ist die Festsetzung der Steuer an diesem Tag entsprechend der Fiktion des § 168 S. 1 AO unterblieben. Damit ist die Tat an diesem Tag vollendet und beendet, sodass die Verjährung auch an diesem Tag und nicht erst am 1. Juni beginnt.
Dieselbe Rechtslage ergibt sich für die LSt, die spätestens am 10. Tag nach Ablauf eines jeden Lohnsteuer-Anmeldezeitraums anzumelden ist (§ 41a Abs. 1 S. 1 Nr. 1 EStG). Bei unterlassener Anmeldung bis zum Ablauf des 10. Tages ist die Tat an diesem Tag vollendet und beendet, sodass die Verjährung auch an diesem Tag und nicht erst am 11. Tag beginnt. Es bleibt abzuwarten, ob der BGH bei seiner neueren Rechtsprechung bleibt.