· Nachricht · Verfassungsgerichtshof des Freistaates Sachsen
Durchsuchung beim Rechtsanwalt in eigener Sache
| Der VerfGH hat Durchsuchungen bei einem Rechtsanwalt im Rahmen eines Hinterziehungsverfahrens für zulässig erachtet. Der Rechtsanwalt lebte in Scheidung. Sein Schwiegervater hatte ihn beim FA angezeigt und behauptet, ein Büro sei nicht als solches genutzt sowie private Möbel und Einrichtungsgegenstände als Büroausstattung deklariert worden. |
Trotz Bedenken weist der VerfGH Sachsen (27.6.19, Vf. 121-IV-18, Abruf-Nr. 211121) darauf hin, dass der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz hier keine vorherige Vernehmung des Beschuldigten erforderlich machte. Der Richtervorbehalt gewähre hinreichenden Schutz vor willkürlichen Maßnahmen. Indem die Steuerfahndung neben der Anzeige auch die USt- und ESt-Erklärungen nebst Unterlagen, Schriftverkehr und Steuerbescheiden ausgewertet, die Bauakte beigezogen sowie eine Außensichtung des Objekts durchgeführt hatte, war die daran anschließende Durchsuchung noch verhältnismäßig. Aus alledem durfte der Ermittlungsrichter einen hinreichenden Tatverdacht ableiten und die Durchsuchungsbeschlüsse erlassen. Verfassungsrechtlich unbedenklich sei auch, dass kein konkreter Hinterziehungsbetrag angegeben war, da dieser erst nach der Durchsuchung eindeutig zu ermitteln war.
MERKE | Der besondere Schutz von Berufsgeheimnisträgern gebietet bei Durchsuchungen von Kanzleien die besonders sorgfältige Prüfung der Eingriffsvoraussetzungen und des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit. Soweit nur sehr schwache Verdachtsgründe vorliegen, sind die Ermittlungsbehörden verpflichtet, vor einer Durchsuchung in Wohn- und Geschäftsräumen alle in Betracht kommenden, naheliegenden und grundrechtsschonenderen Ermittlungsmaßnahmen durchzuführen (BVerfG 10.11.17, 2 BvR 1775/16, NJW 18, 1240).(DR) |